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Macron peitscht Pensionsreform durch: 217 Festnahmen bei Demos

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Frankreichs Regierung hat die umstrittene Pensionsreform ohne finale Abstimmung durchs Parlament gedrückt. Die Opposition protestierte lautstark, auf den Straßen ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor. Allein in Paris gab es 217 Festnahmen.

Frankreichs Regierung hat die umstrittene Pensionsreform ohne finale Abstimmung durchs Parlament gedrückt. Sie entschied am Donnerstag, das wichtigste Reformprojekt von Präsident Emmanuel Macron mit einem Sonderartikel der Verfassung ohne Abstimmung in der Nationalversammlung umzusetzen. Das Vorhaben kann theoretisch noch durch ein Misstrauensvotum gekippt werden. Bei Protesten gegen die Reform wurden am Donnerstagabend in Paris 217 Menschen festgenommen.

Polizei setzt Wasserwerfer und Tränengas ein

Im Zentrum der Hauptstadt sei es auf dem Place de la Concorde zu Ausschreitungen gekommen, berichtete der Sender France Info. Die Bereitschaftspolizei setzte nach Medienberichten Wasserwerfer und Tränengas ein, um den Platz zu räumen. Demonstranten hatten dort unter anderem Holzpaletten in Brand gesetzt und Gegenstände auf die Polizisten geworfen. Insgesamt seien rund 6.000 Teilnehmer gezählt worden.

Proteste gehen weiter

Auch in anderen französischen Städten wie Marseille, Dijon, Nantes, Rennes, Rouen, Grenoble, Toulouse und Nizza kam es zu Protesten. Die Gewerkschaften riefen für den kommenden Donnerstag zu einem neuen landesweiten Streik- und Protesttag auf. Millionen von Menschen waren bereits gegen das Reformvorhaben auf die Straße gegangen.

Innenminister Gérald Darmanin wies unterdessen die Polizei an, die Parlamentsabgeordneten angesichts der anhaltenden Proteste besonders zu schützen. Die Parlamentarier seien Bedrohungen, Beleidigungen und Sachbeschädigungen ausgesetzt, schrieb der Minister, wie France Info berichtete.

 

Premierministerin Élisabeth Borne hatte zuvor im Parlament begleitet von lautem Protest der Opposition gesagt: "Diese Reform ist notwendig." Sie übernehme mit ihrer Regierung die Verantwortung, sagte Borne unter empörten Buh-Rufen in der Nationalversammlung und kündigte offiziell die Anwendung des Verfassungsartikels 49.3 an, der die Verabschiedung eines Gesetzes ohne parlamentarische Abstimmung ermöglicht, falls die Regierung einen oder mehrere damit verbundene Misstrauensanträge übersteht.

Neuwahlen?

"Wir sind uns bei einigen Stimmen nicht sicher, wir können das Risiko nicht eingehen", begründete Borne die Entscheidung, auf die ursprünglich für 15.00 Uhr geplante Abstimmung in der Nationalversammlung zu verzichten. Die Premierministerin warf der Opposition vor, die Debatten blockiert zu haben.

Die Opposition hat jetzt 24 Stunden Zeit, um einen oder mehrere Misstrauensanträge zu stellen. Die rechtspopulistische Fraktionsvorsitzende Marine Le Pen kündigte umgehend einen Antrag ihrer Gruppe an. Falls die Regierung die Abstimmung verliert, läuft dies auf Neuwahlen hinaus. Die Stimmung in der Nationalversammlung war stark aufgeheizt. Teile der Abgeordneten sangen lautstark die Nationalhymne, es gab zahlreiche wütende Zwischenrufe.

Zwar hatte der Senat als zweite Kammer des Parlaments am Morgen für die Reform zur Anhebung des Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 Jahre votiert. Eine Zustimmung in der Nationalversammlung schien aber nicht sicher.

Zwei Drittel gegen Reform

Die Verabschiedung des Gesetzes ohne Schlussabstimmung im Parlament dürfte die Proteste der Öffentlichkeit erneut anfachen. Zwei Drittel der Franzosen lehnen die Reform ab. Die Pension mit 62 gilt in Frankreich als soziale Errungenschaft und ist Teil des Nationalstolzes. Die Reform benachteiligt nach Ansicht der Opposition vor allem Beschäftigte in anstrengenden Berufen.

Derzeit liegt das Pensionsantrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Pension nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Pension ohne Abschlag - das will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Pension schneller steigen soll. Die monatliche Mindestpension will sie auf etwa 1.200 Euro hochsetzen. Mit der Reform will die Regierung eine drohende Lücke in der Pensionskasse schließen.

Die Mitte-Regierung muss in der Nationalversammlung nun mit einem Misstrauensvotum rechnen. Die Opposition hatte damit gedroht, sollte die Regierung den Sonderartikel nutzen, um eine Abstimmung im Unterhaus zu umgehen. Die Regierung hat in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit. Für die Reform setzten sie auf die Unterstützung der konservativen Républicains. Bis zuletzt war jedoch unklar, ob ausreichend Abgeordnete der gespaltenen Fraktion das Vorhaben billigen würden. Dieses Risiko wollte die Regierung wohl nicht eingehen.

Nicht nur im Parlament waren die Pensionspläne äußerst umstritten. Die Gewerkschaften halten sie für brutal und ungerecht. Seit Wochen gingen immer wieder Hunderttausende zum Protest auf die Straße. Streiks sorgten für Chaos im Bahn- und Flugverkehr, Müllberge auf den Straßen und ausfallende Unterrichtsstunden. Am Höhepunkt der Proteste beteiligten sich laut Innenministerium mehr als eine Million Menschen daran, die Gewerkschaft CGT sprach von 3,5 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

ribbon Zusammenfassung
  • Frankreichs Regierung hat die umstrittene Pensionsreform ohne finale Abstimmung durchs Parlament gedrückt.
  • Die Opposition protestierte lautstark, auf den Straßen ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Demonstranten vor.
  • In Paris wurden 217 Personen festgenommen.

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