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Jugendkriminalität

Hinter den Kulissen vom neuen Jugendgefängnis Simmering

Heute, 15:32 · Lesedauer 5 min

Die aktuelle Jugendstrafanstalt in der Josefstadt soll mit Ende des Jahres nach Simmering übersiedeln. Am dortigen Münnichplatz wird noch gebaut, die ersten 15 Straftäter sind aber bereits eingezogen. PULS 24 hat bei einem Lokalaugenschein Einblick in die neuen Zellen und Werkstätten genommen - und den viel diskutierten Zaun der Anstalt begutachtet.

Im Frühjahr machten Videos von der neuen Jugendstrafanstalt Münnichplatz in Simmering die Runde: Burschen lungerten vor dem Anstaltszaun herum und versuchten sich sogar Zutritt zum Gelände zu verschaffen. Das soll künftig nicht mehr möglich sein, betonten Anstaltsleiterin Seada Killinger und Generaldirektor Friedrich Alexander Koenig bei einem Lokalaugenschein.

Noch steckt man beim Umbau zum Jugendgefängnis aber mitten in den Bauarbeiten. Den Innenhof zieren Bagger und Schutthaufen, eine dicke Mauer trennt die Baustelle vom Trakt mit den Insassen. Denn eine der ultimativ drei Abteilungen für Jugendliche ist bereits fertig saniert und belegt. 

15 Insassen zwischen 15 und 17 Jahren sitzen dort Haftstrafen wegen Eigentums- und/oder Gewaltdelikten ab. 

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Kritik der Volksanwaltschaft

Im März kritisierte Volksanwältin Gaby Schwarz diese "provisorische" Unterbringung, zuerst "sollten alle Umbauarbeiten fertig und Mitarbeiter im Dienst sein, bevor der erste Jugendliche umgesiedelt wird". 

Bei dem Blick hinter die Kulissen verteidigten Killinger und Koenig den bereits aufgenommenen Betrieb. Man wolle mit den kleinen Gruppen jugendlicher Straftäter die Konzepte erst erarbeiten, das Team von aktuell 34 Mitarbeiter:innen hätte so ebenfalls Zeit nach und nach zusammenzuwachsen. 

"Provisorisch" sehen die Zellen der Burschen jedenfalls nicht aus. Sie sind frisch gestrichen, in der Regel teilen sie sich die Hafträume. Zwei Betten stehen an den Wänden, ein Fernseher prangt über einem Tisch, daneben ist ein Schrank. Pro Zelle gibt es zudem ein eigenes Badezimmer samt WC und Dusche.

Die vergitterten Fenster bieten teils einen Blick auf den 11. Wiener Gemeindebezirk. Auf jener Straße versuchten im Frühjahr andere Jugendliche, Kontakt aufzunehmen. Statt langwieriger Ordnungsstrafen setze man am Münnichplatz nun auf pädagogische Maßnahmen, hieß es. So würden Burschen etwa in Hafträume, die nur mehr den Innenhof als Aussicht bieten, verlegt und Fenster versperrt, sodass man sie ausschließlich kippen könne.

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Übersiedlung aus der Josefstadt

Dass der Jugendstrafvollzug überhaupt von der Josefstadt nach Simmering übersiedelt, ist schon jahrelang Thema. Bereits 2022 hatte die Volksanwaltschaft darauf hingewiesen, dass dringend eine neue Unterbringung krimineller Jugendlicher nötig sei. Mit November 2025 soll das der Münnichplatz werden: Zu diesem Zeitpunkt strebt man den Vollbetrieb an. 

Bis zu 72 Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren soll die Strafanstalt dann Platz bieten können. 80 Mitarbeitende, exklusive der 60 Exekutiv-Beamt:innen, brauche es dafür.

Schon ab August wolle man auch die Untersuchungshaft für Jugendliche in Simmering abwickeln. Pflichtschulstandort werde dann der Münnichplatz statt wie bisher die Josefstadt.

Resozialisierung mit Unterricht und Werkstätten

Im Vordergrund steht bei dem neuen Jugendgefängnis die Resozialisierung. Auf Basis einer Expert:innen-Gruppe seien dahingehend neue Standards ausgearbeitet worden. So arbeite man am Standort Münnichplatz schon jetzt mit einem interdisziplinären Team zusammen, um die jugendlichen Straftäter ab dem ersten Tag vollumfänglich zu betreuen. Bei einem anfänglichen Gespräch werde etwa eine sozialpädagogische und bildungspsychologische Anamnese gemacht. 

Der Großteil der Insassen (11 von 15) hat keinen Pflichtschulabschluss, sie würden nun unterrichtet werden. Auch extra Deutschkurse gibt es dafür. In einem Lehrsaal wurde bei dem Besuch von PULS 24 etwa gerade das Jugendbuch "Tschick" in leichter Sprache durchgenommen. Für einige der Burschen wohl ein bekanntes Thema: Schließlich unternimmt der Protagonist eine Spritztour mit einem gestohlenen Auto. 

Zudem haben die Insassen die Möglichkeit, verschiedene Lehrberufe kennenzulernen. In einer lichtdurchfluteten Werkstatt können sie in den Beruf eines Tischlers hineinschnuppern, sofern ihnen zugetraut wird, dass sie mit dem scharfen und spitzen Werkzeug verantwortungsvoll umgehen können. Auch Ausbildungen zum Bäcker, Maler, Maurer oder eine Lehre in der Metallverarbeitung werden angeboten.

Jene Arbeitsstätten sind bereits voll einsatzfähig, in den Zellen im Stock darüber riecht es etwa nach frisch gebackenen Semmeln.

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Freizeitkoordinator und Sporthof

Große Baustelle hingegen ist noch der Innenhof. Dort soll Anfang Juni mit dem Umbau zum Sportplatz begonnen werden. In vier Monaten möchte man dort insgesamt sieben Sportstätten, darunter Fußball- und Basketballplätze, sowie einen Garten, in dem die Burschen selbst anbauen können, errichten. 

Zur besseren Einteilung der Jugendlichen gebe es erstmals einen eigenen Freizeitkoordinator. Noch dauert der Tag der Jugendlichen von 7.00 Uhr früh bis 17.00 Uhr, danach müssen sie zurück in ihre Zellen. Das wolle man aber ausbauen, erzählt Killinger.

Ziel sei es, gut angepassten Jugendlichen einen längeren Aufenthalt in den Gemeinschaftsräumen zu ermöglichen - mitsamt Videoüberwachung. Noch sei man aber personaltechnisch nicht so weit.

Hohe Hecke mit Stacheldraht

Abseits des Hofs werden bis November auch noch Verwaltungs- und Bürotrakt umgebaut sowie ein Besucherzentrum errichtet. Und natürlich der umstrittene Zaun verstärkt.

Der jetzige "Gartenzaun" steht unter Denkmalschutz, an ihm darf also nicht gerüttelt werden. Stattdessen soll er mit einer 2,50 Meter hohen Hecke ausgestattet werden, mit Stacheldrahtzaun direkt dahinter. Pflanzen und Draht sollen schlussendlich miteinander verwachsen.

Zudem gibt es schon jetzt Bodensensoren sowie einen weiteren Stacheldrahtzaun, der sich näher an der Haftanstalt selbst befindet. Den schaulustigen Jugendlichen will man auch mit unregelmäßigen Polizei-Patrouillen entgegenwirken. 

Klar ist, ein Eindringen oder gar ein Ausbrechen scheint unmöglich.

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Zusammenfassung
  • Die aktuelle Jugendstrafanstalt in der Josefstadt soll mit Ende des Jahres nach Simmering übersiedeln.
  • Am dortigen Münnichplatz wird noch gebaut, die ersten 15 Straftäter sind aber bereits eingezogen.
  • PULS 24 hat bei einem Lokalaugenschein Einblick in die neuen Zellen und Werkstätten genommen - und den viel diskutierten Zaun der Anstalt begutachtet.