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Nobelpreisträgerin: US-Forschungspolitik "Risiko für Welt"

Heute, 08:50 · Lesedauer 7 min

Dass die derzeitige US-Regierung der Wissenschaft nicht freundschaftlich gesinnt ist, "ist ein großes Risiko nicht nur für die USA, sondern offen gesagt für die ganze Welt", meinte die US-Forscherin Jennifer Doudna am Montag vor Journalisten in Wien. Damit ergeben sich Fragen für die Karriereplanung, vor allem bei den Jungen. Es sei schwer zu sagen, was dies für die Forschung mit der CRISPR-Technologie bedeute, für die sie mit Emmanuelle Charpentier einen Nobelpreis erhielt.

Vor 13 Jahren veröffentlichte die Molekularbiologin und Biochemikerin von der University of California in Berkeley (UCB) gemeinsam mit der in ihrer Anfangszeit an der Universität Wien und heute in Berlin tätigen französischen Wissenschafterin Charpentier die Grundlagen des Schneidemechanismus "CRISPR/Cas9" im Fachjournal "Science". Der Nobelpreis für Chemie sollte im Jahr 2020 folgen.

Die CRISPR-Technologie gilt als wegweisende Technologie, die insbesondere den Bereich der Lebenswissenschaften revolutioniert hat. "Man kann sie nutzen, um den Code des Lebens, die DNA, in allen lebenden Systemen, natürlich auch in Pflanzen, präzise zu verändern", so Doudna. Zu Besuch in Wien war die 61-Jährige auf Einladung des Gregor Mendel Institutes für Molekulare Pflanzenbiologie (GMI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) anlässlich seines 25-Jahr-Jubiläums. Bei ihrem Festvortrag am Montagabend erörterte Doudna, wie es dazu kam, dass die CRISPR-Technologie heute unverzichtbar ist.

Für die weitere Forschung zur CRISPR-Technologie gründete die vielfach ausgezeichnete Forscherin, die sich selbst als passionierte Gärtnerin mit großer Faszination für Pflanzen bekennt, vor zehn Jahren das "Innovative Genomics Institute" an der UCB - "mit dem Ziel, die Genom-Editierung sowohl bei Anwendungen im Bereich der menschlichen Gesundheit als auch in der Pflanzenbiologie voranzutreiben", letztere vor allem auch im Hinblick auf die Bewältigung des Klimawandels.

Mit Blick auf medizinische Errungenschaften sei es erstaunlich, dass es heute bereits eine zugelassene CRISPR-Therapie zur Behandlung von Sichelzellenanämie gebe. Und: "Was mich an CRISPR so begeistert, ist die Möglichkeit des Einsatzes bei Krebs." So sei etwa das Programmieren von Immunzellen - auch wenn hier noch weitere Untersuchungen notwendig sind - ein interessanter Aspekt, um die Tür zu neuen Anwendungen der Immuntherapie aufzustoßen. Auch in der Prävention von Krankheiten sieht die Forscherin großes Potenzial, auch wenn das Zukunftsmusik sei.

"Und es gibt auch immer mehr Anwendungen bei Pflanzen", so etwa auf Basis der CRISPR-Technologie entwickelter dürreresistenter Reis oder "eine kürzlich in Japan zugelassene CRISPR-Tomate" mit erhöhten Nährstoffen: "Ich glaube also, dass wir alle in unserem Leben zunehmend mit CRISPR in Berührung kommen werden, sei es bei Dingen, die wir in unserem Garten anbauen, oder bei Lebensmitteln, die wir auf dem Markt kaufen, und in Zukunft, denke ich, auch bei Gesundheitsanwendungen."

Erschwinglichkeit von CRISPR-Therapien größte Herausforderung

Auf mögliche Herausforderungen angesprochen sieht Doudna auf der technischen Seite die Notwendigkeit, dass die Genschere korrekt funktioniere, also schneide, und "auch die gewünschten Ergebnisse erzielt werden". "Ich glaube aber nicht, dass dies die eigentlichen Engpässe der Technologie sind." Hier werde viel getan, und "die Daten aus den klinischen Studien zeigen im Moment, dass CRISPR sicher eingesetzt werden kann". Eine größere Herausforderung sei herauszufinden, wie man CRISPR-Therapien klinisch so einsetzen kann, "dass es erschwinglich und nachhaltig ist". Bisher liegen die Kosten für eine Behandlung bei Sichelzellenanämie zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro pro Patient und es braucht eine Knochenmarktransplantation. Hier müsse sichergestellt werden, dass es auch Zugang zu den Therapien gebe.

In Bezug auf landwirtschaftliche Anwendungen sieht Doudna die öffentliche Einstellung entscheidend. "Was macht CRISPR? Ist es gefährlich?" An ihrem Institut beziehe man bewusst die Öffentlichkeit mit ein. Man suche die Zusammenarbeit, auch mit staatlichen Regulierungsbehörden, nicht nur in den USA, sondern auch anderswo, "um Menschen, die keine Wissenschafter sind, über die Technologie und die Risiken aufzuklären".

Auch bei der Debatte um die Regulierung von CRISPR-Technologien bringt sich Doudna immer wieder ein: "Wenn man eine Entdeckung macht, die nicht nur eine grundlegende Wahrheit über die Natur enthüllt, sondern auch etwas ist, das möglicherweise auf gefährliche Weise genutzt werden könnte, dann ist es die Verantwortung der Wissenschafter, aufzustehen und darüber zu sprechen." Man müsse jedenfalls die Risiken in den Griff bekommen.

Der Fall, dass bereits ein Forscherteam in China das Erbgut von Zwillingen mit CRISPR verändert hatte - ein drittes Kind wurde ein Jahr später zur Welt gebracht -, schlug vor einigen Jahren hohe Wellen: Es habe großen internationalen Gegenwind gegeben, "auch in China, und seitdem ist das nicht mehr passiert. Ich glaube also, dass es einen echten Widerstand gegen den schnellen Einsatz von CRISPR für diese Art von Anwendung gibt", meinte Doudna. Aber ja, Regulierung sei ein wichtiges Thema.

Zur US-Forschungspolitik

Anfang dieses Jahres erhielt Doudna für ihre Arbeiten zu CRISPR/Cas9 die "US National Medal of Technology Innovation", die vom US-Präsidenten verliehen wird. Damals verlautbarte noch der demokratische Präsident Joe Biden die Preisträger. Unter dem neuen Präsidenten Donald Trump stehen Teile des US-Wissenschafts- und Hochschulsystems gehörig unter Druck. "Es ist kein Geheimnis, dass die derzeitige Administration in den USA nicht freundlich gegenüber der Wissenschaft und ihrer staatlicher Förderung eingestellt ist. Ich glaube sehr an die Bedeutung von Wissenschaft und Technologie und dass sie unsere Welt besser machen kann. Aber im Moment haben wir in den USA leider eine Situation, in der unsere Regierung nicht mit dieser Meinung übereinstimmt. Was sollen wir also tun?", so Doudna.

Mit Blick auf die Karriereplanung gebe es für sie selbst wohl weniger Risiko, aber für den Nachwuchs sehr wohl. So versuche ihr Institut zu helfen, die richtigen Möglichkeiten zu finden: Die jungen Forschenden müssten die Risiken und Vorteile von Auslandsaufenthalten verstehen: "Wie Sie sich vorstellen können, suchen viele unserer Auszubildenden jetzt außerhalb der Vereinigten Staaten. Wenn es also hilfreich für sie ist, sollten sie das unbedingt tun."

"Jede Herausforderung wie diese bringt auch Chancen"

Es sei gleichzeitig schwer zu sagen, was mit der CRISPR-Forschung passieren werde. "Ich glaube, dass sich bei einer Herausforderung wie dieser auch Chancen zeigen." Interessanterweise ändere sich gerade jetzt in den USA die Einstellung zu Vorschriften: "Bei der Behandlung von Krebs zum Beispiel könnten die regulatorischen Hürden, die wir normalerweise überwinden müssen, tatsächlich verringert werden. Ob das wahr wird, weiß ich nicht." Es sei vielleicht möglich, dass bestimmte Arten von CRISPR-Therapien schneller getestet und genehmigt werden könnten. "Das ist also die optimistische Seite oder der Silberstreif am Horizont", so Doudna.

Sollten die geplanten Budget-Kürzungen für die NIH (National Institutes of Health) aber erfolgen und deren rund 48 Milliarden US-Dollar-Budget um 40 Prozent gesenkt werden, wäre das "ein großer Einschnitt", verbunden mit einem "enormen Risiko", so Doudna, die etwa auch mit ihrem Team an einem Projekt zur Pandemievorsorge beteiligt war, dem der staatliche Zuschuss gestrichen wurde. Ein Grund dafür sei nicht genannt worden, aber, auch wenn sie nicht für Österreich oder Europa sprechen könne: "Ich würde sagen, dass die Covid-Pandemie einen enormen negativen Einfluss auf die Wissenschaft in den Vereinigten Staaten hatte - was verrückt ist!" Die Wissenschaft sei während der Pandemie ein Erfolg gewesen. Aber es gebe eben diese große Gegenbewegung.

Zusammenfassung
  • Jennifer Doudna kritisiert die US-Regierung unter Trump als Wissenschaftsgegner und sieht darin ein Risiko für die Welt.
  • Die CRISPR-Technologie, für die Doudna 2020 den Nobelpreis erhielt, revolutioniert die Lebenswissenschaften durch präzise DNA-Veränderungen.
  • Eine CRISPR-Therapie gegen Sichelzellenanämie kostet derzeit 1,5 bis 2 Millionen Euro pro Patient und erfordert eine Knochenmarktransplantation.
  • Doudna betont die Bedeutung der öffentlichen Akzeptanz und Regulierung von CRISPR, um Risiken zu minimieren.
  • Geplante Kürzungen des NIH-Budgets um 40 Prozent könnten die US-Wissenschaft erheblich beeinträchtigen.