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Von der Leyen: EU-Länder sollen Afghanen aufnehmen

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat alle Mitgliedsländer zur Aufnahme schutzbedürftiger Afghanen aufgefordert. Die EU-Kommission werde finanzielle Unterstützung für die Länder zur Verfügung stellen, die den Flüchtenden eine neue Heimat böten. Die USA wiederum wollen Hilfen für Afghanistan an "harte Bedingungen" knüpfen.

Die Kommissionspräsidentin besuchte zusammen mit EU-Ratspräsident Charles Michel und dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez (Sozialisten/PSOE) die Militärbasis Torrejón de Ardoz nahe Madrid. Auf dem Stützpunkt hat die spanische Luftwaffe ein Lager eingerichtet, das laut Sánchez bis zu 800 Menschen aufnehmen kann. Nach Angaben der Regierung in Madrid soll es als "logistisches Zentrum Europas" dienen, von dem aus "alle Afghanen, die für EU-Institutionen gearbeitet haben", in andere Staaten verteilt werden sollen.

Von der Leyen stellte zudem klar, dass es derzeit zwar "operationelle Kontakte" zu den Taliban gebe, "um Leben zu retten". Es gebe aber keinen politischen Dialog und demzufolge auch "keinerlei Anerkennung der Taliban". Die radikalislamischen Kämpfer hatten vor einer Woche die Macht in Afghanistan wieder an sich gerissen, seitdem versuchen unzählige Menschen verzweifelt, das Land zu verlassen.

Humanitäre Hilfe finanziell aufgestockt

Die von der Kommission vorgesehene humanitäre Hilfe für Afghanistan in Höhe von 57 Millionen Euro solle außerdem zwar aufgestockt werden, sei aber an die Einhaltung von Menschenrechten und der Rechte von Minderheiten und Frauen gebunden, so von der Leyen. Zur humanitären Hilfe werde man in naher Zukunft einen Vorschlag unterbreiten. "Wir müssen helfen, das ist unsere Verantwortung."

Man müsse aber nicht nur den Ausgeflogenen helfen, "sondern auch denjenigen, die in Afghanistan geblieben sind", so von der Leyen. Es werde allerdings keine Mittel für die Taliban geben, wenn diese nicht die Menschenrechte respektieren sollten, sagte sie bezüglich der Entwicklungsgelder in Höhe von einer Milliarde Euro, die für Afghanistan für die nächsten sieben Jahren vorgesehen sind.

"Fast alle EU-Staaten" dabei

Laut dem spanischen Außenminister José Manuel Albares haben sich "fast alle EU-Staaten" bereit erklärt, Flüchtlinge aus dem Lager aufzunehmen. Die Afghanen sollen zunächst eine "befristete Einreiseerlaubnis" für Spanien erhalten, bevor ihnen von den verschiedenen Ländern, in denen sie sich niederlassen sollen, der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird.

Das italienische Militär hat über seine Luftbrücke bisher mehr als 1600 Afghanen aus Kabul ausgeflogen. Das Verteidigungsministerium berichtete am Samstag von einem Flug mit knapp 200 afghanischen Staatsbürgern, der am Flughafen Fiumicino in Rom landete. In Rom kümmerte sich die Polizei nach eigenen Angaben mit Malbüchern und Stiften um einige Kinder, die dort wegen des Einreiseverfahrens warten mussten.

US-Präsident Joe Biden erklärte unterdessen, er wolle die Taliban unter Druck setzen und Hilfen für Afghanistan während ihrer Herrschaft an "harte Bedingungen" knüpfen. So werde man genau verfolgen, wie die Islamisten ihre Landsleute und dabei speziell Frauen und Mädchen behandeln, sagte Biden am Freitag (Ortszeit) in einer Ansprache.

Die Taliban machen einem ihrer Repräsentanten zufolge Fortschritte bei der Bildung einer Regierung und einer Verbesserung der Sicherheitslage im ganzen Land. Mit früheren Verwaltungsmitarbeitern liefen Gespräche über die finanzielle Krise und eine Wiedereröffnung der Banken, sagt er der Nachrichtenagentur Reuters. Es werde zudem versucht, über das Wochenende die Lage am Flughafen von Kabul zu verbessern.

Weiterhin Chaos in Kabul

Rund um den Flughafen von Kabul herrschten indes weiter chaotische Zustände, die Lage ist extrem gefährlich. Wie schon in den Tagen zuvor belagerten Tausende Menschen den Flughafen in der Hoffnung, aus dem Krisenstaat fliehen zu können. Die afghanische zivile Luftfahrtbehörde rief dazu auf, nicht mehr zum Flughafen Kabul zu kommen. Es gebe weiter keine zivilen und kommerziellen Flüge, hieß es in einer am Samstag auf Facebook veröffentlichten Nachricht. Auch die US-Botschaft rief in einer Mitteilung dazu auf, den Flughafen aufgrund möglicher Sicherheitsbedrohungen zu meiden.

Die US-Streitkräfte haben seit Beginn der Evakuierungsmission in Afghanistan vor einer Woche nach eigenen Angaben insgesamt 17.000 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Generalmajor William Taylor sagte am Samstag im Pentagon, in den 24 Stunden zuvor hätten die US-Streitkräfte insgesamt rund 3.800 Menschen evakuiert. Dafür seien sechs Flugzeuge der US-Luftwaffe und 32 Chartermaschinen eingesetzt worden. 5.800 US-Soldaten sicherten den Flughafen in der afghanischen Hauptstadt.

Widerstandkräfte falsch eingeschätzt

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel räumte indes ein, dass man die Widerstandskraft der afghanischen Armee falsch eingeschätzt habe. "Die Armee ist in atemberaubendem Tempo kollabiert", sagt Merkel beim Bundestags-Wahlkampfauftakt der Unionsparteien CDU/CSU. "Wir hatten die Widerstandskraft stärker eingeschätzt", fügt sie mit Blick auf die Debatte hinzu, ob die Regierung schneller hätte handeln müssen.

Merkel (CDU) sprach am Samstag auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über die Lage in Afghanistan. Beide seien sich einig, dass die Evakuierung schutzbedürftiger Menschen höchste Priorität habe. Sie hätten zudem enge Zusammenarbeit bei der Unterstützung internationaler Organisationen vereinbart, insbesondere des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR, hieß es. Vor der Machtübernahme der Taliban wurde die Möglichkeit diskutiert, dass die Türkei auch nach dem Ende der NATO-Mission weiter mit Kräften vor Ort sein würde. Die Türkei hatte sich mehrmals dazu bereit erklärt. Die Taliban hatten das in der Vergangenheit jedoch abgelehnt.

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  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat alle Mitgliedsländer zur Aufnahme schutzbedürftiger Afghanen aufgefordert.

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