Frauenkapitel in Regierungsprogramm für AK und Caritas vage
Schließlich gebe es auch 2025 keine wirkliche Gleichstellung, bemängelte Tödtling-Musenbichler. Frauen würden fast doppelt so viel unbezahlte Sorgeabeit - also etwa Pflege von Angehörigen oder Kindererziehung - übernehmen wie Männer. Frauenpensionen seien auch deshalb um etwa 40 Prozent niedriger als jene von Männern. Und im Erwerbsleben gibt es laut Eurostat einen Gender Pay Gap von rund 18 Prozent, so der Problemaufriss. Sechs von zehn Menschen, die in den Sozialberatungsstellen der Caritas Hilfe suchen, seien Frauen.
"Das Frauenkapitel bleibt bei der Umsetzung von Maßnahmen eigentlich sehr vage" - etwa bei der Stärkung der ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen, meinte Anderl. Die Arbeiterkammer wolle sich aktiv in die Gestaltung einbringen. Eine gute Maßnahme gegen den Gender Pay Gap sei die Lohntransparenz, die Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie findet sich auch im Programm von Schwarz-Rot-Pink.
Tödtling-Musenbichler forderte Halbe-Halbe, den Ausbau institutionalisierter Pflegeeinrichtungen und flächendeckende Kinderbetreuung. "Wie soll denn eine Alleinerzieherin am Land Vollzeit arbeiten gehen, wenn einerseits der Kindergarten erst ab dem dritten Lebensjahr möglich ist und noch dazu zu Mittag schließt?", fragte sie. Es sei begrüßenswert, dass dieser Ausbau im Regierungsprogramm Thema sei, er müsse auch finanziell abgesichert werden. Ebenfalls positiv sei die geplante Erarbeitung von Karenzmodellen für mehr Väterbeteiligung - welche konkreten Maßnahmen gesetzt werden, bleibe abzuwarten.
Maßnahmen gegen "Teilzeitfalle" und Armut gefordert
Anderl forderte einen Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag, der es nicht ins Regierungsprogramm geschafft hat. Positiv sei hingegen das dort verankerte verpflichtende zweite Kindergartenjahr. Um Frauen aus der "Teilzeitfalle" zu holen, müsse man Betriebe daran hindern, Frauen nur Teilzeitstellen anzubieten - etwa mit einer Anhebung des Mehrarbeitszuschlages bei Teilzeit. Weiters brauche es höhere Gehälter für frauenspezifische Berufe und rasche Hilfe für Frauen, die in Armut leben, drängte Tödtling-Musenbichler auf die Erhöhung der Ausgleichszulage, also der Mindestpension, auf die Höhe der Armutsgefährdungsschwelle.
Kritik und Lob bei den Grünen, FPÖ unzufrieden
Dass das Regierungsprogramm unkonkret bleibt, finden auch die Grünen - "das gilt insbesondere für die Finanzierung wichtiger gleichstellungspolitischer Vorhaben", so Bundesfrauenvorsitzende Meri Disoski. Sie kritisiert die Abschaffung der Bildungskarenz und eine fehlende Verbesserung des Mutterschutzes bei Fehl- und Totgeburten. Die Wiener Grünen-Chefin Judith Pühringer befürwortet die Aufnahme "langjähriger grüner Forderungen" wie der Steuerbefreiung auf Verhütungsmittel und der Lohntransparenz ins Regierungsprogramm.
Unzufriedener mit dem Programm der "Verlierer-Ampel" ist FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker; sie vermisst konkrete Maßnahmen zum Schließen der Einkommensschere sowie zu den Themen Altersarmut, Wahlfreiheit und Gleichstellung in der Arbeitswelt. "Die mehr als vagen Absichtserklärungen werden in der Praxis keine Wirkung entfalten." Notwendig seien eine verbesserte Anerkennung von Care-Zeiten und die Aufwertung typischer Frauenberufe im Niedriglohnbereich, gleichzeitig sprach sich Ecker gegen einen "Genderwahn" aus.
Gegen alte Rollenbilder und Sparen in der Frauenpolitik
ÖVP-Familiensprecherin und Familienbund-Präsidentin Johanna Jachs forderte indes, "alte Rollenbilder hinter uns zu lassen und Frauen und Männern die gleichen Möglichkeiten zu geben - in der Arbeitswelt und in der Familie." Es brauche zudem gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Frauenring-Vorsitzende Klaudia Frieben appellierte, angesichts der budgetären Situation Österreichs nicht bei den Frauen - etwa bei Gewaltschutzorganisationen oder Frauen- und Mädchenberatungsstellen - zu sparen.
Zusammenfassung
- Das Frauenprogramm der neuen schwarz-rot-pinken Bundesregierung wird von Caritas und Arbeiterkammer als vage kritisiert, insbesondere bei der Umsetzung von Maßnahmen zur ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen.
- Frauen leisten fast doppelt so viel unbezahlte Sorgearbeit wie Männer, was zu einem Gender Pay Gap von rund 18 Prozent und um 40 Prozent niedrigeren Frauenpensionen führt.
- Die Grünen sehen sowohl Positives als auch Negatives im Regierungsprogramm, während die FPÖ das Fehlen konkreter Maßnahmen zur Schließung der Einkommensschere bemängelt.