Humanitäre Krise in Gaza
Helfer besorgt: "Welche Unmenschlichkeit brauchen Sie noch?"
"Katastrophale Bedingungen" seien es, unter denen die knapp 2,4 Millionen Bewohner:innen des Gazastreifens aktuell leben müssen. Es fehle an sauberem Wasser, Nahrungsmitteln und Medikamenten. Ein Großteil der Gesundheitseinrichtungen wurde beschädigt, die medizinische Versorgung kann nicht mehr umfassend gewährleistet werden. Nun geht auch der Treibstoff in den Spitälern aus.
"Das Gesundheitssystem in Gaza steht kurz vor dem absolutem Kollaps", mahnt Laura Leyser, Geschäftsführerin von Ärzte ohne Grenzen Österreich, in einem Pressestatement am Dienstag. Sie sprach von einer "klaren Verletzung des humanitären Völkerrechts". Ihr Aufruf solle allerdings in "keinster Weise den Angriff der Hamas relativieren", betonte sie. Hilfsorganisationen sei es "fast nicht mehr möglich, zu helfen", so Leyser, "bald vielleicht gar nicht mehr".
Aktuell sehe man die längste Blockade der jüngeren Vergangenheit, seit Anfang März "kommt nichts durch". Seit über zwei Monaten blockiert Israel die Lieferung von Hilfsgüter in den Gazastreifen. Begründet wurde die Blockade damit, dass alle Geiseln freigelassen werden sollen. Israel wirft der radikal-islamischen Palästinenser-Organisation zudem vor, humanitäre Hilfe abzuzweigen, was diese bestreitet.
Helfer fordern "Handeln" von Österreich und der EU
Leyser mahnte "entschiedenes Handeln" von Österreich und der EU ein, es müsse sich "sofort" etwas ändern. An Israel sollten "klare Messages" gesendet werden. "Welche Unmenschlichkeit brauchen Sie noch, um endlich tätig zu werden?", legte Alexander Bodmann, Vizepräsident der Caritas Österreich, bei einer Pressekonferenz nach. Die Lage im Gazastreifen sei schlimmer denn je.
Der Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, Michael Opriesnig, berichtete, die Hilfskräfte vor Ort seien "verzweifelt", nicht eingreifen zu können. Momentan bewege man sich mit "erschreckender Geschwindigkeit weg von einem Waffenstillstand oder Frieden".
Video: Druck auf Hamas "wird graduell gesteigert"
Die während der Waffenruhe zu Jahresbeginn gelagerten Nahrungsmittelvorräte sind nun nahezu aufgebraucht. Nun gehe auch noch der Treibstoff aus, der für den Betrieb der Spitäler notwendig ist.
Rik Peeperkorn, Vertreter der WHO in den Palästinensischen Gebieten, gab am Dienstag an, dass laut palästinensischen Gesundheitsministerium, das von der Hamas geführt wird, bereits 57 Kinder an den Folgen der Unterernährung gestorben sind.
Fast 70 Prozent des Gazastreifens gelten laut der UN-Organisation OCHA inzwischen als Sperr- oder Evakuierungszonen. Man kann sich dort also nicht mehr frei bewegen. Die WHO hatte im April erklärt, dass die Bevölkerung akut von Hungersnot betroffen ist.
Macron sprach von "Schande"
Auch mehrere EU-Fraktionschefs hatten Israel zuletzt scharf kritisiert. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach von einer "Schande". "Was die Regierung von Benjamin Netanyahu aktuell macht, ist inakzeptabel", sagte Macron im Sender TF1.
Am Dienstag griff Israel ein weiteres Krankenhaus in Gaza an. Die israelische Armee schrieb, es handle sich um einen "präzisen Angriff auf Hamas-Terroristen in einem Kommando- und Kontrollzentrum". Dieses befinde sich in einer unterirdischen Struktur unter dem Europäischen Krankenhaus der Stadt.
Mindestens sechs Menschen wurden getötet, mehr als 40 verletzt.
Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden bisher mehr als 52.800 Palästinenser getötet, wobei neben Zivilisten auch Kämpfer mitgezählt werden. Die Hamas und andere islamistische Terroristen töteten bei ihrem Überfall auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 rund 1.200 Menschen und verschleppten mehr als 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen.
Zusammenfassung
- Die Lebensbedingungen im größtenteils in Trümmern liegenden Gazastreifen sind verheerend und spitzen sich ob der Blockade Israels, Hilfslieferungen in den Küstenstreifen zu lassen, enorm zu.
- Österreichische Hilfsorganisationen warnen jetzt vor dem "absolutem Kollaps" des Gesundheitssystems.
- Aktuell sehe man die längste Blockade der jüngeren Vergangenheit, seit Anfang März "kommt nichts durch".
- Hilfskräfte seien "verzweifelt".
- Ein Großteil der Gesundheitseinrichtungen wurde beschädigt, die medizinische Versorgung kann nicht mehr umfassend gewährleistet werden. Nun geht auch der Treibstoff in den Spitälern aus.