Antrittsinterview
Neue Chefin: Gewessler sieht "nächste Etappe" für Grüne
Beim Bundeskongress am Sonntag in Wien wurde Gewessler mit 96,76 Prozent der Delegiertenstimmen zur Nachfolgerin von Werner Kogler gewählt. Gegenkandidaten gab es keine.
Die neue Parteichefin zeigt sich zufrieden, wohl wissend, dass in den letzten fünf Jahren Regierung für die Grünen nicht immer alles perfekt lief.
Die Partei habe sich in der Koalition mit der ÖVP "verausgabt beim Überzeugen eines Koalitionspartners, mit dem man es nicht immer nur leicht gehabt" habe, so Gewessler.
Regierungszeiten sind vorerst vorbei, jetzt gehe es darum, die Grünen als Partei möglichst "an der Seite der Menschen zu positionieren" und "möglichst viele Leute inhaltlich abzuholen". Gewessler sieht die bevorstehende Oppositionsarbeit als keinen Widerspruch zum Regieren, sondern vielmehr als "nächste Etappe".
Dass gerade die Grünen in Österreich nach wie vor auf viel Ablehnung stoßen, ist der neuen Bundessprecherin bewusst. Österreich habe "ein breites Meinungsspektrum".
Menschen, die den Klimawandel leugnen, abzuholen, werde sich für die Ökopartei schwer gestalten, allerdings - und das betont Gewessler - könne man diesen "immer noch als Mensch begegnen".
Man wolle die "Wünsche und Sorgen der Menschen in konkrete Politik übersetzen", so Gewessler.
Druck auf Israel ausüben
Angesprochen auf aktuelle außenpolitische Themen im Nahen Osten zeigt sich Gewsessler anfangs zurückhaltend. Die Handlungen Israels im Gazastreifen und im Iran seien unterschiedliche Situationen.
Im Falle des Vorgehens gegen die Terrororganisation Hamas habe Israel zwar nach wie vor, das Recht sich zu verteidigen, allerdings auch die Verantwortung "sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten".
Die humanitäre Versorgung im Gazastreifen müsse garantiert werden, stellt Gewessler fest. Die EU müsse hier Druck ausüben, etwa das Assoziierungsabkommen mit Israel zeitweise aussetzen, fordert die Grünenchefin.
An der historischen Verbundenheit Österreichs mit Israel ändert diese Forderung in ihren Augen nichts. Diese sei nicht gleichzusetzen mit dem Verhältnis zur aktuellen rechtskonservativen israelischen Regierung.
Vorwürfe, die Grünen würden im aktuellen Weltgeschehen nicht mehr pazifistisch ausgerichtet sein, weißt Gewessler im Gespräch zurück. Neutralität dürfe "keine Floskel" sein, "wir dürfen nicht teilnahmslos sein", erklärt sie.
Die Positionierung der FPÖ etwa zum Ukrainekrieg sieht sie als "Unterwerfung" gegenüber Russland und nicht als ernstzunehmende Friedenspolitik.
Budget "auf Kosten der Schwächsten"
Offen kritisiert Gewessler auch die Sparmaßnahmen der Regierung. Die Abschaffung des Klimabonus bedauert sie, die Bundesregierung konsultiere ihr Budget "auf Kosten der Schwächsten, der Frauen, der Kinder".
Die Grünen sieht sie seit jeher als "Partei der Selbstbestimmtheit und des Feminismus". "Transfrauen sind Frauen", merkt Gewessler dazu klar an.
Mit einem Blick auf das Nachbarland Ungarn, warnt die Grünenchefin, dass "jene, die jetzt queere Rechte einschränken", die sind, die als nächstes Frauenrechte einschränken wollen würden.
Zusammenfassung
- Leonore Gewessler zieht eine gemischte Bilanz zur Regierungsarbeit und sieht den Wechsel in die Opposition als logische nächste Etappe.
- Im Nahost-Konflikt fordert sie mehr Druck der EU auf Israel, etwa durch ein zeitweises Aussetzen des Assoziierungsabkommens, um die humanitäre Versorgung in Gaza zu sichern.
- Sie warnt vor Einschränkungen bei queeren und Frauenrechten und betont, dass der Klimabonus für Familien im Waldviertel eine bedeutende finanzielle Unterstützung ist.