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Mindestsicherung und Co.

Wie Ministerin Schumann die Sozialhilfe reformieren will

Heute, 05:00 · Lesedauer 4 min

Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) will bei dem im Regierungsprogramm geplanten Umbau der Sozialhilfe eine Reform "ohne soziale Kälte zu erzeugen und ohne Personengruppen gegeneinander auszuspielen".

Es gehe darum, das System gerechter und zielgerichteter zu gestalten - zum Beispiel mit Sachleistungen - erklärte sie gegenüber der APA.

Sie habe aber "vollstes Verständnis, dass solche Fälle bei vielen Menschen Unmut und Ärger hervorrufen - übrigens auch bei den vielen Tausenden Syrern, Afghanen und Menschen anderer Nationalitäten, die einer Arbeit nachgehen und in Österreich Steuern zahlen", sagte Schumann zu dem medial diskutierten Beispiel einer syrischen Großfamilie mit elf Kindern, die in Summe auf Sozialleistungen von rund 9.000 Euro kam.

Pauschale Deckelung "bedenklich" 

Eine generelle Deckelung, um Leistungen künftig zu begrenzen, wird es laut Schumann nicht geben: "Eine pauschale Deckelung unabhängig vom Bedarf wäre verfassungsrechtlich bedenklich", sagte sie.

Die Ressortchefin verwies darauf, dass die dargestellten Summen stets aus mehreren Leistungen bestehen, etwa aus Mietzuschuss, Kinderbeihilfe, Schulstartgeld. Diese würden sich nach der Kinderanzahl und dem tatsächlichen Bedarf richten.

"Wir prüfen aber, wie das System gerechter und zielgerichteter gestaltet werden kann - zum Beispiel mit Sachleistungen - ohne soziale Kälte zu erzeugen und ohne Personengruppen gegeneinander auszuspielen."

Hier sei auch wichtig zu betonen - weil es im öffentlichen Diskurs sehr oft zu kurz komme - dass 73 Prozent der Haushalte, die Sozialhilfe beziehen, sogenannte Aufstocker sind, bei denen das Arbeitseinkommen oder das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe, Alimente, Krankengeld etc. nicht zum Bestreiten des Lebensunterhaltes ausreichen.

"Da reden wir also auch von Tausenden Alleinerzieherinnen oder Pensionistinnen, die sonst in der Armut landen", so Schumann. Das könne man als Politik und als Gesellschaft nicht ernsthaft wollen. "Die Sozialhilfe gemeinsam mit anderen Leistungen war und ist das soziale Netz, das wir in Österreich spannen und gespannt halten müssen, weil es die Menschen brauchen."

Zu immer wieder geäußerter Kritik, dass arbeitende Menschen mit Jobs nicht auf die Bezüge von Sozialhilfebeziehern bzw. -bezieherinnen kommen, wenn sie Kinder haben, sagte Schumann: "Das ist falsch - wenn ein Haushalt mit Einkünften nicht auf die Höhe der errechneten Sozialhilfe kommt, kann der Haushalt eben aufstocken."

Video: 9.000 Euro Sozialhilfe für Familie

Bundesweite Vereinheitlichung als Ziel

Ein wichtiges Anliegen ist der Sozialministerin die Vereinheitlichung der Geldleistungen über die Bundesländer hinweg. "Die Unterschiede sind in der Tat ein Problem - es braucht hier einheitliche Mindeststandards bei der Sozialhilfe, statt eines regionalen Fleckerlteppichs."

Sie plädiert daher für eine bundesweite Lösung, die "Gerechtigkeit" schaffen soll - und zwar sowohl zwischen den Bundesländern als auch zwischen den Menschen.

Betont wurde seitens Schumann, dass die Gewährung von Sozialleistungen - auch jetzt schon - sehr wohl ausreichend kontrolliert werden. Die Auszahlung der Sozialhilfe erfolge nach einem klar geregelten Verfahren. Die Bezugsberechtigung werde regelmäßig überprüft, inklusive der Vermögens- und Einkommenslage.

Prüfen im Bedarfsfall, Arbeitsmarktintegration als Ziel

Zentrales Ziel sei die Integration der Betroffenen am Arbeitsmarkt. Diese könne aber nicht über Nacht gelingen - das gelte besonders bei Menschen mit Fluchthintergrund.

"Es braucht Deutschkenntnisse, Qualifizierungsmaßnahmen und vor allem funktionierende Kinderbetreuung, damit überhaupt beide Elternteile arbeiten könnten", betonte sie.

Hierbei brauche es auch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) und dem Arbeitsmarktservice (AMS), um arbeitsfähige Personen möglichst rasch in passende Beschäftigungen zu vermitteln - all das sei Teil der geplanten Sozialhilfereform. "Pauschale Kritik hilft hier wenig - wir müssen strukturelle Hindernisse abbauen, nicht einzelne Familien stigmatisieren."

Bildung und Kindergrundsicherung als Weg aus der Abhängigkeit

Aufgabe der Regierung sei es, Familien nicht in dauerhafte Abhängigkeit zu bringen. Man müsse diesen "echte Perspektiven" geben. Dazu zählen laut Schumann Bildungsangebote für Kinder - daher stehe im Regierungsprogramm auch die Kindergrundsicherung (als Teil der Sozialhilfereform), damit Bildung nicht vererbt wird.

Auch Sprachkurse, Qualifizierung für Erwachsene und Zugang zu leistbarer Kinderbetreuung seien nötig. Denn nur so könnten auch Mütter beruflich aktiv werden.

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Wie ist die Sozialhilfe geregelt? 

Geregelt sind die bundesweiten Vorgaben im 2019 geschaffenen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG). Die Bundesländer müssen diese Vorgaben näher umsetzen (Landesgesetzgebung), wobei ihnen zahlreiche Spielräume überlassen werden, was teils unterschiedliche Regelungen je nach Bundesland zur Folge hat. 

Wer hat Anspruch?

Österreicher und Österreicherinnen sowie Inländern gleichgestellte Personen haben Anspruch auf Sozialhilfe. Asylberechtigte haben ab dem Moment der Zuerkennung des Schutzstatus als Flüchtling Anspruch auf Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung.

Gilt eine Arbeitspflicht?

Die Sozialhilfe bzw. die Mindestsicherung ist bei arbeitsfähigen Personen an die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft gekoppelt. Ausgenommen davon sind Menschen im Pensionsalter, Personen mit Betreuungspflichten für Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (sofern keine geeignete Betreuungsmöglichkeit vorhanden ist) - und auch jene Betroffenen, die Angehörige pflegen, die ein Pflegegeld mindestens der Stufe drei beziehen.

Wie hoch ist die Leistung?

Das 2019 eingeführte Sozialhilfe-Grundsatzgesetz sieht Maximalbeträge statt Mindesthöhen vor. Für Alleinlebende und Alleinerziehende beträgt die Höhe im Jahr 2025 maximal 1.209 Euro. Für Paare wurde ein Maximalbetrag von rund 1.693 Euro festgelegt. Die Auszahlung erfolgt zwölf Mal pro Jahr.

Wie hoch sind die Kinderzuschläge?

Für Kinder gelten je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen. Im Grundgesetz waren ursprünglich Höchstsätze für Kinder vorgesehen - und zwar, dass für das dritte und jedes weitere Kind nur mehr 5 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes an Sozialhilfe gewährt wird. Diese Regelung wurde im Dezember 2019 vom Verfassungsgerichtshof gekippt, da diese als Schlechterstellung von Mehrkindfamilien und damit als verfassungswidrig bewertet wurde.

Die Kinderrichtsätze werden daher aktuell von den Ländern selbst festgelegt, es gibt keine Vorgabe des Bundes mehr.

Zusammenfassung
  • Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) will bei dem im Regierungsprogramm geplanten Umbau der Sozialhilfe eine Reform "ohne soziale Kälte zu erzeugen und ohne Personengruppen gegeneinander auszuspielen".
  • Es gehe darum, das System gerechter und zielgerichteter zu gestalten - zum Beispiel mit Sachleistungen - erklärte sie gegenüber der APA.
  • Eine generelle Deckelung, um Leistungen künftig zu begrenzen, wird es laut Schumann nicht geben: "Eine pauschale Deckelung unabhängig vom Bedarf wäre verfassungsrechtlich bedenklich", sagte sie.
  • Ein wichtiges Anliegen ist der Sozialministerin die Vereinheitlichung der Geldleistungen über die Bundesländer hinweg. "Die Unterschiede sind in der Tat ein Problem - es braucht hier einheitliche Mindeststandards bei der Sozialhilfe, statt eines regionale