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Bürgermeister sehen finanzielle Lage als größtes Problem

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Die angespannte finanzielle Lage ist für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister derzeit die größte Herausforderung, wie eine vom Gemeindebund in Auftrag gegebene Studie zeigt. Diskrepanzen zwischen männlichen und weiblichen Amtsträgern - nur etwa elf Prozent der Gemeinden haben eine Ortschefin - werden von den Geschlechtern unterschiedlich gesehen: 58,4 Prozent der Frauen und nur 15,8 Prozent der Männer glauben, dass es an Frauen und Männer unterschiedliche Erwartungen gibt.

In die Ergebnisse flossen die Antworten von 451 Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen sowie Vizebürgermeisterinnen (ausschließlich Frauen) aus ganz Österreich ein. 80,6 Prozent der Männer und 73,3 Prozent der Frauen sahen die Finanzen als Herausforderung. Noch vor zwei Jahren hätten Männer vor allem die Bürokratie als Problem angesehen, bei Frauen sei das Topthema fehlendes Bauland und fehlender leistbarer Wohnraum gewesen, berief sich Studienautorin Kathrin Stainer-Hämmerle von der FH Kärnten bei einer Pressekonferenz am Donnerstag auf eine ähnliche Befragung von vor zwei Jahren. Auch jetzt noch wird Bürokratie von 64,4 Prozent der Männer und 40,6 Prozent der Frauen als Herausforderung genannt, beim Bauland sind es bei beiden Geschlechtern rund 40 Prozent. Belastet fühlen sich Frauen und Männer vor allem durch die steigende rechtliche Verantwortung.

Geringer ist laut den Ortschefinnen und -chefs aber die Belastung durch Konflikte in der Gesellschaft und aggressive Bürger geworden, die Politikwissenschafterin führt das auf die Pandemie zurück. Trotz allem sei Bürgermeister ein "Traumjob", meinte Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl, der selbst Bürgermeister im niederösterreichischen Ardagger (Bezirk Amstetten) ist. Man teile das Leben der Menschen und habe "enormen Gestaltungsspielraum".

Er pochte angesichts der Ergebnisse erneut auf ein Finanzpaket für Gemeinden in Höhe von einer Milliarde Euro. Änderungen wünscht er sich bei der Haftungsverantwortung von Bürgermeistern. "Wenn ein Hecht in einem Teich einen Schwimmer beißt, ist das dann auch noch die Haftung des Bürgermeisters?", illustrierte er. Bei der Diskussion um Wohnraum gehe es auch darum, Leerstand zu aktivieren und Ortskerne zu beleben. Vor Kurzem hat der Gemeindebund einen "Bodenschutzplan" vorgelegt. Man wolle sich nicht nur an "absoluten Zielen und Grenzwerten orientieren", sondern auch die Praxis thematisieren, so Pressl zur Diskussion um den Bodenverbrauch. Fortschritte sieht er in Sachen Kinderbetreuung und öffentlicher Verkehr.

Auch der Mangel an Frauen in der Kommunalpolitik war Thema der Studie. Diesen führten mehr Männer als Frauen auf schwierige Vereinbarkeit von Amt und Familie zurück (83 bzw. 75,3 Prozent). 57,1 Prozent der männlichen Befragten glauben, Frauen würde es an Interesse an Politik mangeln (Frauen: 39,8 Prozent). 63,9 Prozent der Frauen unterstellen anderen Frauen ein zu geringes Selbstvertrauen (Männer: 34,8 Prozent), auch die männlich geprägte Parteikultur wird für 62 Prozent der Frauen, aber nur 29,8 Prozent der Männer als Grund genannt.

Nur 27,8 Prozent der befragten Vizebürgermeisterinnen streben laut Umfrage das Bürgermeisterinnenamt an, 47,8 Prozent wollen nicht Bürgermeisterin werden. Als Gründe geben sie vor allem ihr Alter, aber auch die Verantwortung und die Arbeitsbelastung einer Bürgermeisterin an. Weniger oft nennen sie Vereinbarkeit als Problem. Auch bei jungen Menschen gibt es laut Stainer-Hämmerle Aufholpotenzial - ihre Begeisterung, in Gemeinden parteipolitisch aktiv zu werden, sei sehr beschränkt.

Es gebe Rahmenbedingungen, die es Frauen schwer machen würden, sich zu engagieren und in Spitzenpositionen aufzusteigen. Abhilfe könnten laut Stainer-Hämmerle etwa eine Veränderung der Sitzungskultur bringen, ebenso wie Mentoringprogramme. Man müsse Frauen ermutigen und ihnen Vertrauen entgegenbringen, so Pressl - das müsse auch in Parteien passieren. Auch will er "Rolemodels" sichtbar machen. Er appellierte außerdem für eine konstruktive Diskussionskultur anstatt einer "toxischen Streitkultur" in der Politik.

ribbon Zusammenfassung
  • Eine Studie des Gemeindebunds zeigt, dass 80,6 Prozent der Bürgermeister und 73,3 Prozent der Bürgermeisterinnen die finanzielle Lage als größte Herausforderung sehen.
  • Die Diskrepanz in der politischen Teilhabe von Frauen wird beleuchtet: Nur 27,8 Prozent der Vizebürgermeisterinnen streben das Bürgermeisteramt an, wobei 83 Prozent der männlichen Amtsträger die Vereinbarkeit von Amt und Familie als Hürde sehen.
  • Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl fordert ein Finanzpaket für Gemeinden in Höhe von einer Milliarde Euro und diskutiert Maßnahmen gegen die männlich geprägte Parteikultur und für mehr Frauen in politischen Spitzenpositionen.

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