APA/Paul Zsolnay Verlag

Adelige Autorin Mechtilde Lichnowsky wird wiederentdeckt

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Die Wiederentdeckung von vergessenen Autorinnen der Zwischen- und Nachkriegszeit ist eines der erstaunlichsten und positivsten Phänomene des deutschsprachigen Buchmarkts der vergangenen Jahre. Maria Lazar (1895-1948), Marta Karlweis (1889-1965), Hermynia Zur Mühlen (1883-1951) und Mela Hartwig (1893-1967) sind nur einige Beispiele. Nun hat der Zsolnay Verlag eine Werkausgabe von Mechtilde Lichnowsky (1879-1958) veröffentlicht. Über 1.800 Seiten in vier Bänden.

Mechtilde wer? Autorin Eva Menasse zitiert zu Beginn ihres Einführungsessays aus dem Klappentext eines 1953 erschienenen Buches von Lichnowsky, in dem diese als "wohl unbestritten bedeutendste Schriftstellerin deutscher Sprache" tituliert wird und stellt diesem Urteil eine Umfrage im literaturaffinen Bekanntenkreis gegenüber: ratloses Kopfschütteln überall. Die Wiederentdeckung lohne, versichert Menasse, denn "Lichnowsky war zweifellos eine Stilistin hohen Ranges, und das ist das Erste und Wichtigste, was über Schriftsteller zu sagen ist: wie sie schreiben und nicht worüber." Ihre "besonderen Talente" seien "präzise Anschaulichkeit gepaart mit feinem Witz, und ein ebenso direkter wie kreativer sprachlicher Zugriff".

Mechtilde Lichnowsky, 1879 auf dem niederbayerischen Schloss Schönburg als Gräfin von und zu Arco-Zinneberg geboren, ab 1904 mit dem Fürsten Karl Max Lichnowsky verheiratet, dem späteren deutschen Botschafter in London, der 1914 vergeblich vor dem Kriegseintritt des Deutschen Reiches warnte und zu Kriegsbeginn demissionierte, hat im Laufe ihres Lebens 18 Bücher publiziert, Theaterstücke geschrieben und zahlreiche Zeitschriften- und Zeitungsbeiträge veröffentlicht. "Ihr Erscheinungsbild als Frau und als Adelige, Fürstin und Urururenkelin der Kaiserin Maria Theresia, steht zu ihrem Ärger immer vor ihrer Leistung", schreiben die Herausgeber. "Und die biographischen wie die politischen Umbrüche in ihrem Leben haben jegliche Kontinuität in der Wertschätzung der in den zwanziger Jahren vielbeachteten, von Kollegen hochgeschätzten Autorin vereitelt."

Die vierbändige Werkausgabe, die auf alle Theaterstücke und die Romane "Delaide" und "Der Lauf der Asdur" verzichtet, dafür den um 1938 entstandenen bisher unveröffentlichten Roman "Der Gärtner in der Wüste" erstmals abdruckt, bietet rund der Hälfte des Gesamtwerks Platz, konzentriert sich auf das Schaffen und beleuchtet das schillernde Leben und den illustren Freundeskreis der Autorin nur am Rande. Eher beiläufig lernt man sie als Freundin von Rainer Maria Rilke, für den sie einen Spendenaufruf initiierte, und Karl Kraus, für dessen Nestroy-Vortragsabende sie Lieder komponiert und der ihr eines Tages beim Schwimmen in der Moldau das Leben rettet, kennen und erfährt, dass Max Reinhardt eines ihrer Stücke in Berlin zur Uraufführung brachte.

Nicht alles an den 1.800 Seiten biete reinstes Lektüre-Vergnügen, räumt Eva Menasse ein: "Manche ihrer Bücher wirken heute von Thema und Form vielleicht seltsam und altmodisch, ihre Sprachgewalt und -sensibilität aber ist ein Hochgenuss."

(S E R V I C E - Mechtilde Lichnowsky: "Werke". Im Auftrag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Wüstenrot Stiftung ausgewählt und herausgegeben von Günter und Hiltrud Häntzschel. Mit einem Vorwort von Eva Menasse. Bibliothek Wüstenrot Stiftung. Autorinnen des 20. Jahrhunderts. 1872 Seiten, gebunden, vier Bände im Schuber. 61,70 Euro, Paul Zsolnay Verlag)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Wiederentdeckung von vergessenen Autorinnen der Zwischen- und Nachkriegszeit ist eines der erstaunlichsten und positivsten Phänomene des deutschsprachigen Buchmarkts der vergangenen Jahre.
  • Maria Lazar, Marta Karlweis, Hermynia Zur Mühlen und Mela Hartwig sind nur einige Beispiele.
  • Nun hat der Zsolnay Verlag eine Werkausgabe von Mechtilde Lichnowsky veröffentlicht.
  • Autorinnen des 20. Jahrhunderts.
  • 1872 Seiten, gebunden, vier Bände im Schuber.

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