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Morddrohungen, Razzien, Waffen: Wen radikale Impfgegner bedrohen

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Die Radikalisierung der Maßnahmen-Gegner nimmt zu, wird seit Wochen gewarnt. Das erkennt man auch an Drohungen - darunter auch Morddrohungen - gegen Spitzenpolitiker und deren Familien, Bürgermeister, Ärzte, Pflegepersonal, Behördenvertreter und Journalisten. Personen werden unter Polizeischutz gestellt, es kam zu Razzien und ersten Festnahmen.

Der bisher neueste Fall betrifft Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner und Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (beide ÖVP). Gegen sie sind im Internet Drohschreiben wegen ihrer Corona-Politik veröffentlicht worden. Die Aggression richtet sich nicht nur gegen die Politiker sondern auch gegen deren Familien. Der Verfassungsschutz hat Ermittlungen aufgenommen.

Gegenüber den "Vorarlberger Nachrichten" sagte Wallner, dass die Drohungen gegen seine Person in den vergangenen Wochen stark zugenommen hätten. Er versuche, auf die Drohungen professionell zu reagieren. "Ich möchte dem nicht zu viel Bedeutung zumessen", sagte er. Schon in einem früheren Interview meinte er laut APA: "Eine derart aufgeheizte Stimmung habe ich in meiner Zeit als Politiker noch nie erlebt."

Morddrohungen gegen Platter und weitere Regierungsmitglieder 

Gegen Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und weitere Regierungsmitglieder, darunter offenbar Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler (ÖVP), sind in den vergangenen Tagen mehrere anonyme Morddrohungen eingegangen, wie die Polizei bestätigte. Man habe auch diverse "Gegenstände" gefunden. Dabei handle es sich aber um "nichts Explosives" und jedenfalls "keine Sprengsätze".

Nähere Angaben wolle man aus ermittlungstaktischen Gründen nicht machen, betonte der Sprecher. Auch nicht dazu, wo die erwähnten Gegenstände gefunden worden seien. Vor dem Budget-Landtag hatte es auf Social Media laut Polizei Aufrufe zu Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gegeben. Vor dem Landhaus galt im Umkreis von 300 Metern ein Versammlungs- bzw. Demonstrationsverbot, der Landhausplatz wurde mit großem Polizeiaufgebot abgeriegelt.

Am frühen Nachmittag formierte sich in der Innsbrucker Innenstadt eine nicht angemeldete Demonstration, die den Verkehr lahmlegte. Etwa 500 bis 600 Menschen nahmen an der Kundgebung teil, die sich mangels geplanter Route in der Innenstadt auf und ab bewegten und Sprüche wie wie "Schleich di Platter" oder "Hilfe, wir werden von Menschenhassern regiert" skandierten. Unter Einsatz von Trillerpfeifen oder Kuhglocken wurde nach "Freiheit" verlangt oder zum "Widerstand" aufgerufen. 

Demonstrant greift Pflegerin in Braunau an

Am Sonntag wurde eine Pflegerin der Mobilen Dienste der Volkshilfe in Braunau von einem Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstranten angegriffen. Die Frau sei gerade mit einer Klientin fertig geworden und in Dienstkleidung zu Fuß am Weg zur nächsten gewesen, als ihr die Demonstranten entgegenkamen. Sofort sei sie beschimpft worden - sie habe Schuld an der kommenden Impfpflicht. Einer habe der Frau dann eine Thermokanne mit Kaffee über die Brunst geleert.

Angst vor gewalttätigen Impfgegnern

In Braunau wurde eine Pflegerin von Corona-Demonstranten angegriffen. 

Ärztin zahlt Sicherheitsdienst privat

Eine oberösterreichische Ärztin berichtet im aktuellen "Falter", dass ihr Name auf Telegram-Todeslisten auftaucht. Ihr werde unter anderem gedroht, dass man sich unter ihre Patienten mischen wolle, um sie und ihre Mitarbeiter zu töten. Die Polizei glaube nicht, den Täter ausfindig machen zu können, vermutet jedoch jemanden aus der rechtsextremen Szene. Ihr sei geraten worden, die Praxis zuzusperren. Wegen des Ärztemangels in der Region zahle sie jedoch nun einen Sicherheitsdienst auf eigene Kosten, ihre Mitarbeiter seien mit Pfefferspray ausgerüstet. 

Virologin von Laer: Mit Perücke unterwegs, Wohnsitz verlegt

Virologin Dorothee von Laer sei nach ersten TV-Auftritten mit dem Tod bedroht worden und habe sich damals nur mit Perücke durch Innsbruck gehen getraut, wie sie ebenfalls im "Falter" berichtet. Ihre Mailadresse habe sie von der Uni-Homepage entfernt und ihren Hauptwohnsitz ins Burgenland verlegt. Trotzdem bekomme sie täglich rund 20 Nachrichten "unter der Gürtellinie", die aggressivsten davon von Männern. 

Angriffe und Drohungen gegen Spitäler

Der Vorstand der Internen Medizin an der Uniklinik Salzburg Richard Greil berichtet im "Falter" von konzentrierten Aktionen gegen ihn nach einem Interview bei Servus TV. Sein Spital sei beschmiert worden ("Greil, du Killer!"), er werde mit Nazi-Arzt Dr. Mengele verglichen und bekomme unter andrem Postkarten mit Henkersmahlzeiten und einem Strick. Eine Intensivpflegerin aus Oberösterreich berichtet von verstärktem Polizeischutz, weil Corona-Leugner die Intensivstation stürmen wollen. 

Brodnig über Impfgegner: "Gewalt nicht mehr als Gewalt gesehen, sondern als Notwehr"

Journalistin und Autorin Ingrid Brodnig auf PULS 24 über zunehmende Gewaltbereitschaft von Impfgegnern.

Terrorismusforscher befürchtet Gewalttaten

In Österreich sei die radikale Szene von Gegnern der Corona-Maßnahmen "noch einen Punkt weiter" als in Deutschland, sagte der Terrorismusforscher Peter Neumann am Montag der APA. Es gebe "unglaublich viele Drohungen gegen Bürgermeister und Behördenvertreter", so Neumann. Daher bestehe "die begründete Befürchtung, dass es auch zu Gewalttaten kommen wird".

Es seien "durchaus Rechtsextreme, die die Bewegung steuern", sagte der Forscher in Hinblick auf das radikale Potenzial. In der "breiten Bewegung" würden die Proteste aber auch von der FPÖ organisiert, und sie seien auch dort ausgeprägter, wo die FPÖ stark sei. In Deutschland sei die Corona-Maßnahmengegner-Szene vor allem in Sachsen und Thüringen stark, wo die rechtsgerichtete AfD ihre Hochburgen habe. Diese Szenen seien "von Rechtsextremen durchsetzt", wobei die rechten Parteien, darunter auch FPÖ-Obmann Herbert Kickl, versuchen würden "sich an die Spitze zu stellen". 

Impf-Infrastruktur als Ziel, Affekt-Gewalt gegen Einzelpersonen

Ziel von potenziellen Anschlägen könnte "alles, was mit der Infrastruktur des Impfens zu tun hat", sein. Zusätzlich zu möglichen Anschlägen komme die Gefahr, "dass jemand durchdreht, die affektgeladene Gewalt", die sich bei Demonstrationen entlade, wo Polizisten und Journalisten angegriffen würden. Neumann erinnerte auch an den mutmaßlichen Mord an einem 20 Jahre alten Tankstellen-Kassier im deutschen Idar-Oberstein. Dieser hatte den Täter zuvor auf die Maskenpflicht hingewiesen.

Drohungen gegen Medien und Journalisten

Angesichts zunehmender Drohungen und Übergriffe radikaler Corona-Maßnahmen-Gegner gegen immer mehr Berufsgruppen bereitet das Innenministerium Maßnahmen u.a. zum Schutz von Medienunternehmen bzw. von Journalistinnen und Journalisten vor. Für die kommenden Tage sind in einschlägigen Foren bereits Demonstrationen vor Redaktionen angekündigt worden. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bekräftigte, dass mit Bedrohungen oder gar Attacken "eine rote Linie" überschritten werde.

Waffenfunde nach Morddrohungen gegen Sachsens Ministerpräsident

Politiker in Berlin erhielten im Zusammenhang mit der geplanten Impfpflicht gegen das Coronavirus Drohbriefe. Noch viel weiter ging es im Fall von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Gegen ihn soll eine "schwere staatsgefährdende Gewalttat" vorbereitet worden sein. 

Bei Razzien bei Mitgliedern einer Telegram-Chat-Gruppe durchsuchte die Polizei Wohnungen von fünf Männern zwischen 32 und 64 Jahren und einer 34-Jährigen in Dresden sowie ein weiteres Objekt in der Sächsischen Schweiz. Dabei wurden auch drei Armbrüste, Waffen und Waffenteile gefunden sowie Handys, Computer und Speichermedien sichergestellt. 

Die Gruppe namens "Dresden Offlinevernetzung" soll über 100 Mitglieder haben. Die Deutschen verbindet laut Generalstaatsanwaltschaft die Ablehnung gegen Impfungen, den Staat und die gegenwärtige Corona-Politik. Sie sollen im Chat und bei realen Treffen Mordpläne gegen Kretschmer und weitere Vertreter der Landesregierung geäußert haben. 

Wohnort von Italiens Regierungschef veröffentlicht

Auch in Italien ermittelt die Polizei unter Hochdruck gegen Impfgegner. Im Telegram-Kanal Basta dittatura (Schluss mit der Diktatur) wurde zu täglichen Demonstrationen vor der Wohnung des italienischen Regierungschefs Mario Draghi in Rom aufgerufen. Veröffentlicht wurde die Adresse und ein Foto von Draghis Wohnsitz im römischen Nobelviertel Parioli.

"Teilen Sie die Telefonnummern und Adressen der Kriminellen", lautet der Aufruf, den die Impfgegner online verbreiteten.  Auf dem Kanal wurden die Nutzer aufgefordert, "eine Liste mit Adressen und Telefonnummern der faschistischen Verbrecher" zu erstellen.

Hausdurchsuchungen wegen Bedrohung von Wissenschaftern

Die italienische Polizei hat in den letzten Wochen die Ermittlungen gegen Impfgegner verschärft. Hausdurchsuchungen wurden in mehreren Städten durchgeführt. Auch prominente Wissenschafter und Virologen wurden zum Ziel von Drohungen.

Präsident Friauls nach Drohungen unter Polizeischutz 

Anfang Dezember, als in Italien die Corona-Restriktionen für Nicht-Geimpfte verschärft werden, ist der Präsident von Kärntens Nachbarregion Friaul-Julisch Venetien, Massimiliano Fedriga, unter Polizeischutz gestellt worden. Fedriga, der auch Präsident der Konferenz der 20 italienischen Regionen ist, hatte wiederholt Drohungen von Impfgegnern erhalten. Zwei Polizisten begleiten den Lega-Politiker nun ständig. Solidaritätserklärungen erhielt Fedriga von Kollegen aus der Politik, die ebenfalls ins Visier der Impfgegner geraten sind.

Impfangst, Verschwörung Gewalt: Die vielen Gesichter der Anti-Corona-Demos

Die Corona-Pandemie spaltet unsere Gesellschaft: Verhärtete Standpunkte lassen Freundschaften und Familien zerbrechen. Der Ärger über die politischen Entscheidungen entlädt sich auf Österreichs Straßen und seit der Bekanntgabe der Impfpflicht nehmen die Corona-Demonstrationen erst richtig Fahrt auf - mit dabei: Verschwörungsanhänger, Neonazis, religiöse Fanatiker und die FPÖ, allen voran Herbert Kickl. Sie alle wittern die Chance, ihre Anhängerschaft zu vergrößern.

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  • Die Radikalisierung der Maßnahmen-Gegner nimmt zu, wird seit Wochen gewarnt. Das erkennt man auch an Drohungen - darunter auch Morddrohungen - gegen Spitzenpolitiker und deren Familien, Bürgermeister, Ärzte, Pflegepersonal, Behördenvertreter und Journalisten. Personen werden unter Polizeischutz gestellt, es kam zu Razzien und ersten Festnahmen.

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