Regierung beschließt
Gesundheitsfonds: Jährlich 500 Mio. für Ausbau vorgesehen
Über das neue Instrument sollen dem Plan zufolge für einen Zeitraum von fünf Jahren jährlich rund 500 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Ziel sei es, damit das Gesundheitssystem zu modernisieren, Versorgungslücken zu schließen und den Zugang zu medizinischen Leistungen abzusichern, hieß es auf einer Pressekonferenz.
"Das wird jetzt zielgerichtet eingesetzt"
Gespeist wird der Fonds aus jenen Mitteln, welche durch die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge der Pensionist:innen (via der sogenannten "Hebesätze") entstehen. "Das wird jetzt zielgerichtet eingesetzt", sagte Gesundheitsministerin Korinna Schumann (SPÖ). Das Vorhaben soll noch heuer im Nationalrat beschlossen werden, die konkrete Umsetzung mittels Verordnung des Gesundheitsministeriums erfolgen.
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Es gehe darum, das Gesundheitssystem für alle Gruppen zu stärken, sagte die Ministerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Klubobmännern von ÖVP und NEOS, August Wöginger und Yannick Shetty. Der Fonds solle einen "echten Schub" für das Gesundheitssystem bringen.
Als konkrete Ziele nannten die Koalitionsvertreter den Ausbau der Primärversorgung, insbesondere den weiteren Ausbau der Primärversorgungseinheiten (PVE), für die die EU-Finanzierung mit Ende 2026 auslaufe. Die PVEs seien wichtig, um in Regionen mit schlechter Versorgung (Stichwort wohnortnahe Betreuung) sowie an Randzeiten und am Wochenende Angebote zu schaffen.
Kinder sollen "lernen, gesund zu leben"
Als zweites zentrales Vorhaben nannte Schumann die Prävention. Ziel sei, dass die Menschen länger gesund leben - und das "in allen Altersgruppen" - sowie Erkrankungen frühzeitig zu verhindern oder zu erkennen.
Bei den Kindern und Jugendlichen wolle man etwa dazu beitragen, dass diese "lernen, gesund zu leben". Es gehe etwa um Adipositas, gesunde Ernährung und darum, "wie man in Bewegung bleibt".
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Für Personen mittleren Alters stehe die Erhaltung der Gesundheit im Fokus, etwa mittels Darmkrebsscreenings, betrieblicher Gesundheitsversorgung und dem Blick auf den Breitensport. Bei den Älteren gehe es darum, länger "gesund und selbstständig" leben zu können.
Wöginger und Shetty betonten, dass die Vergabe der Mittel aus dem Fonds mit der Erfüllung von Zielen verbunden sei. "Die Mittel sind ganz klar an Zielerreichungen verknüpft", sagte Shetty.
Auch Wöginger erklärte, es gehe um den flächendeckenden Ausbau der Kassenleistungen im niedergelassenen Bereich. "Wesentlich sind hier die Primärversorgungseinrichtungen": Derzeit gebe es 103 davon, diese in fünf Jahren "auf rund 255" ausgebaut werden. Auch will die Regierung die Patientenströme "optimieren": Es gelte das "Prinzip digital vor ambulant vor stationär", so Wöginger.
Neben Prävention, der flächendeckenden Versorgung, mehr Teammedizin (mittels der PVEs) strich Shetty u.a. auch den Ausbau der Versorgung der psychischen Gesundheit hervor.
Fünfköpfiger Fonds-Beirat
Wöginger skizzierte die Struktur des Fonds: Dieser werde aus einem fünfköpfigen Beirat bestehen, davon zwei "Experten aus dem Gesundheitsbereich".
"Der Beirat hat den Vorschlag über die Mittelverwendung zu erstatten, wobei die Krankenversicherung bei der Erarbeitung des Vorschlags einbezogen werden muss. Dieser Vorschlag wird an die Frau Bundesministerin übermittelt und basierend darauf wird eine Verordnung zur Verwendung der Mittel zu erlassen sein."
Die österreichischen Sozialversicherungsträger setzen diese Zielvorgaben dann basierend auf ihrer jahrelangen Expertise um, hieß es seitens der Regierungsfraktionen.
ÖGK-Chef Huss erfreut
Erfreut zeigte sich der Obmann der österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), Andreas Huss. "Unser österreichisches Gesundheitssystem steht an einem Wendepunkt", sagte er in einer Aussendung.
Die Frage sei, wie man steigende Kosten und wachsende Ansprüche der Patientinnen und Patienten meistern könne, ohne dabei die soziale Gerechtigkeit zu opfern. "Medizinische Versorgung ist nicht selbstverständlich und daher muss kontinuierlich daran gearbeitet und auch investiert werden."
Die Bundesregierung habe "in kürzester Zeit ein gemeinsames Bild und einen wesentlichen Schritt zu einer stabilen Gesundheitsversorgung in Form dieses neu eingerichteten Gesundheitsreformfonds geschaffen", so Huss.
Bis 2030 soll es laut dem ÖGK-Obmann 300 Primärversorgungszentren, Frauengesundheitszentren, Diabeteszentren und Pflege- und Therapiepraxen geben, in denen unterschiedliche Gesundheitsberufe zusammenarbeiten.
Weiters wichtig sei die Förderung psychischer Gesundheit mit dem Ausbau der psychosozialen Versorgung als Sachleistung durch einen neuen Vertrag mit den Psychologinnen und Psychologen und der Ausbau der psychosozialen Versorgungszentren. Zur Effizienzsteigerung solle die Digitalisierung einschließlich dem einheitlichen Ausbau der Hotline 1450 sowie ́telemedizinischer Leistungen dienen.
Grüne: "Papiertiger" statt echter Reform
Weniger begeistert reagierten die Grünen. Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner sprach von einem "zahnlosen Papiertiger aus drei Fonds - und keiner einzigen echten Reform".
Im Gesetz werde "ausdrücklich festgelegt, dass bei der ÖGK, der SVS und der BVAEB jeweils ein eigener Fonds eingerichtet wird". Somit gehe es um drei Fonds statt eines gemeinsamen Instruments, so die Kritik. Der von einzelnen SPÖ-Abgeordneten angekündigte Risikoausgleich sei ebenfalls nicht vorhanden. 500 Millionen Euro pro Jahr an Steuergeld würden verschoben, "ohne dass das Gesetz selbst eine einzige Reform vorgibt".
Als problematisch bewertete Schallmeiner auch die Konstruktion des Beirats. "Dieser besteht aus fünf Mitgliedern, die vollständig von der Bundesregierung bestellt werden" - dies ohne nähere gesetzliche Kriterien, außer der vagen Vorgabe, zwei davon müssten "Expert:innen mit hervorragender fachlicher Qualifikation" sein.
Dies öffne "Tür und Tor für parteipolitische Besetzungen", kritisierte er fehlende Anforderungen an Unabhängigkeit oder Zusammensetzung. Zudem sollen auch die Sozialversicherungen mit am Tisch sitzen und die Mittelvergabe mit ausarbeiten. "Ob das wirklich den nötigen Reformdruck erhöht, wagen wir zu bezweifeln", sagte Schallmeiner.
Video: ÖGK-Chef Huss: "Gesundheit ist kein freier Markt"
Zusammenfassung
- Die ÖVP-SPÖ-NEOS-Regierung plant einen Gesundheitsreformfonds, der jährlich rund 500 Millionen Euro für fünf Jahre bereitstellt, um das Gesundheitssystem zu modernisieren.
- Finanziert wird der Fonds durch erhöhte Krankenversicherungsbeiträge der Pensionist:innen, mit Beschluss noch 2024 im Nationalrat und Umsetzung durch das Gesundheitsministerium.
- Ein Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau der Primärversorgungseinheiten (PVE), die von derzeit 103 auf 255 in fünf Jahren wachsen und deren EU-Finanzierung 2026 endet.
- Die Mittelvergabe ist an Zielerreichungen gebunden und wird von einem fünfköpfigen Beirat mit zwei Gesundheitsexperten kontrolliert.
- Kritik kommt von den Grünen, die das Modell als "Papiertiger" ohne echte Reform bezeichnen und die fehlende Unabhängigkeit des Beirats sowie die Aufteilung auf drei Fonds bemängeln.
