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Explosion in Beirut: Die wichtigsten Fragen und Antworten

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Am Dienstag erschütterten schwere Explosionen die Hauptstadt des Libanon und forderte mehr als 100 Tote und tausende Verletzte. PULS 24 klärt die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Am Dienstagabend (wenige Minuten nach 18 Uhr MESZ) wurde Beirut (Libanon) von zwei Explosionen erschüttert. Videos und Bilder zeigen eine enorme Feuerwolke, die über dem Hafen aufsteigt. Die Explosion war auch im 240 Kilometer entfernten Nikosia auf Zypern zu hören. Auf Videos der Explosionen in Beirut sei zunächst schwarzer, dann roter Rauch zu sehen. "Ich gehe davon aus, dass es eine kleine Explosion gab, die die Reaktion des Ammoniumnitrats auslöste - ob diese kleine Explosion ein Unfall war oder beabsichtigt, weiß ich nicht", sagt Chemie-Expertin Jimmie Oxley von der Universität in Rhode Island.

Wie viele Opfer gibt es?

Die libanesische Regierung spricht von mindestens 135 Toten - mehr als 5.000 weitere Menschen seien verletzt worden. Dutzende Menschen werden noch vermisst.

Sind Österreicher unter den Opfern?

Laut Peter Guschelbauer, Sprecher des Außenministeriums in Wien, gab es bis Mittwochvormittag keine Hinweise auf verletzte Österreicher. Allerdings wurde eine lokale Angestellte der österreichischen Botschaft im Libanon leicht verletzt. Die Botschaft wurde "durch die Druckwelle, die der Explosion gefolgt ist, etwas beschädigt", erläuterte Guschelbauer.

Auch die im Rahmen einer UNO-Mission rund 180 österreichische Soldaten im Libanon stationierten Soldaten sind "wohlauf und unverletzt".

Wo können sich Österreicher melden?

Die Botschaft ist rund um die Uhr über eine Notfall-Telefonnummer erreichbar: +961 1 213 052 oder +961 1 213 017

Hans Bederski ist Leiter von World Vision Libanon in Beirut. Im Interview schildert er seine Eindrücke von der Explosion und was das Unglück für den schwer gebeutelten Libanon bedeutet.

Wie groß sind die Schäden?

Beiruts Gouverneur Marwan Abbud sagte am Mittwoch dem libanesischen Sender MTV, zwischen 200.000 und 250.000 Einwohner hätten ihre Unterkünfte verloren. Der Schaden liegen bei drei bis fünf Milliarden Dollar, erklärte Abbud laut staatlicher Nachrichtenagentur NNA weiter.

Wie kam es zur Detonation?

Laut einer Einschätzung des libanesischen Ministerpräsidenten Hassan Diab könnte Ammoniumnitrat die Explosion ausgelöst haben. Schätzungsweise 2.750 Tonnen des Stoffes seien dort sechs Jahre lang ohne Sicherheitsvorkehrungen gelagert worden.

Die Ursache der Detonationen ist weiterhin unklar. Eine Untersuchungskommission der Regierung soll dem Kabinett innerhalb von fünf Tagen einen ersten Bericht vorlegen. Die Regierung kündigte an, die Verantwortlichen für die Explosionen zur Rechenschaft zu ziehen. Sie forderte das Militär auf, die für die Lagerung des Ammoniumnitrats Verantwortlichen unter Hausarrest zu stellen.

US-Präsident Donald Trump relativierte seine ersten Äußerungen, es habe sich mutmaßlich um einen Anschlag gehandelt, und schloss am Mittwoch einen Unfall nicht aus. Am Vortag hatte der US-Präsident mit der Aussage für Wirbel gesorgt, bei den Explosionen habe es sich mutmaßlich um einen Anschlag mit einer "Art von Bombe" gehandelt. Dies hätten ihm seine Generäle nahegelegt.

Warum wird Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut gelagert?

Die Ladung ist im September 2013 im Hafen von Beirut angekommen. Ein Schiff unter moldauischer Flagge wollte die 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat von Georgien nach Mosambik bringen. Der Frachter hatte technische Probleme, weshalb der Kapitän den Hafen von Beirut ansteuern musste. Nach einer Inspektion, verboten die libanesischen Behörden dem Schiff die Weiterfahrt. Die Eigentümer hätten daraufhin das Schiff verlassen, wie die Anwälte der Schiffscrew schilderten. Die Ladung wurde daraufhin in einem Depot im Beiruter Hafen gebracht, wo sie bis zuletzt gelagert wurde. Das Lagerhaus mit dem Material war in heruntergekommenem Zustand und hatte Risse in den Wänden, wie Behördenmitarbeiter der Nachrichtenagentur AFP sagten.

Der libanesische Zoll hat laut dem arabischen Nachrichtensender Al-Jazeera mehrere Briefe mit der dringenden Bitte um eine Lösung an die zuständigen Richter geschickt. Darin stand etwa: "In Hinblick auf die ernste Gefahr, diese Ladung unter unpassenden klimatischen Bedingungen im Hangar zu halten, bekräftigen wir unsere Bitte, die Waren unverzüglich wieder auszuführen, um die Sicherheit des Hafens und der darin arbeitenden Personen zu gewährleisten." Die Briefe blieben unbeantwortet.

Was ist Ammoniumnitrat?

Ammoniumnitrat ist ein starkes Oxidationsmittel, das zur Herstellung von Düngemittel, aber auch von Sprengsätzen verwendet wird. Unter normalen Lagerbedingungen und bei mäßigen Temperaturen entzünde sich Ammoniumnitrat nur schwer, erläutert Oxley. Trotz der Gefahren ist Ammoniumnitrat laut Oxley in der Landwirtschaft und für Sprengungen in der Bauindustrie unverzichtbar.

Wie wird Ammoniumnitrat gelagert?

Normalerweise wird die Chemikalie unter strengen Bedingungen gelagert: So muss sie etwa von Brennstoffen und Wärmequellen ferngehalten werden. In vielen EU-Ländern muss Ammoniumnitrat zudem mit Kalk versetzt werden, um es sicherer zu machen. Das geruchlose Salz war in den vergangenen Jahrzehnten bereits für zahlreiche Explosionen verantwortlich - bei Unfällen und Anschlägen.

Welche wirtschaftlichen Folgen gibt es?

"Diese Explosion ist der Sargnagel für die Wirtschaft des Libanons und für das Land im Allgemeinen", sagte der libanesische Analyst Makram Rabah. Die Menschen könnten ihre Häuser nicht wieder aufbauen, weil ihnen das Geld fehle. Der Hafen in Beirut sei zudem die Lebensader des Landes. Da dort unter anderem Getreidesilos zerstört worden sei, müsste das Land jetzt mit Hunger und Engpässen bei Brot rechnen. Der Libanon leidet seit Monaten unter einer der schwersten Krisen in der Geschichte. Corona hatte diese noch weiter verstärkt.

Gudrun Harrer, Journalistin beim "Standard" und Nahost-Expertin, analysiert die politische Lage im Libanon.

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ribbon Zusammenfassung
  • Am Dienstag erschütterten schwere Explosionen die Hauptstadt des Libanon und forderte mehr als 100 Tote und tausende Verletzte.
  • PULS 24 klärt die wichtigsten Fragen.
  • Die libanesische Regierung spricht von mindestens 135 Toten - mehr als 5.000 weitere Menschen seien verletzt worden.
  • Allerdings wurde eine lokale Angestellte der österreichischen Botschaft im Libanon leicht verletzt.
  • Die Ladung ist im September 2013 im Hafen von Beirut angekommen.

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