"So viel zu tun": Nehammer will mit Grünen bis 2024 regieren

0

Die Zukunftsrede von Kanzler Karl Nehammer war von einigen Beobachtern als inhaltlicher Bruch mit dem grünen Koalitionspartner interpretiert worden. Er habe mit den Grünen trotz Differenzen aber noch viel vor, erklärte der ÖVP-Chef am Montag.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) glaubt trotz der Irritationen beim grünen Koalitionspartner nach seiner "Rede zur Zukunft der Nation", dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2024 hält. Im Gespräch mit PULS 24 und anderen Medien bekräftigte Nehammer am Montag, dass er in Klimafragen zwar andere Ansätze als die Grünen verfolge, aber das Ziel des Klimaschutzes mit ihnen gemein habe.

"Ich bin der Meinung, dass man sich jetzt nicht zu schnell festlegen soll, etwas auszuschließen", sagte Nehammer. "Beim Verbrennungsmotor soll man, in Kombination mit den sogenannten E-Fuels, an die Unabhängigkeit Europas denken, vor allem gegenüber der Volksrepublik China." Am Freitag hatte Nehammer in einem von der ÖVP - nicht der Regierung - veranstalteten Auftritt seine Vorstellungen für Österreich bis zum Jahr 2030 kundgetan. Er sagte unter anderem, er werde sich "dagegen aussprechen, den Verbrennungsmotor zu verbannen". Österreich sei das "Autoland schlechthin", den Klima-Aktivist:innen, die sich immer wieder auf Straßen festkleben, attestierte er "Untergangsirrsinn".

Nehammer: Gemeinsame Punkte mit Grünen

Er habe am Montag mit Vizekanzler Werner Kogler von den Grünen ein langes Gespräch geführt, berichtete Nehammer nun. Vieles aus seiner Rede vom Freitag seien gemeinsame Ziele und keine Streitpunkte, zählte Nehammer die Zweckwidmung der Wohnbauförderung, leichtere Ausbildungsanerkennung im Pflegebereich, Digitalisierungs- und Medienkompetenzfragen im Bildungsbereich, eine kostenlose Meisterprüfung, den Ausbau der Kinderbetreuung und eine neue Sicherheitsdoktrin auf.

Allerdings hatten die Grünen nach einer gewissen Schockstarre entsetzt auf Nehammers Aussagen in der Klima- und Sozialpolitik reagiert. Eine Berufspflicht für Medizinstudenten in Österreich, eine Halbierung der Sozialleistungen für Ausländer in den ersten fünf Jahren, eine größere Differenz zwischen Einkommen aus Arbeit und Sozialleistungen sowie die Frage der synthetischen Kraftstoffe (E-Fuels) seien durchaus Themen, die über diese Regierung hinausgehen, sagte Nehammer nun. Er habe die Rede bis 2030 angelegt und nicht für diese Legislaturperiode, die planmäßig bis 2024 geht.

Nehammer habe aber weiterhin vor, die vollen fünf Jahre mit den Grünen zu regieren: "Pandemie, Energiekrise - es gibt so viel zu tun, vor allem auch in die Zukunft gerichtet. Der Transformationsfonds (für mehr Klimaschutz, Anm.) zum Beispiel, den wir mit mehr als fünf Milliarden Euro eingerichtet haben, um Unternehmer und Industrie einen Schritt weit zu begleiten auf dem Weg, von fossiler Energie unabhängiger zu werden. Wir haben noch genug zu tun."

Rauch widerspricht Nehammer

Auf deutliche Kritik bei den Grünen stieß auch Nehammers Ziel, die Sozialleistungen für Ausländer zu reduzieren. Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch wandte sich gegen den Vorstoß, dass nur jene Menschen, die fünf Jahre im Land sind, Sozialleistungen in voller Höhe erhalten sollen. Maßgeblich für den Bezug müsse der Bedarf an Unterstützung sein, nicht die Aufenthaltsdauer in Österreich oder das Ausmaß der Beschäftigung, zitierte der "Standard" das Ministerbüro.

Nehammer hatte in seiner "Rede zur Zukunft der Nation" das Ziel genannt, die Sozialleistungen so zu regeln, dass nur jene die volle Leistung beziehen können, die durchgehend fünf Jahre in Österreich leben, "und wenn nicht, nur die Hälfte". "Den Bezug von Sozialleistungen für Zuwanderer und Zuwanderinnen in den ersten fünf Jahren zu beschränken, wird nicht dazu führen, 10.000 Pflegekräfte aus dem Ausland für Österreich zu gewinnen, wie es Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner Rede als Ziel formuliert hat", wandte Rauch ein.

Experten vermuteten, dass der Kanzler aufgrund des geltenden EU-Rechts nur Ausländer:innen aus EU-Drittstaaten, also aus Ländern außerhalb der Europäischen Union, meinen könne. Das bestätigte Nehammer in der Fragerunde am Montag auch.

Grüne: Rechtlich kaum umsetzbar

Der grüne Parlamentsklub erinnerte in der ZIB2 am Sonntag daran, dass sich dazu auch nichts im Regierungsprogramm finde, eine Umsetzung stehe nicht zur Diskussion. Man erinnerte auch an die von Türkis-Blau eingeführte Indexierung der Familienbeihilfe, die vom EuGH aufgehoben wurde. Die Ideen der ÖVP seien, soweit bekannt, "rechtlich kaum umsetzbar, da es sich bei den meisten Leistungen um Versicherungsleistungen handelt". Auch Sozial- und Verfassungsrechtsexperten zeigten sich am Montag zu Nehammers Vorstellungen skeptisch.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Zukunftsrede von Kanzler Karl Nehammer war von einigen Beobachtern als inhaltlicher Bruch mit dem grünen Koalitionspartner interpretiert worden.
  • Er habe mit den Grünen trotz Differenzen aber noch viel vor, erklärte der ÖVP-Chef am Montag.