Experte: Kiew könnte Moskauer Siegesparade treffen
Der Bundesheerexperte verwies darauf, dass sich Russland nach dem US-Schwenk im Krieg auf der Siegerstraße sehe. "Sie sehen sich schon auf den Seelower Höhen mit dem Sieg vor Augen", zog der studierte Historiker einen Vergleich zur letzten großen Schlacht der Roten Armee im April 1945, die den Fall der deutschen Hauptstadt wenige Tage später einläutete.
"Die Ukrainer wollen diesen Siegesrausch stören", betonte Reisner. Entsprechend habe Kiew in den vergangenen Tagen erneut mit Truppen die russische Grenze überschritten und sich dort festgesetzt. Zudem habe das Land am Mittwoch den bisher größten Drohnenangriff des Krieges mit insgesamt 524 Drohnen durchgeführt. Führende ukrainische Regierungsvertreter haben zudem die Militärparade zum legitimen Ziel erklärt.
Ein "fataler Einschlag auf dem Roten Platz" sei möglich, weil kein Luftabwehrsystem unüberwindbar sei. Ähnlich einem DDOS-Angriff auf ein Computersystem könne die Luftabwehr durch die schiere Anzahl an Geschoßen überwältigt werden, erläuterte Reisner. Bei jedem Abwehrsystem gebe es nämlich einen Punkt, an dem es "saturiert" sei, nachfolgende Geschoße kämen ungehindert durch. Der Experte verwies diesbezüglich auf Israel, das über drei Abwehrsysteme verfüge und bei dem es trotzdem immer wieder Raketen an ihr Ziel schafften.
"Der beste Schutz Putins ist die Anwesenheit von Xi", sagte Reisner mit Blick auf die Teilnahme des chinesischen Präsidenten Xi Jinping an der Siegesparade. Bei einem direkten Angriff würde die Ukraine nämlich China verprellen, das sich in der Vergangenheit immer wieder als Vermittler im Krieg angeboten hat. Der Extremfall wäre ein Einschlag auf die Tribüne. "Das würde zu einer Eskalation führen." Eine Tötung Putins und Xis wäre ein "Super-GAU", verwies Reisner auf den in der russischen Militärdoktrin für diesen Fall vorgesehenen Einsatz von Atomwaffen.
"Wie eine Feuerwerksrakete"
Reisner schloss auf eine entsprechende Frage nicht aus, dass die Ukraine ein anderes bedeutendes russisches Ziel angreifen könnte. "Es müsste etwas sein, wo die Aufmerksamkeit von den Feierlichkeiten in Moskau abgelenkt wird", sagte er unter Verweis auf die Brücke von Kertsch, die Russland mit der völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim verbindet. Ein solcher Schlag würde in den Augen der Öffentlichkeit in kurzer Zeit Wirkung erzeugen, anders als etwa Truppenvorstöße.
Ein Wendepunkt im Krieg wäre ein solcher Erfolg nicht. "Das ist wie eine Feuerwerksrakete, die einen spektakulären Effekt hat, aber nicht nachhaltig ist", so Reisner. Zudem sei mit negativen Folgen zu rechnen, etwa einem schlechteren Standing der Ukraine im ohnehin schon kritischen Globalen Süden oder bei den USA, die ihre Friedensbemühungen weiter torpediert sehen könnten. Schon unter Trumps Vorgänger Joe Biden seien die USA nämlich "verschnupft" gewesen, als die Ukraine unabgestimmt in die russische Grenzregion Kursk vorgestoßen sei.
(Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA)
Zusammenfassung
- Der Militärexperte Markus Reisner hält einen Angriff der Ukraine auf die Moskauer Siegesparade für möglich, jedoch unwahrscheinlich, da negative Folgen befürchtet werden.
- Die Ukraine hat kürzlich den größten Drohnenangriff des Krieges mit 524 Drohnen durchgeführt und die russische Grenze überschritten, um den russischen Siegesrausch zu stören.
- Ein direkter Angriff auf die Parade könnte China verprellen, da der chinesische Präsident Xi Jinping anwesend sein wird, was zu einer Eskalation führen könnte.