APA/Wolfgang Huber-Lang

Kehlmann findet Urteil gegen Scheuba "absolut schockierend"

Heute, 12:00 · Lesedauer 3 min

Zufrieden hat sich der Autor Daniel Kehlmann im JosefStadtgespräch am Sonntag mit der gestrigen Uraufführung seines Stückes "Ostern" in den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt gezeigt. Kritisch äußerte er sich dagegen über die jüngste OLG-Entscheidung gegen den Satiriker Florian Scheuba. "Ich finde das Urteil absolut schockierend - weil es uns alle betrifft und die Frage aufwirft, was wir noch sagen dürfen in diesem Land", sagte er im Gespräch mit Eva-Maria Klinger.

In seiner Kolumne in der Tageszeitung "Der Standard" hatte sich Scheuba über die (Un-)Tätigkeit des jetzigen Bundeskriminalamt-Direktors Andreas Holzer geäußert. Das Oberlandesgericht Wien (OLG) hat den Schuldspruch in einem von Holzer angestrengten Verfahren bestätigt und Scheuba wegen übler Nachrede schuldig gesprochen. Mit dem satirischen Text seien die Meinungs- und Kunstfreiheit überschritten worden. Kehlmann stieß sich auch an der Urteilsbegründung, wonach Scheuba vor Veröffentlichung eine Stellungnahme des Betroffenen einholen hätte müssen: Damit werde jede Satire ad absurdum geführt.

Man stelle sich vor, dass in den USA jeder Satiriker oder Comedian vor einem Text oder einer Sendung eine Stellungnahme der Trump-Regierung einzuholen hätte, zog Kehlmann einen Vergleich zu jenem Land, in dem er derzeit nach einer mehrjährigen Unterbrechung wieder seinen Wohnsitz hat. Drei Jahre, bis zum Highschool-Abschluss seines Sohnes, plane er mit seiner Familie wieder in New York City zu wohnen, "es ist aber nicht mein Plan, Amerikaner zu werden". Ohnedies sei schwer abzusehen, wie sich in nächster Zeit die Situation für Menschen ohne US-Staatsbürgerschaft wie ihn entwickeln werde.

New York sei eine intellektuell enorm inspirierende Stadt, von der er sehr profitiere, schilderte der 50-jährige in München geborene Autor. Als Beispiel führte er regelmäßige Gespräche mit dem Dramatiker Ayad Akhtar, dessen Stück "Der Fall McNeal" er übersetzt hat, oder dem Autor Joshua Cohen ("Buch der Zahlen", "Die Netanyahus" u.a.) an. Letzterer hätte ihm auch mit einer Idee weitergeholfen, als er im zweiten Teil seines Pandemie-Stückes "Ostern" feststeckte. Mehr Glamour als bei einer Hollywood-Verfilmung habe er jedoch verspürt, als 2017 in der Londoner City mit Billboards des Hauptdarstellers F. Murray Abraham für sein im West End gespieltes Stück "The Mentor" geworben wurde. Der Plan, damit an den Broadway zu übersiedeln, sei jedoch damals gescheitert.

"Der deutschsprachige Theaterbetrieb ist ein bisschen totalitär"

Das angelsächsische Theater sei ihm näher als das deutschsprachige Regietheater, gab Kehlmann zu. Dass er dieses 2009 in seiner Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele kritisierte, sei ihm lange nachgetragen worden. "Der deutschsprachige Theaterbetrieb ist ein bisschen totalitär und schätzt es nicht, wenn er kritisiert wird." Die bereits mit den Salzburger Festspielen getroffene Vereinbarung über die Uraufführung seines Stückes "Die Geister von Princeton" sei daraufhin auf Ersuchen des damaligen Schauspielchefs Thomas Oberender wieder gelöst worden. Das Stück wurde schließlich erfolgreich von Anna Badora in Graz uraufgeführt.

Von der Theaterszene sei er nach seiner Rede großräumig gemieden worden, schilderte Kehlmann. Nur Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger sei auf ihn zugekommen und habe gefragt: "Ist ihnen eigentlich im Theaterbetrieb schon etwas passiert, das nicht Scheiße ist?" - "Eigentlich Nein", habe er nach kurzem Nachdenken geantwortet. Darauf Föttinger: "Müssen wir ändern!" Daraus habe sich eine mehrjährige fruchtbare Arbeitsbeziehung ergeben - mit "Ostern" als Schlusspunkt zu Beginn der letzten Saison von Herbert Föttinger als Direktor des Theaters in der Josefstadt.

Zusammenfassung
  • Daniel Kehlmann bezeichnete das Urteil des Oberlandesgerichts Wien gegen Satiriker Florian Scheuba wegen übler Nachrede als "absolut schockierend" und warnte vor Einschränkungen der Meinungs- und Kunstfreiheit.
  • Kehlmann lebt nach mehreren Jahren Pause wieder in New York City und plant, dort mit seiner Familie für drei Jahre bis zum Highschool-Abschluss seines Sohnes zu bleiben.
  • Nach seiner kritischen Festspielrede 2009 wurde die Uraufführung seines Stücks "Die Geister von Princeton" in Salzburg abgesagt, stattdessen erfolgte die erfolgreiche Uraufführung in Graz.