Beschleunigte Asylverfahren
EuGH: "Sichere Herkunftsländer" müssen für alle sicher sein
Unter welchen Voraussetzungen kann das Herkunftsland eines Geflüchteten als sicher eingestuft werden? Darüber urteilte der oberste Gericht der Europäischen Union (EuGH) am Freitag.
EU-Mitgliedsstaaten können nur dann Listen sicherer Länder festlegen, wenn sie ihre Quellen für die Einschätzung offenlegen. Außerdem gilt ein Land nur als sicher, wenn die Sicherheit der gesamten Bevölkerung im Land gewährleistet ist. Denn vor dem EuGH wurde auch mitverhandelt, ob ein Land als sicher eingestuft werden kann, wenn es für bestimmte Gruppen - etwa homosexuelle Menschen - nicht sicher ist.
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Italiens "Albanien-Modell"
Anlass für das Verfahren war Italiens "Albanien-Modell". Darin spielt das Konzept der sicheren Herkunftsländer eine tragende Rolle. Denn beschleunigte Asylverfahren sind nur dann rechtlich zulässig, wenn Geflüchtete aus einem sicheren Herkunftsland kommen.
Welche Länder als sicher gelten, legten EU-Staaten bisher selbst fest. Geflüchtete aus sicheren Herkunftsländern schickte Italien in ein Asyllager im Zentrum Albaniens. Dort sollen auch die Asylanträge der Geflüchteten in einem schnellen Verfahren geprüft werden.
Die rechte Regierung in Rom will durch dieses Vorgehen weniger Menschen die Einreise nach Italien ermöglichen.
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Zwei Staatsangehörige aus Bangladesch zogen gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge vor Gericht. Sie beanstanden die Liste Italiens, auf der ihr Herkunftsland steht. Das mit dem Fall befasste italienische Gericht zweifelte an der Rechtmäßigkeit und wandte sich an den EuGH.
Das Modell Italiens funktionierte bislang nicht. Die italienische Justiz stoppte die Pläne.
Das Urteil ist aber nicht nur für das Vorgehen von Italiens Regierung wegweisend. Auch andere europäische Länder, etwa Deutschland, Österreich oder Dänemark, erwogen eine Zusammenarbeit mit Drittstaaten, um die irreguläre Migration einzudämmen.
Stocker: "Müssen sichere Drittstaaten definieren"
Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) erklärte im Gespräch mit PULS 24, dass er die Gerichtsentscheidung im Detail noch nicht kenne, aber: "Ziel muss es sein, dass wir sichere Drittstaaten definieren".
Es könne nicht sein, dass "Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben, nicht mehr außer Landes bringen können", so Stocker am Rande des Starts der Serienproduktion von Elektromotoren im BMW Werk in Steyr.
Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) betonte nach dem Urteil in einer Stellungnahme: "Straffällige abzuschieben muss rechtlich möglich sein." Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) unterstrich seinerseits: "Wir werden auch weiterhin alle Maßnahmen ergreifen, um Abschiebungen umzusetzen - vor allem wenn es sich um Straftäter und Gefährder handelt."
Das Innenministerium teilte ergänzend mit, dass sich für Österreich durch das EuGH-Urteil "keine unmittelbaren Änderungen und Auswirkungen" ergeben, "da die Grundlage für das Urteil die italienische Rechtslage betrifft". Weiter hieß es: "Durch die Umsetzung des Asyl- und Migrationspakts werden ab Juni 2026 die Regelungen für sichere Herkunftsstaaten überarbeitet, wobei die EU-Kommission bereits einen Vorschlag für die Änderung vorgelegt hat. Dadurch wird es leichter, Herkunftsstaaten als sicher einzustufen und schnellere Rückführungen zu ermöglichen."
In Österreich gelten Bosnien-Herzegowina, der Kosovo, die Mongolei, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Albanien, Ghana, Marokko, Algerien, Tunesien, Georgien, Armenien, Benin, Senegal, Namibia, Südkorea und Uruguay als sichere Herkunftsstaaten für Asylsuchende.
Zusammenfassung
- Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt die Bedingungen für Listen von sicheren Herkunftsländern für beschleunigte Asylverfahren fest.
- In Italien hat eine solche Liste erstellt, um Asylanträge in Albanien bearbeiten zu können.
- Italiens "Albanien-Modell" war auch Anlass für das EuGH-Verfahren.
- Darin spielt das Konzept der sicheren Herkunftsländer eine tragende Rolle. Denn beschleunigte Asylverfahren sind nur dann rechtlich zulässig, wenn Geflüchtete aus einem sicheren Herkunftsland kommen.