Candy Licious liest aus einem Kinderbuch

Dragqueen über Hass: "Mit Pädophilen verglichen zu werden, verletzt"

0

Der rechte Druck auf Drag-Lesungen hat in den letzten Wochen für viel Aufregung gesorgt. Rechtsextreme Störaktionen, Polizeischutz und Hasskommentare gehören aktuell zum Alltag von Dragqueen Candy Licious. Warum sie trotzdem weiterlesen wird, erzählt sie im PULS 24 Gespräch.

Lesungen für Kinder stehen selten unter Polizeischutz. Seitdem Candy Licious vor knapp einem Jahr begonnen hat, Drag-Lesungen zu veranstalten, rufen Rechte und Rechtsextreme immer wieder zu Störkationen auf. So auch für jene Lesung an einem Montag im März im sechsten Wiener Gemeindebezirk. Während die Dragqueen mit bunter Perücke, knalligem Hosenanzug, türkisem Lidschatten und Lollipops als Ohrringen vor interessierten Kindern und Erwachsenen erschien, hielt die Polizei Wache. "Sexualisierung von Kindern", nennt das die FPÖ, die sich im Wiener Gemeinderat erfolglos um ein Verbot von Drag-Lesungen für Kinder bemüht hat. Eine Kunstform, die für Vielfalt und Offenheit steht, nennt es Candy Licious.

"Anders sein ist normal"

Gemeinsam mit Elke, dem Einhorn, einem Stofftier, liest sie aus Kinderbüchern vor, in denen Frösche Ballett tanzen wollen und Fische aus Würfeln statt aus Eiern schlüpfen. Bücher, in denen Figuren anders sind als ihre Geschwister oder Freunde, ausgeschlossen werden und dann doch Anschluss finden. "Ich mag dieses Ermutigen. Dass Anderssein nicht anders ist, sondern, dass anders normal ist", sagt Candy Licious.

Rechtsextreme bauten Mauer vor Bücherei

Dass ihr mit diesem normalen Anderssein so viel Kritik, Widerstand und sogar Hass entgegen schwappen würden, damit hat die Dragqueen nicht gerechnet. Bereits bei ihrer ersten Lesung im Juni 2022 wurde sie Ziel einer rechten Störaktion. Damals hatten die rechtsextremen Identitären den Eingang der Bücherei Mariahilf zugemauert und die Mauer dann mit "#NoPrideMonth" versehen.

Mehr dazu:

Auch damals stand die Lesung schließlich unter Polizeischutz. Seitdem erreichen sie auch online immer wieder Hasskommentare.

Wenn ich im Internet mit einem Pädophilen verglichen werde, dann verletzt das natürlich.

Dragqueen Candy Licious

Oft versucht sie aufzuklären, meistens muss sie die Diskussion aber abbrechen: "Wenn ich im Internet mit einem Pädophilen verglichen werde, dann verletzt das natürlich", sagt sie. Gegen solche Kommentare geht sie nun auch rechtlich vor. Angst habe sie zwar nicht, aber "ich habe dafür gesorgt, dass ich mehr Sicherheit habe", erzählt sie weiter. Sie ist ständig im Austausch mit einem Anwalt und der Antidiskriminierungsstelle Zara.

Vor allem, dass junge queere Menschen diese Kommentare lesen können, sorgt sie. Viele könnte das verunsichern und ängstigen. Vor einigen Jahren hätte auch sie mit dem Hass noch nicht so gut umgehen können. Bevor Bernhard Ledinski die Rolle der Candy Licious angenommen hat, ist er in einem 3.000-Einwohner-Ort in der Steiermark aufgewachsen. Alternativen zum klassischen Familienbild Vater-Mutter-Kind gab es keine. Queere Vorbilder hatte er damals kaum, in der Schule wurde er nach seinem Outing oft beschimpft. "Es war schwierig, weil weder in der Schule noch zu Hause über Homosexualität gesprochen wurde", sagt er heute.

Geschlechterrollen aufbrechen

Thema bei den Drag-Lesungen ist das aber nicht. Candy Licious will, dass Kinder Geschichten hören, in denen es nicht um Gewalt oder Ausgrenzung geht. Tanz oder Musik, wie von der ÖVP-Abgeordneten Christine Haberlander im Wiener Gemeinderat behauptet, beinhalten die Lesungen auch nicht. Mit Drag-Shows haben sie nicht viel gemeinsam.

Als ausgebildete Sexualpädagogin weiß Candy Licious, was kindgerecht ist und was nicht. Allein mithilfe von Kleidung und Make-up können Geschlechterrollen aufgebrochen werden. "Wir werden immer noch so erzogen, dass rosa für Mädchen und blau für Buben steht, dass man zu gewissen Berufen und eben zu gewissem Gewand tendiert", sagt die Drag-Künstlerin. Das seien Normen, die die Gesellschaft nicht mehr braucht.

Drag hat nichts mit trans zu tun

Vielfach wird dieses Spielen mit Geschlechterrollen in Diskussionen damit vermischt, dass trans Personen sich nicht ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen. Das lehnt Candy Licious klar ab. Drag ist eine Kunstform, betont sie. "Von mir aus sollen sie aber auf Dragqueens losgehen und nicht auf trans Personen. Diese sind rechtlich und im alltäglichen Leben viel weniger geschützt", sagt sie. Unterkriegen lassen will sie sich von allem Hass aber nicht. "Wenn sie eine höhere Mauer bauen, dann ziehe ich eben höhere High Heels an", sagt Candy Licious.

ribbon Zusammenfassung
  • Der rechte Druck auf Drag-Lesungen hat in den letzten Wochen für viel Aufregung gesorgt.
  • Rechtsextremen Störaktionen, Polizeischutz und Hasskommentaren gehören aktuell zum Alltag von Dragqueen CandyLicious.
  • Warum sie trotzdem weiterlesen wird, erzählt sie im PULS 24 Gespräch.