"Der Tod des Sektionschefs"
Prozess gegen Pilz: "Eigentlich war Pilnacek eine schöne Leiche"
In den frühen Morgenstunden des 20. Oktobers 2023 wird der ehemalige Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek tot in einem Donau-Altarm bei Rossatz (Niederösterreich) aufgefunden. Die Behörden gehen von Suizid aus. Doch nicht alle glauben an diese Version – allen voran der frühere Grünen-Politiker Peter Pilz.
In seinem Buch "Pilnacek – Der Tod des Sektionschefs" stellt Pilz eine brisante These auf: Pilnacek sei möglicherweise ermordet, die wahren Todesumstände von einer "türkisen Polizeikette" vertuscht worden.
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Wegen dieser Behauptungen steht Pilz nun selbst vor Gericht. Mehrere hochrangige Beamte, darunter Bundespolizeidirektor Michael Takacs, fühlen sich verleumdet und fordern die Einziehung des Buchs.
"Meinen Namen in den Dreck gezogen"
Am zweiten Prozesstag wird Barbara S. befragt – eine der vier Kläger:innen gegen die Zack Media GmbH. Sie war am 20. Oktober 2023 als Postenkommandantin der Polizei Mautern am Fundort der Leiche im Einsatz.
Auf die Frage des Richters, warum sie rechtlich gegen Pilz vorgehe, antwortet sie sichtlich bewegt: "Ich war entsetzt, wie man Tatsachen verdrehen kann. Mein Name wurde in den Dreck gezogen." Pilz' Buch vermittle den Eindruck, dass sie "blöd, faul oder kriminell" sei – "eine Frechheit", so S.
S. schildert den Morgen des Fundtages. Gegen acht Uhr sei sie über einen möglichen Verkehrsunfall mit Beteiligung Pilnaceks informiert worden. "Die ersten Informationen waren sehr vage", so S. Sie sei beauftragt worden, vor Ort die Ermittlungen zu koordinieren.
Am Fundort traf sie auf einen Baggerfahrer und zwei aufgelöste Frauen, darunter Pilnaceks damalige Lebensgefährtin, die später den Leichnam identifizierten. Um 8.30 Uhr wurde der Tod festgestellt, wenig später fand die Leichenbeschau durch die Amtsärztin statt.
Etwa 100 Meter vom Fundort entfernt entdeckte S. unterdessen eine mögliche "Einstiegsstelle" ins Wasser – dort, so S., soll Pilnacek ins Wasser gegangen sein. "Ich bin nicht hinuntergestiegen", erklärt sie. Eine Zigarettenpackung und Spuren im Schlamm seien sichtbar gewesen.
Ihre frühere Aussage gegenüber der WKStA, dass es sich um Zigarettenstummel gehandelt habe, korrigiert sie: "Das möge mir verziehen werden."
"Eigentlich war er eine schöne Leiche"
Ein zentraler Punkt in der Befragung ist die Rolle der Amtsärztin. Barbara S. erklärt, dass weder diese noch ihre Kollegen beim Leichnam Anzeichen für Fremdverschulden festgestellt hätten.
Die Ärztin habe jedoch angemerkt, eine Vergiftung könne nicht ausgeschlossen werden – immerhin handle es sich um "Herrn Magister Pilnacek". Diese Aussage habe sie später auch der Staatsanwältin mitgeteilt.
Ein zentraler Punkt ist die Frage nach einem angeblich blauen Kopf des Verstorbenen. S. verneint, davon etwas bemerkt oder davon gehört zu haben. Ihre nüchterne Bemerkung: "Eigentlich war er eine schöne Leiche."
Video: Peter Pilz über sein Buch "Pilnacek - Der Tod des Sektionschefs"
"Da müss ma was machen, das ist der Christian"
Ob eine Obduktion bei einer Wasserleiche üblich sei, beantwortet sie so: "Das entscheidet die Staatsanwaltschaft." Für "einen Franz Meier" hätte es eine solche Maßnahme wohl nicht gegeben, vermutet sie.
Dann berichtet sie von einem Telefongespräch zwischen Amtsärztin und Staatsanwältin, das sie teils mitgehört habe: "Ja, hallo Schatzi-Buzzi. Da müss ma was machen, das ist der Christian", will sie gehört haben. Druck auf die Ärztin durch anwesende Polizisten schließt sie aus: "Absoluter Schwachsinn."
Peter Pilz und sein Anwalt wollen daraufhin den genauen Zeitablauf rekonstruieren. Doch der Richter bremst ab: "Das hat sie schon alles beantwortet." Pilz lässt nicht locker: In einem offiziellen Bericht sei der Todeszeitpunkt mit 9.30 Uhr angegeben – Barbara S. hatte zuvor 8.30 Uhr genannt. "Sie haben unter Wahrheitspflicht falsche Zeitangaben gemacht", sagt Pilz und fordert eine Korrektur.
Emotional wird es bei der Frage, warum die Polizei früh von einem Suizid ausging, obwohl der Begriff in den Berichten gar nicht auftaucht. Der Richter schlägt vor: "Sollen wir zehn Minuten Pause machen, damit wir wieder runterkommen?"
Es geht dennoch weiter. S. verweist auf die dokumentierte "Einstiegsstelle" – das lasse Rückschlüsse zu. Außerdem handle es sich bei ihren Berichten nicht um Abschlussberichte.
Als Pilz das Thema Verletzungen anspricht, greift der Richter ein: "Das ist kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren zur Klärung der Todesumstände von Herrn Pilnacek". Er stellt klar: "Es geht darum, was in Ihrem Buch steht - und ob es stimmt, was sie über die Kläger behaupten"
Pilnacek-Witwe: "Ich gehe von Suizid oder Unfall aus"
Danach wird Pilnaceks Witwe Caroline List befragt – Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen in Graz. Auf die Frage des Richters, woran ihr Mann gestorben sei, antwortet sie klar: "Ich gehe von Suizid oder Unfall aus."
Fremdverschulden schließt sie aus. Die Aussagen von Pilz nennt sie "Mutmaßungen und Unwahrheiten".
Hilfe in Krisensituationen
Sind Sie in einer Krisensituation? Hier finden Sie Hilfe:
- Telefonseelsorge: 142 (Notruf), täglich 0–24 Uhr, online unter www.telefonseelsorge.at
- Sozialpsychiatrischer Notdienst/PSD: 01/31330, täglich 0–24 Uhr, online unter www.psd-wien.at
- Rat auf Draht: 147. Beratung für Kinder und Jugendliche. Anonym, täglich 0–24 Uhr, online unter www.rataufdraht.at
- Kindernotruf: 0800 567 567, Beratung bei persönlichen Krisen. Anonym, täglich 0-24 Uhr www.bittelebe.at
- Suizidprävention auf www.gesundheit.gv.at/leben/suizidpraevention
Für Aufsehen sorgt erneut das Thema rund um Pilnaceks Handy: Einige Wochen nach seinem Tod zerstörte List das Gerät mit einem Bunsenbrenner. Ob sie das Gerät allein zerstört habe, will Pilz wissen.
Ihre Antwort: "Dazu sage ich nichts. Das ist kein Thema, das mit diesem Verfahren in Zusammenhang steht."
Auf Nachfrage des Richters bekräftigt sie, dass sie allein entschieden habe, das Handy zu zerstören. "Ich bin eine selbstständige Frau", wird sie lauter. "Ich lebe seit mittlerweile fünf Jahren in der Hölle wegen eines Mobiltelefons."
Dass das Handy möglicherweise noch Beweismittel enthalten habe, schließt sie aus. Im Publikum sorgt diese Aussage für hörbares Raunen.
Zeuge Alexander H.: "Es war eine frische Leiche"
Zum Abschluss wird Alexander H. befragt – zum damaligen Zeitpunkt Polizist in Mautern und am Fundtag freiwillig für die Feuerwehr im Einsatz. Er schildert die Bergung der Leiche – unterbrochen nur vom Baustellenlärm im Hintergrund.
Auffälligkeiten will er an der Leiche keine bemerkt haben – lediglich eine Blessur an der Augenbraue. "Ansonsten war es eine schöne – mir ist es vorgekommen – frische Leiche."
Er zitiert ein Gerücht, wonach kein Wasser in der Lunge des Ex-Sektionschefs gewesen sei. Dieses habe die Amtsärztin ihm gegenüber später aber als "Blödsinn" bezeichnet.
Unmittelbar nach der Bergung der Leiche habe er den Fundort wieder verlassen. S. oder die Gemeindeärztin habe er nicht mehr getroffen. "Das ist eine Enttäuschung - nicht, dass sie was dafür können", so der Richter.
Muss Ex-Kanzler Kurz aussagen?
Am Nachmittag wurde der Prozess vertagt. Wann genau die Verhandlung fortgesetzt wird, ist derzeit unklar. Peter Pilz kündigte an, auch beim nächsten Termin wieder anwesend sein zu wollen – allerdings werde er am anberaumten Prozesstag im Ausland sein. "Den Geburtstag meiner Frau kann ich nicht verschieben", erklärte er.
Unklar ist auch, ob Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz als Zeuge geladen wird. Pilz möchte wissen, wie Kurz bereits wenige Stunden nach dem Leichenfund öffentlich von einem Suizid sprechen konnte – obwohl er an diesem Tag selbst als Angeklagter vor Gericht stand.
Die Gegenseite will hingegen nicht Kurz, sondern dessen Anwalt als Zeugen einladen. Dieser habe Kurz nach eigenen Angaben über das Ableben Pilnaceks informiert.
Video: Tod von Christian Pilnacek: Zweifel an Todesursache
Zusammenfassung
- In seinem Buch "Pilnacek – Der Tod des Sektionschefs" stellt Peter Pilz brisante Fragen zum Tod von Christian Pilnacek – und übt scharfe Kritik an der Polizei.
- Mehrere hochrangige Beamte, darunter Bundespolizeidirektor Michael Takacs, fühlen sich verleumdet und fordern die Einziehung des Buchs.
- Am Mittwoch berichteten vor Gericht zwei Polizist:innen und Pilnaceks Witwe von ihren Eindrücken.
- PULS 24 war live dabei.