Peter PilzAPA/EVA MANHART

Polit-Krimi

Pilz kämpft gegen Einziehung von Pilnacek-Buch

Heute, 06:48 · Lesedauer 5 min

Christian Pilnacek war einer der mächtigsten Männer im Justizministerium. Ende 2023 wird er tot in der Donau aufgefunden. Schnell war von Suizid die Rede. Genau das bezweifelt der Ex-Grünen Abgeordnete Peter Pilz aber in seinem Buch – und steht dafür jetzt selbst vor Gericht.

Peter Pilz schreibt gerne Bücher, seit er nicht mehr im Nationalrat sitzt. Ebensogerne wird gegen Aussagen in seinen Büchern geklagt – etwa von Kripo-Chef Andreas Holzer wegen einer Passage zur Soko Ibiza im Buch "Kurz. Ein Regime". 

Nun steht Pilz wieder vor Gericht. Diesmal für "Pilnacek: Der Tod des Sektionschefs" – dafür wurde er von mehreren Parteien geklagt, unter anderem von Bundespolizeidirektor Michael Takacs. Aber von Anfang an: 

Wer war eigentlich Christian Pilnacek?

Christian Pilnacek war über viele Jahre der einflussreichste Beamte im Justizministerium. Als Sektionschef koordinierte er große Strafverfahren. Wie sich später herausstellte, war er auch politisch gut vernetzt, insbesondere zur ÖVP. Diese Nähe zur Politik und sein Umgang mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sorgten immer wieder für Kritik. 2021 wurde er nach internen Untersuchungen suspendiert.

Dass er auch nach seiner Absetzung noch eine zentrale Figur in der österreichischen Justiz war, zeigen heimliche Tonband-Aufnahmen, die nur wenige Wochen nach Pilnaceks Tod auftauchen. Darin erhebt der suspendierte Justizsektionschef schwere Vorwürfe gegen die ÖVP. Unter anderem soll der damalige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka bei Pilnacek politisch motivierte Interventionsversuche unternommen haben.

Video: Peter Pilz im Interview

Ein toter Spitzenbeamter – und viele Fragen

Am 20. Oktober 2023 wurde Christian Pilnaceks Leiche in einem Donau-Seitenarm bei Rossatz in Niederösterreich gefunden. Der Ex-Sektionschef hatte am Vorabend noch mit Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz telefoniert. Das erklärte dieser am nächsten Morgen öffentlich (bei seiner eigenen Gerichtsverhandlung): "Wenige Stunden später hat er sich das Leben genommen", so Kurz vor den zahlreichen Medienvertreter:innen.

Die Polizei ordnete den Tod bald darauf ebenfalls als Suizid ein. Auch Gerichtsmedizin und Staatsanwaltschaft sahen keinen Hinweis auf Fremdverschulden. Doch der Ex-Grünen-Abgeordnete Peter Pilz glaubt an eine Vertuschung. In seinem Buch "Pilnacek: Der Tod des Sektionschefs" erhebt er schwere Vorwürfe – unter anderem gegen Spitzen-Beamte im Innenministerium. Bundespolizeidirektor Michael Takacs soll laut Pilz Pilnaceks Umfeld dazu aufgefordert haben, dessen Laptop samt hochsensibler Daten verschwinden zu lassen.

Die Kläger

Und genau dieser Vorwurf bringt Peter Pilz vor Gericht. Takacs, Stefan Pfandler der Chef des Landeskriminalamts Niederösterreich, und die zum Zeitpunkt von Pilnaceks Auffinden diensthabende Kommandantin der Polizei Mautern, Barbara S., fühlen sich von Pilz verleumdet und fordern die Einziehung des Buches. 

Pilz populistisch: Wien darf nicht Budapest werden

Pilz wiederum will sich dagegen wehren. Wegen der Anklage zieht er Vergleiche in Richtung Viktor Orbán: "Ich will nicht, dass Wien zu Budapest wird." 

Dafür beruft er sich in seinem Buch auf Aussagen von Pilnaceks Freundin Karin W. und ihrer damaligen Mitbewohnerin Anna P. Letztere war übrigens nicht nur ehemalige Vizebürgermeisterin der Gemeinde Rossatz sondern arbeitete auch für den damaligen ÖVP-Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka. Geht es nach Pilz und seinem Anwalt Volkert Sackmann, sollen die beiden Frauen im Laufe des Verfahrens ebenfalls aussagen. 

Kronzeuginnen – nur, für wen? 

Die beiden sollen nämlich, so Pilz, von Bundespoilzeidirektor Takacs höchstpersönlich unter Druck gesetzt worden sein. Demnach soll Takacs Anna P., der engen Mitarbeiterin von Sobotka, geraten haben, den Laptop des verstorbenen Ex-Sektionschefs verschwinden zu lassen – und ihn keinesfalls an die Polizei zu übergeben: "Ja nicht hergeben. Lass ihn verschwinden. Einfach weg von euch, aussi aus dem Haus."

Das soll Anna P. einige Wochen nach Pilnaceks Tod in einem Gespräch mit Michael Nikbakhsh, Chris Mattura erzählt haben – das habe Nikbakhsh zu redaktionellen Zwecken aufgezeichnet. Aber: Die dort getroffenen Aussagen werden von Anna P. mittlerweile dementiert. 

Durchaus brisant ist aber: Karin W. und Anna P. waren wohl die letzten, die Christian Pilnacek lebend gesehen haben.

Politische Aufarbeitung im U-Ausschuss?

Ganz im Sinne von Pilz ist wohl, dass der Fall Pilnacek mittlerweile eine politische Dimension erreicht hat. Die FPÖ will einen U-Ausschuss. Schon im März leitete FPÖ-Volksanwältin Elisabeth Schwetz ein Prüfverfahren ein. Die Antwort des Innenministeriums folgte prompt: 22 Seiten stark, mit dem Fazit, dass die Ermittlungen korrekt abliefen. 

Auch die WKStA, obwohl einst im Konflikt mit Pilnacek, sieht keinen Grund zur Befangenheit. Ob der von der FPÖ und von Pilz geforderte Pilnacek-U-Ausschuss rechtlich zulässig ist, entscheidet der Verfassungsgerichtshof dann am 12. August.

Neuer Zeuge aus dem Polizei-Umfeld

Am Mittwoch wird der Prozess um das Pilnacek-Buch am Landesgericht Wien fortgesetzt. Neben Bundespolizeidirektor Takacs wollen auch der niederösterreichische LKA-Chef Stefan Pfandler, Kontrollinspektorin Barbara S. das Buch einziehen lassen. Im Zentrum steht diesmal unter anderem die sogenannte "Aktion Handy" – also die Weitergabe von Pilnaceks Smartphone an seine Witwe Caroline List. Licht ins Dunkle bringen soll dabei der niederösterreichische Landespolizeidirektor Franz Popp. 

Und auch die Arbeit am Tatort steht erneut in der Kritik: Zigarettenstummel wurden laut Einsatzkräften zwar gefunden, aber nie ausgewertet. Der Polizist Alexander H. war beim Auffinden von Pilnaceks Leiche einer der ersten am Tatort. Warum die Zigaretten-Stummel nicht gesichert wurden, soll er am Mittwoch dem Richter erklären.

Der Prozess wegen Pilz‘ Ibiza-Buch endete übrigens mit einem Vergleich: Das Buch wurde nicht eingezogen, es durfte jedoch keine Neuauflage mehr gedruckt werden. Wie der Prozess um das Pilnacek-Buch von Peter Pilz ausgehen wird, wird sich vielleicht schon am 9. September zeigen. 

Denn da ist der nächste Prozesstag angesetzt. Im Wiener Landesgericht soll dann die Notärztin Dagmar W. erscheinen. Die Gemeindeärztin von Rossatz war beim Auffinden von  Pilnaceks Leichnam anwesend. Sie versuchte damals eine Obduktion in die Wege zu leiten. Es blieb beim Versuch. 

Zusammenfassung
  • Peter Pilz steht wegen seines Buches "Pilnacek: Der Tod des Sektionschefs" vor Gericht, nachdem mehrere Spitzenbeamte wie Bundespolizeidirektor Michael Takacs Klage eingereicht haben.
  • Im Buch erhebt Pilz schwere Vorwürfe gegen das Innenministerium und behauptet, Takacs habe Pilnaceks Umfeld dazu gedrängt, dessen Laptop verschwinden zu lassen.
  • Christian Pilnacek, ehemaliger Sektionschef im Justizministerium, wurde am 20. Oktober 2023 tot in der Donau gefunden; Polizei und Staatsanwaltschaft ordneten den Tod als Suizid ein.
  • Die Kläger fordern die Einziehung des Buches wegen angeblicher Verleumdung, während Pilz sich auf Aussagen von Zeuginnen aus Pilnaceks Umfeld stützt.
  • Der Fall hat politische Dimensionen: Die FPÖ fordert einen U-Ausschuss, über dessen Zulässigkeit der Verfassungsgerichtshof am 12. August entscheidet.