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Tirol vor Neuwahlen: Opposition sieht "Flucht nach vorne"

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Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kündigt Neuwahlen an und wird nicht mehr antreten. Laut SPÖ, FPÖ und NEOS fürchtet sich Platter vor Wahlniederlagen. Die ÖVP hingegen dankt Platter für seine Verdienste.

"Es ist einmal genug". Mit diesen Worten zog der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Montag einen Schlussstrich unter seine 14-jährige Amtszeit. Nach Gesprächen mit Familie, Freunden und Weggefährten sei er zum Entschluss gekommen, "dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die richtigen Weichen zu stellen". 

Der Tiroler ÖVP-Landesparteivorstand hat am Montag Wirtschaftslandesrat Anton Mattle einstimmig als Landeshauptmann-Kandidat für die kommende Landtagswahl nominiert. Zudem entschied die ÖVP ebenfalls einhellig, dass früher und nicht wie vorgesehen erst im Frühjahr 2023, gewählt werden soll. Platter nannte als Wunschdatum den 25. September - dafür wäre aber die Einberufung eines Sonderlandtages nötig.

Die Tiroler Landtagsparteien rüsten sich jedenfalls schon jetzt für Neuwahlen. Großteils haben sie ihre Spitzenkandidaten bereits gewählt, nur die Liste Fritz muss ihr Prozedere nun beschleunigen. 

SPÖ ist "bereit für Tirol"

Um "Stabilität und klare Verhältnisse" zu schaffen, brauche es eine Neuwahl, sagte SPÖ-Landesparteivorsitzender Georg Dornauer nach der Pressekonferenz von Platter und Mattle. Daher werde man einem "entsprechenden Neuwahlantrag der ÖVP" zustimmen. Dornauer bekräftigte einmal mehr, dass die SPÖ nach der Wahl mitregieren möchte. "Wir sind bereit für Tirol", gab er als Devise aus. Er pochte darauf, eine Wahlkampfkostenobergrenze von 700.000 Euro und ein "absolutes Spendenverbot" einzuführen. Die SPÖ wolle maximal 500.000 Euro für den Wahlkampf ausgeben.

SPÖ-Klubobmann: "Wir begrüßen Platters Schritt"

Für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zeigt Platters Rückzug, dass das Zutrauen in die Bundesregierung auch innerhalb der ÖVP schwinde - die Landeshauptleute würden Wahlniederlagen fürchten.

"System-Platter bleibt"

Die FPÖ fordere laut ihrem Obmann Markus Abwerzger ohnehin angesichts des "Stillstandes" in der schwarz-grünen Landesregierung schon "seit einem Jahr Neuwahlen". Der Wahlkampf sei "schon seit geraumer Zeit vorhanden", es würde sowieso nicht mehr gearbeitet: "Da rockt nichts mehr". Nun sei "der Wähler am Wort".

Abwerzger: Platter-Rücktritt "kommt ein Jahr zu spät"

Abwerzger hielt es durchaus für denkbar, dass die ÖVP "der künftigen Regierung nicht mehr angehören muss". Eine Regierungsbeteiligung mit der "Platter-ÖVP" hatte Abwerzger in der Vergangenheit ausgeschlossen. "Platter ist gegangenen, aber das System bleibt", kommentierte er die aktuellen Geschehnisse und fand, dass sich auf den "ersten Blick nicht viel geändert" habe. 

Platter sei es ob der "spannenden Causen" in Tirol wie beispielsweise dem Umzug der Tiroler Landesholding in eine Immobilie von Investor René Benko, den 853.000 Euro an Corona-Hilfsgeldern für die Jungbauernschaft oder den Skandal um hunderttausende unbrauchbare PCR-Tests offenbar "zu heiß" geworden, meinte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. Deshalb trete Platter die "Flucht nach vorne an".

Furcht vor Wahlniederlagen?

"Wenig überrascht" vom Schritt Platters zeigte sich auch NEOS-Klubobmann Dominik Oberhofer. Den Grund für den Rückzug des Landeschefs sah er weniger im privaten Bereich, sondern ebenfalls vielmehr in einem "irrsinnigen Parteienfinanzierungsskandal". Ausschlaggebend ist laut Oberhofer gewesen, dass ÖVP-Jugendorganisationen aus dem Corona-Hilfsfonds rund 860.000 Euro erhalten hatten. Außerdem sei die Regierung nun "nicht mehr handlungsfähig". 

NEOS-Vizeklubchef Gerald Loacker zeigte Verständnis dafür, dass Platter am Ende seiner politischen Laufbahn nicht mehr in eine Wahlniederlage gehen wolle. Den Nachfolger Anton Mattle wollte man seitens der NEOS nicht beurteilen.

NEOS-Landessprecher Dominik Oberhofer ist nicht überrascht.

Grüne noch gegen Wahlen

Während sich die meisten anderen Parteien nach dem angekündigten Rückzug von ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter und dem schwarzen Vorstoß für eine Neuwahl im Herbst aussprechen, zeigt sich der Koalitionspartner Grüne noch sehr skeptisch. Man wolle bis zum regulären Termin im Herbst weiterarbeiten, sei aber bereit für Gespräche und Verhandlungen, sagte Klubobmann und Spitzenkandidat Gebi Mair bei einer Pressekonferenz in Innsbruck.

Man sei "gewählt, um zu arbeiten", spielte Mair etwa auf notwendige Maßnahmen gegen die Teuerung, das Voranbringen der Energiewende sowie Themen wie Parteienfinanzierung und Wahlkampfkostenobergrenze an. Man fühle sich jedenfalls dem Koalitionsabkommen verpflichtet.

Mair und seine Listenzweite Petra Wohlfahrtstätter waren sehr bemüht, die Grünen als stabile Kraft zu betonen. Der Rückzug von Platter war für den Klubobmann "absehbar", wie er einmal mehr betonte.

Liste Fritz gegen Neuwahlen

Kein Verständnis für eine Neuwahl hatte indes die Liste Fritz, die mit zwei Mandaten im Landtag vertreten ist. "Mir erschließt sich nicht, warum man die Bevölkerung zur Neuwahl drängt", sagte Liste Fritz-Parteichefin Andrea Haselwanter-Schneider. Sie sei für "parteitaktische Spielchen nicht zu haben, wenn die Umfragewerte der ÖVP nicht passen", hielt sie fest. Es gebe keinen "triftigen Grund" für eine Neuwahl - in der Steiermark gehe die Amtsübergabe von Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer an Christopher Drexler auch ohne Wahl über die Bühne, argumentierte Haselwanter-Scheider.

Aus der eigenen Partei erhält Platter nach seinem angekündigten Rücktritt hingegen lobende Worte: "Für Günther Platter hat das Land Tirol stets oberste Priorität", teilte etwa Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in einer Aussendung mit. Für "all seine Leistungen" habe sich Platter "den vollsten Respekt und großen Dank verdient". Dem designierten Nachfolger Anton Mattle wünscht Nehammer alles Gute: "Anton Mattle besitzt alle Fähigkeiten, um als Landeshauptmann und Landesparteiobmann Erfolg zu haben".

Ähnliche Worte wählte ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner: "Die Volkspartei hat Günther Platter enorm viel zu verdanken". Platter stehe für Geradlinigkeit, Verstand und Handschlagqualität. 

Platters politische Laufbahn

Platter ist seit 14 Jahren Landeshauptmann von Tirol. Seine politische Karriere begann er 1986 als ÖVP-Gemeinderat in Zams, von 1989 bis 2000 war er Bürgermeister. 1994 kam er als Nationalratsabgeordneter erstmals politisch nach Wien. Im Jahr 2000 wechselte er in die Tiroler Landesregierung und galt als künftiger Landeshauptmann. In einer Abstimmung unterlag er jedoch dem damaligen Innsbrucker Bürgermeister Herwig van Staa.

Von Februar 2003 bis Jänner 2007 war Platter Verteidigungsminister. Ab 2007 war Platter Innenminister, bis er 2008 zum Landeshauptmann von Tirol gewählt wurde.

In Platters Amtszeit als Verteidigungsminister fiel unter anderem die umstrittene Anschaffung der Eurofighter-Kampfflugzeuge für das Bundesheer und die 2004 begonnene umfassende Heeresreform mit der Verkürzung des Präsenzdienstes auf sechs Monate.

Kritik am Corona-Management

Zu Beginn der Corona-Pandemie geriet Platter in die Kritik, bei der Bekämpfung der Corona-Ausbrüche in Ischgl im Lokal "Kitzloch" zu zögerlich vorgegangen zu sein. Ein Behördenversagen verneinte Platter stets und verwies zudem auf die Eigenverantwortung der Tourist:innen.

ribbon Zusammenfassung
  • "Es ist einmal genug". Mit diesen Worten zog der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Montag einen Schlussstrich unter seine 14-jährige Amtszeit. 
  • Für SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried zeigt Platters Rückzug, dass das Zutrauen in die Bundesregierung auch innerhalb der ÖVP schwinde - die Landeshauptleute würden Wahlniederlagen fürchten.
  • NEOS-Vizeklubchef Gerald Loacker zeigte Verständnis dafür, dass Platter am Ende seiner politischen Laufbahn nicht mehr in eine Wahlniederlage gehen wolle.
  • Platter sei es ob der "spannenden Causen" in Tirol wie dem Umzug der Tiroler Landesholding in eine Immobilie von Investor René Benko zu heiß geworden, meint FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. Deshalb trete er die "Flucht nach vorne an".
  • Für Platter habe das Land Tirol stets oberste Priorität gehabt, betonte hingegen Nehammer. Die Tiroler Bevölkerung habe ihm daher großes Vertrauen entgegen gebracht.

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