Asefgul KumargulMA 11

10 Jahre nach Flüchtlingskrise

Vom 14-jährigen Flüchtling zum "Bürgermeister der Seestadt"

Heute, 10:09 · Lesedauer 4 min

Mit 14 Jahren kam Asefgul Kumargul als minderjähriger Flüchtling allein aus Afghanistan nach Österreich. Bei der MA 11 fand er eine "Familie", in der Seestadt eine neue Heimat und in einem Fahrradgeschäft seine Leidenschaft. Mit Schmäh wurde er zum "Bürgermeister der Seestadt".

Er war immer gern alleine unterwegs, schon als Kleinkind, erzählt Asefgul Kumargul, kurz "Asef", PULS 24. Vor zehn Jahren kam er, wie Tausende weitere im Zuge der Flüchtlingskrise 2015, aus Afghanistan nach Österreich. 

Er war gerade einmal 14 Jahre alt, als er im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen landete - ohne seine Familie. Asef kam als unbegleiteter Minderjähriger nach Österreich. 

Über seine Vergangenheit in Afghanistan und seine Familie will er heute nicht mehr reden. "Meine Familie ist jetzt hier", sagt er und schaut zu Nina Hartmann-Riemer, Sozialpädagogin in jener Wohngemeinschaft (WG) der Kinder- und Jugendhilfe (MA 11) in der Seestadt, in der Asef unterkam. 

"Haben nicht gewusst, was auf uns zukommt" 

Einfach war es anfangs nicht, erinnert sich Hartmann-Riemer. Im Sommer 2015, als die Flüchtlingsbewegung ihren Höhepunkt hatte, kamen sehr viele unbegleitete Minderjährige zur MA 11, sagt sie. Man habe nicht gewusst, "was auf einen zukommt", so Hartmann-Riemer.

Auch Asef hat sich zuerst "gar nicht ausgekannt." Er dachte, er komme bei einer Familie unter. Er war verwundert, als dann die Betreuer und die Wirtschaftshelferin bei Dienstschluss nach Hause gingen. "Okay, wo gehen die hin?", habe er sich damals gedacht. "Mit der Zeit habe ich das dann gecheckt", meint er. 

Nach und nach hat man auch in den WGs gelernt, wie man die jungen Menschen - zumeist aus Afghanistan oder Syrien - gut integrieren könne. Auch, wenn man sich anfangs "mit Händen und Füßen" verständigte, so Hartmann-Riemer. Man habe nie aufgegeben.

WG SeestadtMA 11

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"Viel gelernt", außer Fußballspielen 

Asef habe die Angebote der MA 11 immer angenommen. Mit Beteurer:innen und via YouTube-Videos hat er Deutsch gelernt. Mittlerweile spricht er die Sprache fließend. "Wienerisch eigentlich", korrigiert Hartmann-Riemer lachend. 

Bei der MA 11 habe er viel lernen müssen und "immer mitgemacht", so Asef. Außer beim Fußballspielen. Das "war nicht so für mich". "Ich hab einmal ein Probetraining gemacht bei Aspern (SV Aspern, Anm.), wo Alaba gespielt hat. Aber der Trainer hat gesagt: Bitte, komm nie wieder", lacht er.

Zwei Jahre lang ging Asef in die Schule und musste dann fast drei Jahre auf einen Bescheid warten, um überhaupt arbeiten zu dürfen. 

Fahrräder als Leidenschaft

Ehrenamtlich half er in dieser Zeit aber schon in einem Fahrradgeschäft aus. Er wurde angelernt. Heute arbeitet er dort Vollzeit als Fahrradmechatroniker, Verkäufer und Monteur, "alles".

"Ich bin ein Naturtalent", scherzt er. Er habe selbst "15 bis 16 Fahrräder". "Das ist meine Leidenschaft", so Asef. 

Während der Corona-Pandemie arbeitete er auch für die MA 11 geringfügig. Nach wie vor ist er der MA 11 und seiner WG in der Seestadt sehr verbunden. Immer wieder kommt er auf Besuch. "Es war schon eine coole Zeit", sagt er rückblickend. 

Viel Respekt hat er auch für die Sozialpädagog:innen und Betreuer:innen der Kinder- und Jugendhilfe. "Das sind keine einfachen Kinder. Hut ab, dass die Betreuer nicht aufgeben", so Asef. "Sie sind immer da und haben viel Geduld", zollt er ihnen Tribut. 

Mit Schmäh zum "Bürgermeister der Seestadt" 

Der Seestadt im 22. Bezirk ist er übrigens seit seiner Ankunft in Österreich treu geblieben. "Das ist wie eine Kleinstadt am Land und man grüßt jeden, egal wo ich fahre oder gehe. Man führt ein bisschen Schmäh", sagt er. Beleidigt wurde er hier nie. Den "Bürgermeister der Seestadt", nennen sie ihn. 

Seine Zukunft sieht er weiter hier und im Fahrradgeschäft. "Der Chef hat einmal gesagt, dass ich das Geschäft irgendwann übernehme", erzählt er. Er werde dableiben, "solange es das Geschäft gibt". Er wolle aber auch weitere Ausbildungen und den Führerschein machen. 

Er kämpft außerdem für die österreichische Staatsbürgerschaft. Mittlerweile hat er den Daueraufenthaltstitel bekommen, will aber die Staatsbürgerschaft, um sich sicher zu fühlen. Zu groß sei die Gefahr, irgendwann wieder nach Afghanistan zurück zu müssen. "Was mach' ich dann mit meinen ganzen Rädern?", scherzt er.

Einmal will er die Seestadt und Österreich aber verlassen. Nämlich dann, wenn er mit seinem Fahrrad um die Welt fährt. "Schau'n ma mal", scherzt er im Wienerischen. 

Video: 10 Jahre nach der Krise - Haben wir es geschafft?

Zusammenfassung
  • Mit 14 Jahren kam Asefgul Kumargul als minderjähriger Flüchtling allein aus Afghanistan nach Österreich.
  • Bei der MA 11 fand er eine "Familie", in der Seestadt eine neue Heimat und in einem Fahrradgeschäft seine Leidenschaft.
  • Mit Schmäh wurde er zum "Bürgermeister der Seestadt".