Kampf gegen Kindesmissbrauch: EU will private Chats durchleuchten

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Die EU-Kommission will stärker gegen Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Internet vorgehen. Tech-Giganten wie Meta (Facebook), Google oder Apple könnten verpflichtet werden, Nachrichten und Inhalte ihrer Nutzer auf einschlägiges Material zu scannen.

Das geht aus dem am Mittwoch präsentierten Gesetzesvorschlag der EU-Kommission hervor. Zudem soll ein unabhängiges EU-Zentrum eingerichtet werden, dass unter anderem entsprechende Technologie bereitstellen soll.

Gesetzesentwurf "hart und bahnbrechend"

"Wir werden euch finden", sagte die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson an Straftäter gerichtet. Allein im Jahr 2021 seien weltweit 85 Millionen Bilder und Videos gemeldet worden, die sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, dabei seien das nur die Zahlen von fünf Unternehmen, betonte sie weiter. Den Gesetzesvorschlag bezeichnete Johansson als "hart und bahnbrechend".

Konkret könnten den Plänen zufolge unter anderem nationale Behörden per Anordnung Plattformen wie Facebook, Whatsapp und Signal dazu verpflichten, den sexuellen Missbrauch von Kindern online zu erkennen, zu melden und zu entfernen. Was für eine Technologie dabei zum Einsatz kommen soll, ist nicht definiert. Sie dürfte aber keine anderen Informationen extrahieren können sollen als die, die auf die Verbreitung von Missbrauchsmaterial hindeuten, heißt es in dem Vorschlag.

Neben bereits gemeldeten und neu produzierten Missbrauchsdarstellungen steht dabei auch entsprechende Kontaktaufnahme mit Kindern ("Grooming") im Fokus. Auch die Täter sollen so künftig schneller gefasst werden.

Zentrum gegen Kindesmissbrauch 

Die EU-Kommission will zudem ein EU-Zentrum gegen Kindesmissbrauch einrichten. Mit Sitz im niederländischen Den Haag soll es gemeinsam mit der ebenfalls dort ansässigen europäischen Polizeibehörde Europol den Kampf gegen den Online-Missbrauch in den EU-Staaten koordinieren. Plattformen sollen illegale Inhalt dem EU-Zentrum melden. In Abstimmung dem EU-Datenschutzbeauftragten soll das Zentrum zudem entscheiden, welche technischen Lösungen zum Scannen von Nachrichten auf Kindesmissbrauchsinhalte zum Einsatz kommen sollen.

Datenschützer warnen vor neuen Problemen

Neue Vorgaben sind nötig, weil eine bestehende Übergangsregelung, die freiwillige Maßnahmen der Plattformen erlaubt und auf die man sich vor einem Jahr geeinigt hatte, nach spätestens drei Jahren ausläuft. Der Vorschlag der EU-Kommission ist aber noch nicht gültig. Es braucht dazu auch noch die Zustimmung der EU-Staaten und des EU-Parlaments.

Datenschützer hatten im Vorfeld bereits die Alarmglocken geläutet. Das Vorgehen könnte Strafverfolgungsbehörden eine Hintertür zum Zugriff auf verschlüsselte Nachrichten öffnen, lautete die Kritik. Auch könnte direkt auf den Geräten der Nutzerinnen und Nutzer nach verdächtigen Material gesucht werden (sogenanntes Client-Side-Scanning).

"Der Vorschlag der EU-Kommission vermeidet heikle Entscheidungen, die große Auswirkungen auf die Privatsphäre haben können", analysierte der Datenschutz-Experte Alexander Fanta von der deutschen Nachrichtenseite netzpolitik.org gegenüber der APA. "Die Frage, ob einzelne Plattformen wie Facebook private Nachrichten ihrer Nutzer durchleuchten müssen, wird an die Behörden der Mitgliedsstaaten delegiert."

Auch lasse die EU-Kommission offen, "welche Technologie zum Einsatz kommt. Damit spielt die Kommission den Ball an die Verwaltungsebene weiter - ein Ausweichmanöver, das Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen soll", erklärte der Experte.

Kritik von Datenschützern

Nach Ansicht der Grundrechts-Plattform "epicenter.works" hat die Präsentation des Vorschlags "das Ende der Privatsphäre und des Briefgeheimnisses im Internet in Europa eingeleitet". Die Technologie zur Erkennung dieser illegalen Inhalte "existiert aktuell nicht und bisherige Versuche sind enorm fehleranfällig. Die automatisierte Durchsuchung aller Nutzerinhalte verstößt gegen das Grundrecht auf Privatsphäre und das Briefgeheimnis".

"Es gibt einen Grund, Privates und Öffentliches zu trennen", sagt auch Petra Schmidt von "epicenter.works" im PULS 24 Interview. Für einige Menschen sei die Anonymität des Internets auch hilfreich, um sich jemanden anderem anzuvertrauen und heikle Themen anzusprechen. Diese Überwachung mit dem Schutz vor Kinderpornographie zu begründen, sei für Schmidt zudem ein "vorgeschobenes Argument". "Wenn so ein System einmal implementiert ist, kann es auch für etwas anderes verwendet werden", so ihre Kritik.

Schmidt: Missbrauch nur vorgeschobenes Argument

Auch Süleyman Zorba, netzpolitischer Sprecher der Grünen, kritisierte das Vorhaben: "Dieser Angriff auf das Grundrecht auf Familie und Privatleben ist unverhältnismäßig und schießt komplett am wichtigen Ziel des Kinderschutzes vorbei. Der Handel mit missbräuchlichen Inhalten findet vor allem auf illegalen Plattformen und nicht auf gängigen Messenger-Diensten statt."

Große Bedenken hegt NEOS-Datenschutzsprecher Niki Scherak. "Das geplante Vorgehen stellt alle Internetnutzer unter Generalverdacht und gefährdet die freie Kommunikation und die Privatsphäre aller", warnte der stv. Klubobmann. Zudem würde die Verantwortung auf private Unternehmen abgewälzt, wo der Staat in der Pflicht sei.

ribbon Zusammenfassung
  • Die EU-Kommission will stärker gegen Missbrauchsdarstellungen von Kindern im Internet vorgehen.
  • Tech-Giganten wie Meta, Google oder Apple könnten verpflichtet werden, Nachrichten und Inhalte ihrer Nutzer auf entsprechendes Material zu scannen, wie aus dem am Mittwoch präsentierten Gesetzesvorschlag der Brüsseler Behörde hervorgeht.
  • Zudem soll ein EU-Zentrum eingerichtet werden, dass unter anderem entsprechende Technologie bereitstellen soll.
  • Datenschützer hatten im Vorfeld bereits die Alarmglocken geläutet. Das Vorgehen könnte Strafverfolgungsbehörden eine Hintertür zum Zugriff auf verschlüsselte Nachrichten öffnen, lautete die Kritik.

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