APA/APA/TU Wien/David Visnjic

Einschläge von Mini-Meteoriten erzeugen dünne Mondatmosphäre

23. Juli 2025 · Lesedauer 4 min

Verglichen mit der Erde hat der Mond keine Atmosphäre. Seine dünne, Exosphäre genannte Gashülle hat einen Druck von einem Billiardstel des irdischen Luftdrucks. Wie sie entsteht bzw. erhalten bleibt, ist noch nicht vollständig verstanden. Ein Wiener Forschungsteam zeigt nun im Fachjournal "Communications Earth html5-dom-document-internal-entity1-amp-end Environment", dass der Sonnenwind nur eine untergeordnete Rolle für die Exosphäre spielt, viel wichtiger ist das ständige Bombardement des Mondes mit Mini-Meteoriten.

Aufgrund seiner geringen Masse kann der Mond keine Atmosphäre an sich binden. Die Atome und Moleküle in der dünnen Gashülle - in erster Linie Edelgase, Wasserstoff und Spurenelemente - entweichen ständig ins Weltall, werden aber an der Mondoberfläche permanent neu gebildet. Welche Prozesse für diese Neubildung verantwortlich sind, ist eine der zentralen Fragen der Mondforschung.

Zwei Vorgänge gelten als Hauptkandidaten: Entweder werden die Teilchen durch den Einschlag von Mikrometeoriten aus dem Regolith, der lockeren, porösen Staubschicht auf der Mondoberfläche, geschlagen, oder sie stammen aus der Wechselwirkung der Oberfläche mit dem Sonnenwind - dem kontinuierlichen Strom aus Protonen, Heliumionen und anderen geladenen Teilchen, die Atome aus dem oberflächennahen Gestein herausschlagen können. Konkrete experimentelle Daten dazu fehlten bisher.

Um die tatsächliche Erosion durch den Sonnenwind, die sogenannte "Sputtererosion", zu bestimmen, hat das Forschungsteam um Friedrich Aumayr vom Institut für Angewandte Physik der Technischen Universität (TU) Wien zusammen mit Kollegen der Universität Bern bei der NASA Proben von Mondgestein beantragt. "Unser Antrag wurde nach eingehender Begutachtung bewilligt - eine große Auszeichnung für unser internationales Team", erklärte Aumayr gegenüber der APA.

Die Auswahl sei sehr selektiv und die Physikerinnen und Physiker mussten zuerst an irdischen Gesteinsproben zeigen, dass ihre Methode auch tatsächlich geeignet ist. Schließlich erhielten sie insgesamt 2,4 Gramm Mondgestein vom Landeplatz der Apollo-16-Mission. "Diese Menge ist für die von uns verwendete hochpräzise Labormethodik mehr als ausreichend", so Aumayr.

Jahrelanger Beschuss simuliert

Im Labor simulierte das Team den Ionenbeschuss durch den Sonnenwind. "Wir wählten die Laborbedingungen gezielt so, dass sie typischen Sonnenwindverhältnissen entsprechen", sagte Aumayr. Das betraf sowohl die Energie der Ionen als auch deren Zusammensetzung (Wasserstoff- und Heliumionen). Die Intensität des Ionenstrahls (Ionenflussdichte) war dabei im Labor um rund einen Faktor 1.000 höher als am Mond. So konnte mit einem Tag Bestrahlung der Effekt des Sonnenwindes über einige Jahre simuliert werden.

Mit einer speziell entwickelten Quarz-Mikrowaage konnte die durch Ionenbeschuss verursachte Masseabnahme des Regoliths exakt vermessen werden. Gleichzeitig wurden 3D-Simulationen durchgeführt, um die komplexe Geometrie und Porosität des Mondgesteins in die Berechnungen einfließen zu lassen.

Erosion durch Sonnenwind massiv überschätzt

So konnte Studienerstautor Johannes Brötzner aus dem TU-Forschungsteam zeigen, dass die reale Erosionsrate durch den Sonnenwind bisher massiv überschätzt wurde und um den Faktor zehn niedriger ist als bisher angenommen. Das liegt vor allem an der Porosität des Regoliths. Die Ionen können beim Auftreffen in die winzigen Hohlräume des Gesteins eindringen und dort ihre Energie in mehreren Kollisionen loswerden. Dadurch werden weniger Teilchen aus dem Regolith herausgeschlagen als das der Fall wäre, wenn die Ionen auf eine glatte Oberfläche treffen.

"Unsere Studie liefert die ersten realistischen, experimentell abgesicherten Sputter-Werte für echtes Mondgestein", erklärte Aumayr. Die Experimente an der TU Wien bestätigen damit auch eine im Vorjahr veröffentlichte Studie eines internationalen Forschungsteams "aus einem völlig anderen, unabhängigen Blickwinkel".

Dabei wurde anhand von Isotopenanalysen von Apollo-Gesteinsproben der Schluss gezogen, dass über geologische Zeiträume hinweg die Verdampfung von Oberflächenmaterial infolge der Einschläge von Mini-Meteoriten die Hauptquelle für die Exosphäre des Mondes darstellen und nicht der Sonnenwind. Die vom Sonnenwind verursachte Sputtererosion sei aber keineswegs vernachlässigbar, betonte der Physiker.

Bedeutung auch für Merkur-Forschung

Die Experimente des TU-Forschungsteams haben eine über den Mond hinausgehende Bedeutung - insbesondere für den Planeten Merkur. Auch dieser besitzt keine schützende Atmosphäre und ist damit direkt der Verwitterung durch den Sonnenwind ausgesetzt. Doch die Intensität des Sonnenwinds ist dort aufgrund der geringeren Sonnendistanz um ein Vielfaches höher als am Mond. "Daher ist davon auszugehen, dass auf Merkur - anders als auf dem Mond - die Erosion durch Ionen des Sonnenwinds eine dominante Rolle bei der Bildung der Exosphäre spielt", so Aumayr.

Die Ergebnisse sind den Forschern zufolge auch im Hinblick auf geplante und laufende Weltraummissionen von Bedeutung. So soll die ESA-Sonde "BepiColombo" bald erste Daten über die Exosphäre des Merkur liefern. Und mit dem Artemis-Programm der NASA steht eine neue Ära der bemannten Mondforschung bevor.

(SERVICE - https://doi.org/10.1038/s43247-025-02546-0)

Zusammenfassung
  • Ein Wiener Forschungsteam hat gezeigt, dass das Bombardement mit Mini-Meteoriten und nicht der Sonnenwind die Hauptquelle für die dünne Mond-Exosphäre ist.
  • Die Forscher erhielten 2,4 Gramm Mondgestein von der Apollo-16-Mission und simulierten im Labor den Sonnenwind mit einer um den Faktor 1.000 erhöhten Ionenflussdichte.
  • Die Erosionsrate durch Sonnenwind wurde bislang massiv überschätzt und ist laut Studie zehnmal niedriger als bisher angenommen, was vor allem an der porösen Struktur des Regoliths liegt.
  • Die Experimente liefern erstmals experimentell bestätigte Werte für die Sputtererosion von echtem Mondgestein und bestätigen damit frühere Isotopenanalysen.
  • Die Ergebnisse sind auch für die Merkur-Forschung und geplante Weltraummissionen wie die ESA-Sonde „BepiColombo“ und das NASA-Artemis-Programm von Bedeutung.