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Orbán und Vučić bei Nehammer: Wenn Hardliner kuscheln

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Bereits zum dritten Mal kamen der serbische Präsident Aleksandar Vučić, der ungarische Premier Viktor Orbán und Bundeskanzler Karl Nehammer zu einem ihrer Migrationsgipfel zusammen - dieses Mal in Wien. Vereinbart wurde eine noch engere Polizei-Kooperation. Über Widersprüche und Menschenrechtsverletzungen sah man hinweg.

Es war eine Pressekonferenz voller Widersprüche und Kontroversen, die die Redner aber nicht zu stören schienen. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić, der ungarische Premier Viktor Orbán waren bei Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zu Gast und betonten ihre gute Zusammenarbeit.

Orbán und die "Puszta-Sprache"

Dass Orbán da in gewohnt antisemitischer Manier George Soros Schuld an der Migration gab, illegale Pushbacks de facto zugab und in "Puszta-Sprache" meinte, Ungarn verteidige seinen Zaun, auch wenn es unschöne Bilder geben könnte, störte die anderen nicht.

"Es ist ein Widerspruch in sich"

Stephanie Fenkart, Direktorin des International Institute for Peace, analysiert den heutigen Migrationsgipfel.

Nehammer merkte nur kurz an, dass 80 Prozent der Menschen, die in Österreich einen Asylantrag stellen durch Ungarn kommen - "wir haben dann 109.000 Asylanträge und Ungarn hat 45". Der Bundeskanzler betonte aber, man müsse eben die Interessen anderer Staaten verstehen. Serbien, Ungarn und Österreich seien eben "gemeinsame Verbündete". Orbán bedankte sich bei Nehammer, dass dieser ihn beim Europäichen Rat verteidigt habe. Er wolle schließlich keine Verteilungsquoten erfüllen und blockierte daher mit Polen den EU-Kompromiss.

Vučić wollte nicht öffentlich über Kosovo reden

Serbiens Präsident gab sich generell wortkarg, meinte nur, man habe auch über die Situation im Kosovo geredet, er wolle dazu aber nichts sagen, weil er seinen Gastgeber nicht in eine "unangenehme Situation" bringen wolle. Als Hardliner in Sachen "Kampf gegen die irreguläre Migration" und das Asylsystem der Europäischen Union, das laut Nehammer "kaputt ist", sieht man offenbar über heikle Themen lieber hinweg. Kritischen Nachfragen der anwesenden Journalist:innen wurde nur wenig Raum eingeräumt - es wurde nur jeweils einem Medienvertreter pro Land eine Frage zugestanden.

Die Pressekonferenz nach dem Migrationsgipfel zum Nachschauen

Orbán lässt keine Asylanträge zu

Stolz durfte aber Orbán unwidersprochen ausführen, dass Ungarn "der einzige migrantenfreie Ort in Europa" sei, was an seiner "Verteidigungslinie" liegen würde. Sollte doch jemand über seinen Zaun "hüpfen", würde man ihn schnappen und zurückschicken. Man werde keine Menschen nach Ungarn lassen, die nicht schon einen positiven Asylstatus haben. Orbán gab also zu, keine Asylverfahren durchführen zu wollen und Menschen, ohne die Möglichkeit auf einen Antrag zurückzuschicken. Das widerspricht EU-Recht. Die anderen störte das nicht. 

Mehr österreichische Polizisten in Ungarn

Im Gegenteil: Österreich schickt mehr Polizei nach Ungarn. Die Innenminister unterzeichneten am Freitag ein entsprechendes vierseitigen Kooperationsmemorandums im Bereich Polizeiarbeit. Konkret wurde die Gründung einer gemeinsamen Grenzschutz-Taskforce sowie eine Intensivierung der Zusammenarbeit im Kampf gegen Schlepper vereinbart. Ziel sei es, die Strukturen zu zerschlagen und nicht nur die "kleinen Fische" zu fangen. Das Memorandum signalisiert auch Offenheit, weitere "betroffene Staaten an der Migrationsroute" aufzunehmen. Wie es aus dem Bundeskanzleramt hieß, plant Österreich auch die Entsendung weiterer Polizisten an die ungarisch-serbische Grenze. Von derzeit 20 Beamten sei eine Aufstockung bis auf 70 möglich.

Nehammer bedankte sich wiederum bei Vučić, der schließlich die Visafreiheiten für Tunesier und Inder in Serbien eingeschränkt habe. Das habe laut Nehammer zu weniger Asylanträgen in Österreich geführt. Laut vom Bundeskanzleramt verbreiteten Zahlen sind die Asylanträge von Jänner bis Mai um 20 Prozent niedriger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, im Mai sogar um 30 Prozent niedriger. Diese Kooperation wolle man fortsetzen.

Es gilt schließlich, den Druck auf die anderen EU-Staaten aufrecht zu erhalten. So lange dort nichts weitergehe, arbeite man eben trilateral zusammen - obwohl Ungarn gleichzeitig auf EU-Ebene blockiert. Man müsse Abkommen mit Tunesien, Marokko und Ägypten schließen, um Migranten dorthin zurückschicken zu können, forderte Nehammer. Menschenrechte wurden dabei nicht besprochen, obwohl Nehammer mehrmals sagte, er wolle das Sterben am Mittelmeer beenden. 

"Nehammer, Du Gangster"

Als Nehammers "Verbündete" in Wien eintrafen, wurden sie mit einem kleinen Protest am Ballhausplatz konfrontiert. Nehammer musste Orbán und Vučić unter "Shame on you"-Rufen über den roten Teppich ins Kanzleramt geleiten. Auch der Gastgeber selbst wurde von rund einem Dutzend Aktivisten der NGOs SOS Balkanroute und Omas gegen rechts per Megafon geschmäht  - "Nehammer, Du Gangster, bald bist Du weg vom Fenster", rief jemand. 

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und asylkoordination österreich übten scharfe Kritik an dem Gipfel, ebenso die Grünen und die SPÖ. Im PULS 24 Interview kritisierte Stephanie Fenkart, Direktorin des International Institute for Peace, dass Nehammer sich die falschen Verbündeten suche. Ungarn und Serbien würden selbst keine Asylverfahren zulassen. Man müsse eine europäische Lösung suchen, aber eben "ohne die Menschenrechte zu verletzen". Dabei sei "Ungarn sicherlich nicht ein glaubwürdiger Partner". Wolle man das Sterben am Mittelmeer wirklich beenden, müsse man auch legale Fluchtrouten schaffen

ribbon Zusammenfassung
  • Bereits zum dritten Mal kamen der serbische Präsident Aleksandar Vučić, der ungarische Premier Viktor Orbán zu einem ihrer Migrationsgipfel zusammen - dieses Mal in Wien.
  • Vereinbart wurde eine noch engere Polizei-Kooperation. Über Widersprüche und Menschenrechtsverletzungen sah man hinweg.