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ÖVP-Inserattenaffäre

Mitterlehner bei WKStA über Kurz: "Es ging ihm schlicht um Macht"

25. Juni 2025 · Lesedauer 4 min

Manipulierte Umfragen, gekaufte Berichterstattung, dubiose Inserate: Die Justiz ermittelt weiter gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und sein Umfeld in der "Inseratenaffäre". Nun sagten auch Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und Ex-SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern als Zeugen aus.

Ende Mai feierte Ex-Kanzler Sebastian Kurz einen juristischen Erfolg: Das Oberlandesgericht (OLG) Wien sprach ihn vom Vorwurf der Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss frei. Doch dieser Freispruch bedeutet nicht das Ende der strafrechtlichen Ermittlungen gegen den ehemaligen ÖVP-Chef.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) führt weiterhin umfangreiche Untersuchungen im Zusammenhang mit der sogenannten "ÖVP-Inseratenaffäre".

Im Fokus steht der Verdacht, dass das Finanzministerium unter der damaligen ÖVP-Führung Inserate unverhältnismäßig häufig in bestimmten Medien – darunter "Kronen Zeitung", "Heute" und "oe24" – geschaltet haben soll.

Im Gegenzug soll es zu wohlwollender Berichterstattung über Sebastian Kurz gekommen sein - unterstützt durch manipulierte Meinungsumfragen

Die WKStA führt zwölf Personen als Beschuldigte. Darunter befinden sich prominente Namen wie die Meinungsforscherin und Ex-Familienministerin Sophie Karmasin, die mittlerweile zur Kronzeugin gewordene Sabine Beinschab, sowie der frühere Generalsekretär im Finanzministerium und heutige Kronzeuge Thomas Schmid.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Mitterlehner: "Es ging Kurz schlicht um Macht"

Leidtragender soll dabei der ehemalige ÖVP-Chef und Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gewesen sein.

Aus Chatnachrichten, die er WKStA vorliegen, geht hervor, dass Kurz und sein engstes Umfeld versuchten, mit manipulierten Umfragen die Beliebtheitswerte der ÖVP zu drücken – um Mitterlehner als Verantwortlichen für den angeblichen Abwärtstrend darzustellen.

Infolge des zunehmenden Drucks zog sich Mitterlehner 2017 aus der Politik zurück – Sebastian Kurz übernahm daraufhin die Parteiführung und wurde wenig später Bundeskanzler.

Video: Freispruch für Kurz: Politischer Etappensieg

Mitterlehner wurde im Jänner von der WKStA als Zeuge einvernommen. Laut Einvernahmeprotokoll, das der "Presse" vorliegt, äußerte er sich deutlich: Kurz habe phasenweise "im Untergrund" das Ziel verfolgt, Bundeskanzler zu werden.

Das Projekt sei "langfristig, akribisch und strategisch" geplant gewesen.

"Es ging Kurz, wie ich glaube, schlicht um die Macht als Bundeskanzler und nicht so sehr um die Umsetzung von politischen Ideen", so Mitterlehner.

"Habe ich gesehen und war überrascht"

Die Staatsanwaltschaft fragte Mitterlehner auch nach seiner Wahrnehmung zur Inseratenvergabe durch das Finanzministerium in den Jahren 2016 bis 2021.

Er erinnerte sich an "bürointerne" Diskussionen über auffällige Häufungen von Schaltungen einzelner Ministerin in bestimmten Medien, insbesondere in "Österreich" und "Krone".

Besonders irritiert habe ihn ein Vorfall am Wiener Opernball, als Thomas Schmid in der Loge der Familie Dichand gesessen sei – Christoph Dichand ist Herausgeber der "Kronen Zeitung", seine Frau Eva Dichand Herausgeberin von "Heute".

"Das habe ich gesehen und war dabei als Parteiobmann der ÖVP doch überrascht", gab Mitterlehner laut "Presse" zu Protokoll.

Zu Schmid selbst meinte er, dessen "offensichtlich zentral mitwirkende Rolle" im "System Kurz" sei ihm damals nicht bewusst gewesen. "Die negative Haltung mir gegenüber, die mir aus den veröffentlichten Chats bekannt ist, hat sich nicht in seinem Verhalten widergespiegelt."

Video: Causa Falschaussage: Kurz-Statement nach Freispruch

Kern: "Halte ich für demokratiegefährdend"

Auch Ex-Kanzler und SPÖ-Vorsitzender Christian Kern wurde im Jänner von der WKStA als Zeuge einvernommen. In seinem Protokoll wird er mit den Worten zitiert: "Ich halte es für demokratiegefährdend, dass man mit Regierungsinseraten gewogenen Journalismus kaufen kann. Mein Eindruck war, dass das der Fall war."

Und weiter: "Die historische Mitverantwortung auch der SPÖ besteht zweifelsfrei."

Zwar habe er keine direkten Wahrnehmungen zu den Vorwürfen, jedoch berichtet er von seiner Zeit als ÖBB-Vorstand: Auch dort seien Inserate "massiv zugunsten" von "Heute" und "Österreich" vergeben worden.

Er habe dann eine neue Kommunikationsleiterin eingestellt, um "das in Ordnung zu bringen".

Ermittlungen laufen weiter

Ob und wann es in der "Inseratenaffäre" zu einer Anklage kommen wird, ist weiterhin unklar. 

Wie die "Presse" unter Berufung auf WKStA-Sprecher Martin Ortner berichtet, ist ein Großteil der bei Hausdurchsuchungen in Medienhäusern sichergestellten Daten und Unterlagen zwar bereits ausgewertet – abgeschlossen sind die Ermittlungen jedoch noch nicht.

Das liegt auch daran, dass Berufsgeheimnisträger wie Journalist:innen gesetzlich das Recht haben, der Auswertung beschlagnahmter Daten zu widersprechen.

Dieses Schutzrecht dient der Wahrung des Redaktionsgeheimnisses, führt in der Praxis jedoch zu langwierigen Sichtungsverfahren.

Sebastian Kurz zeigt sich indes überzeugt, dass auch diese Vorwürfe nicht halten werden: "Das wird alles in sich zusammenfallen", ließ er bereits verlauten – ob das tatsächlich so kommt, bleibt abzuwarten.

Video: Warum die Debatte um Kurz erst jetzt richtig losgeht

Zusammenfassung
  • Manipulierte Umfragen, gekaufte Berichterstattung, dubiose Inserate: Die Justiz ermittelt weiter gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und sein Umfeld in der "Inseratenaffäre".
  • Nun sagten auch Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und Ex-SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern als Zeugen aus.
  • "Es ging Kurz, wie ich glaube, schlicht um die Macht als Bundeskanzler und nicht so sehr um die Umsetzung von politischen Ideen", so Mitterlehner.