Kritik an durchgesickertem Klimagesetz-Entwurf
"Wir sind gerade in der Phase der regierungsinternen Abstimmung", sagte der Minister am Montag am Rande eines Pressegesprächs in Innsbruck zum Status quo. Nun gelte es, zu verhandeln. Das Klimaschutzgesetz soll aber noch in diesem Jahr "durch das Parlament". "Das heißt: Hier wird mit Hochdruck gearbeitet", bekräftigte Totschnig.
"Der Entwurf des Klimagesetzes lässt die notwendige Klarheit und Verbindlichkeit vermissen. Nicht nur das zentrale Ziel der Klimaneutralität bis 2040 fehlt darin, sondern auch jährliche Sektorenziele, ein Sofortmaßnahmenprogramm, verbindliche Zeitläufe und Rechtsschutz scheinen im Entwurf nicht enthalten zu sein", hieß es von Kontext-Vorständin, Katharina Rogenhofer. In dieser Form sei das Klimagesetz wirkungslos. "Entscheidend aber ist, was das Gesetz enthalten wird, wenn es nach der Koordination zwischen den Koalitionspartnern in Begutachtung geht."
Gesetz scheiterte unter Türkis-Grün an ÖVP-Wirtschaftskreisen
Die Tageszeitung "Der Standard" veröffentlichte am Wochenende den mit Ende Juni datierten Entwurf, der gegenüber dem seinerzeitigen Vorhaben aus der Ära Türkis-Grün deutlich abgespeckt war. Die damalige Klimaschutzministerin und aktuelle Grünen-Chefin Leonore Gewessler machte sich zu dem Zeitpunkt für ein starkes - damals noch so benanntes - Klimaschutzgesetz stark. Dies scheiterte aber am Widerstand aus ÖVP-Wirtschaftskreisen.
Vor allem die verbindlichen Emissionsreduktionspfade, eine Bindung auch für die Bundesländer sowie die als "Notbremse" geplanten automatischen Steuererhöhungen etwa der Mineralölsteuer (MöSt), wenn Klimaziele verfehlt werden, sorgten für massiven ÖVP-Widerstand. Durch einen frühzeitigen Leak wurde das Gesetz damals durch seine Gegner torpediert.
Im neuen Entwurf des nun wieder aus der ÖVP stammenden Ministers sind Eckpunkte von damals ersatzlos gestrichen worden, berichtete der "Standard": etwa Regeln zur internationalen Klimafinanzierung, der Rechtsschutz gegen zu lasche Klimapolitik oder Institutionen wie der "Klimarat der Bürgerinnen und Bürger". Auch vom Plan, den bei Verfehlen der EU-Klimaziele drohenden milliardenteuren Zertifikatekauf aus dem Ausland mit allen Mitteln zu verhindern, soll abgegangen worden sein. Stattdessen soll eine neue Steuerungsgruppe genau diesen Kauf vorbereiten.
Scharfe Kritik von den "Fridays For Future"
Die Aktivisten der "Fridays Fot Future" sahen am Montag ein Klimagesetz ohne Klimaschutz. "Als wäre nicht fatal genug, dass ein völkerrechtlich notwendiges Klimaschutzgesetz in Österreich seit vier Jahren fehlt, schlägt dieser Entwurf noch tiefer ein. Der Entwurf ist ein halbgares Klimagesetz ohne Verbindlichkeit, Rechtsschutz und Garantie für die Zukunft kommender Generationen", hieß es in einer Aussendung. Der Aufprall am Boden der Realität sei nach großen Ankündigungen unter Klimaminister Totschnig umso härter. "Ein Gesetz ohne Verbindlichkeiten ist eine Erklärung der Arbeitsverweigerung, denn die Maßstäbe, an denen ein wirksames Klimagesetz gemessen werden könne, stünden wissenschaftlich längst fest", sagte Laila Kriechbaum, Sprecherin von "Fridays For Future".
Die Gruppe kündigte an, bei dem geplanten Auftritt von Totschnig am Mittwoch im Rahmen des Forum Alpbach zu protestieren.
Greenpeace sieht Verbesserungsbedarf
Für Greenpeace sei der Entwurf unbrauchbar und die NGO ortete dringenden Verbesserungsbedarf. Die Regierungsparteien müssten das Papier grundlegend überarbeiten, so der Appell. Beinahe alle Entscheidungen, wie etwa klare Reduktions- und Sektorziele, würden nicht im Gesetz verankert und sollen erst zu einem späteren Zeitpunkt in einem "Klimafahrplan" festgelegt werden. Doch auch dieser Plan solle rechtlich unverbindlich sein.
"Mit seinem Entwurf liefert Klimaminister Norbert Totschnig nur eine leere Hülle - ohne Zielpfad, ohne Ausstieg aus fossilen Energien, ohne klares Bekenntnis zur Klimaneutralität 2040. Stattdessen sieht das Gesetz den Handel mit brandgefährlichen Klimazertifikaten vor, was völlig fehl am Platz ist", hieß es von Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace Österreich.
Für die BJV reichen Maßnahmen nicht aus
Auch aus Sicht der Bundesjugendvertretung (BJV) reichen die Maßnahmen im Entwurf des Klimagesetzes nicht aus, um die Klimakrise wirksam zu bekämpfen. Besonders das fehlende Bekenntnis zur Klimaneutralität 2040 sieht BJV-Vorsitzende Anna Schwabegger kritisch: "Ein neues Klimagesetz ohne klares Ziel ist das falsche Signal an junge Menschen, die ohnehin schon das Gefühl haben, dass ihre Anliegen in Bezug auf den Klimaschutz nicht ernst genommen werden. Das neue Gesetz muss zeigen, dass die Politik bereit ist, unsere Lebensgrundlage - und die zukünftiger Generationen - zu schützen."
Die BJV ruft die Regierung auf, wirksame Maßnahmen festzuschreiben. "Kinder und Jugendliche haben das Recht, in einer gesunden Umwelt und ohne Umweltgefahren aufzuwachsen. Es darf nicht alles weiterlaufen wie bisher. Ohne Konsequenzen bei der Nichteinhaltung von Emissionszielen ist das Gesetz nur ein zahnloses Papier. Hier muss dringend nachgebessert werden", so BJV-Vorsitzende Lejla Visnjic. Konkret fordert die BJV verbindliche Emissionsziele für Bund, Länder, Gemeinden und alle Sektoren. Diese müssen von einer unabhängigen Kontrolle durch starke Institutionen überprüft werden - und auch Sanktionen sind notwendig.
Zusammenfassung
- Der geleakte Entwurf des neuen Klimagesetzes von Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) stößt bei Klimaorganisationen und Jugendvertretern auf scharfe Kritik wegen fehlender verbindlicher Ziele und Maßnahmen.
- Im Gesetzesentwurf fehlen das Ziel der Klimaneutralität bis 2040, jährliche Sektorenziele, Sofortmaßnahmenprogramme und ein verbindlicher Rechtsschutz, was laut Kritikern die Wirksamkeit stark einschränkt.
- Zentrale Eckpunkte des ursprünglichen türkis-grünen Entwurfs wie verbindliche Emissionsreduktionspfade, automatische Steuererhöhungen und Institutionen wie der Klimarat wurden ersatzlos gestrichen.
- Greenpeace und die Bundesjugendvertretung fordern eine grundlegende Überarbeitung mit klaren, rechtlich bindenden Emissionszielen, unabhängiger Kontrolle und Sanktionen bei Zielverfehlung.
- Statt Maßnahmen zur Vermeidung des milliardenteuren Zertifikatekaufs aus dem Ausland soll laut Entwurf künftig eine Steuerungsgruppe diesen Kauf vorbereiten.