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Grüne fordern Komplettstopp von EU-Zahlungen an Ungarn

25. Juni 2025 · Lesedauer 4 min

Im Vorfeld der verbotenen Budapest Pride haben die österreichischen Grünen einen Komplettstopp aller EU-Zahlungen an Ungarn gefordert. Bei der homophoben Politik der ungarischen Regierung handle es sich nicht um "Meinungsverschiedenheiten", sagte die Grüne Europasprecherin Meri Disoski am Mittwoch vor Journalisten in Wien. "Das sind Verstöße gegen Grundrechte." Solange Ungarn grundlegende Menschenrechte mit Füßen trete, "darf kein Cent aus Brüssel nach Ungarn fließen".

"Wer die Demokratie schwächen möchte, beginnt fast immer mit den Minderheiten. Das hat Auswirkungen auf reale Menschen wie den Kollegen Stögmüller und mich", sagte die queere Politikerin in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Grünen LGBTIQ* Sprecher David Stögmüller. "Ich stelle mir vor, wie ich mich in diesem Klima bei meiner ersten Pride gefühlt hätte. Ich wollte Hand in Hand mit meiner Freundin gehen und dann sagt die Regierung meines Landes: Wir wollen euch nicht sehen, versteckt euch, eure Liebe stört uns", sagte sie.

"Die erste Pride war ein Aufstand", verwies sie auf die Stonewall-Unruhen von 1969 in New York, die als Beginn der LGBTIQ-Bewegung gelten. "Angesichts dieser Repressionen gilt dieses Motto heuer mehr denn je", sagte Disoski. Sie will ebenso wie Stögmüller am Samstag an der Budapest Pride teilnehmen. Wie dieser der APA auf Nachfrage berichtete, haben sich rund 50 Grün-Abgeordnete aus mehreren europäischen Ländern angekündigt. Auch liberale und sozialdemokratische Politiker wollen anreisen. Die EU-Grünen planen nach Angaben der Europaabgeordneten Lena Schilling bereits am Freitag eine Protestaktion in der Budapester Innenstadt.

Disoski übte scharfe Kritik an der queerfeindlichen Politik von immer mehr Regierungen, jüngst auch in den USA. "Das ist mehr als irgendein Rückschritt, das ist eine gezielte Strategie." Die queere Community werde systematisch aus dem öffentlichen Leben verdrängt, "aus purem Zynismus" habe US-Präsident Donald Trump selbst Suizidhotlines für Jugendliche eingestellt. In Ungarn würden Pride-Events unter Androhung harter Strafen verboten, und die Teilnehmer mittels Gesichtserkennung verfolgt. "Das ist keine Fiktion, das ist Realität. Orwell lässt grüßen", sagte Disoski unter Verweis auf die Schreckensszenarien des britischen Schriftstellers George Orwell.

Disoski und Stögmüller wiesen darauf hin, dass Österreich unter einer FPÖ-Kanzlerschaft eine ähnliche Entwicklung hätte nehmen können. So sei es im Parlamentsgebäude während des Pride Months "im wahrsten Sinne des Wortes finster" geblieben, weil Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) gegen den Willen der vier anderen Parteien eine Beleuchtung in Regenbogenfarben abgelehnt habe, sagte Stögmüller. Statt der parlamentarischen Mehrheit zu folgen, habe Rosenkranz ein "Amtsverständnis als Parteisoldat" und den ungarischen Premier Viktor Orbán als ersten Gast im Parlament empfangen.

NEOS sollen sich nicht nur bei Messenger-Überwachung "an die eigenen Prinzipien erinnern"

Stögmüller kritisierte auch die mitregierenden NEOS, die sich am Vortag in einer Pressekonferenz als besonders tatkräftige Vorkämpfer für die Rechte der LGBTIQ+ Community präsentiert hatten. Dabei handle es sich um "Ankündigungen, die sich auf Erfolgen der Grünen ausruhen", kommentierte Stögmüller. Konkret nannte er das noch unter der Grünen Justizministerin Alma Zadic ausgearbeitete Gesetz für ein Verbot von Konversionstherapien, das von der neuen Koalition auf die lange Bank geschoben werde. NEOS-Klubobmann Yannick Shetty habe ein solches Gesetz "jahrelang" gefordert und könne es nun auf die Agenda setzen. "Jetzt sind sie an der Macht und jetzt können sie zeigen, was sie tun", sagte Stögmüller unter Verweis auf den fertigen Gesetzesentwurf. In Anspielung auf den pinken Dissens beim Thema Messenger-Überwachung meinte er weiter, dass sich die NEOS-Abgeordneten auch beim Diskriminierungsschutz "an die eigenen Prinzipien erinnern" könnten.

Klare Abgrenzung von Ex-Kollegin El-Nagashi

Die beiden Nationalratsabgeordneten nahmen bei der Pressekonferenz auch zum kürzlich erfolgten Parteiaustritt ihrer Ex-Fraktionskollegin Faika El-Nagashi Stellung. Disoski widersprach auf eine Frage der APA der Darstellung, dass es ein Spannungsfeld zwischen Frauen- und Transrechten gibt. "Ich halte nichts davon, Menschen auf ihre Biologie zu reduzieren. Transfrauen sind Frauen und haben ein Recht auf Schutz", sagte Disoski. Als Frauensprecherin habe sie in den vergangenen Jahren zahlreiche Frauenhäuser besucht, und sie sei dabei "kein einziges Mal" auf das Thema angesprochen worden. "Gefahren für Frauenrechte kommen nicht von Transmenschen, sondern von Antifeminismus, Gewalt und politischem Rechtsruck." Ähnlich äußerte sich Stögmüller, dessen Sitznachbarin im Nationalrat El-Nagashi jahrelang war. Er habe viel mit ihr diskutiert, doch sie habe eine "Einzelmeinung". Ihren Parteiaustritt nehme er zur Kenntnis. Transrechte seien Menschenrechte, und die progressiven Kräfte dürften sich nicht spalten lassen, so Stögmüller.

Zusammenfassung
  • Die österreichischen Grünen fordern einen kompletten Stopp aller EU-Zahlungen an Ungarn, solange das Land grundlegende Menschenrechte verletzt.
  • Rund 50 grüne Abgeordnete aus verschiedenen europäischen Ländern wollen gemeinsam mit liberalen und sozialdemokratischen Politikern an der verbotenen Budapest Pride teilnehmen.
  • Die EU-Grünen organisieren bereits am Freitag eine Protestaktion in der Budapester Innenstadt gegen die queerfeindliche Politik der ungarischen Regierung.
  • Im österreichischen Parlament blieb während des Pride Months die Regenbogenbeleuchtung aus, weil Nationalratspräsident Walter Rosenkranz (FPÖ) dies gegen den Willen der Mehrheit verhinderte.
  • Disoski und Stögmüller betonen, dass Transrechte Menschenrechte sind, und widersprechen der Darstellung eines Konflikts zwischen Frauen- und Transrechten.