Graz trauert
Schulwart nach Amoklauf: "Ich wäre ja raufgegangen..."
Im Hintergrund leuchtet das kunstvolle Graffiti an der Fassade. In grell orangen, aufgeplusterten Buchstaben steht BORG an der Wand. Das BORG Dreierschützengasse.
Zehn Menschen wurden hier am Dienstag von einem 21-jährigen ehemaligen Schüler getötet. Ein schneeweißer Sichtschutz verbirgt einen Großteil des Eingangs.
Auch am Tag nach dem Amoklauf liegen sich dahinter und daneben Schülerinnen und Schüler in den Armen.
Eine andere Schülergruppe hat sich in die Wiese unter die Birke gesetzt, die das Tor zur Schule flankiert. Man spricht über das Erlebte, trauert gemeinsam.
"Ich wäre ja raufgegangen"
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steht Roman. Seit 14 Jahren ist er Schulwart im BORG, noch eineinhalb Monaten hat er zur Pension. Immer wieder stockt seine Stimme. Wenn er vom Tag des Amoklaufs erzählt, schimmern seine Augen immer wieder feucht.
Wie in vielen Schulen hat auch er als Schulwart ein besonderes Verhältnis zu den Kindern, kannte sie alle.
- Mehr lesen: Amoklauf in Graz: Wie Österreich zusammenhält
Eine Viertelstunde vor dem Amoklauf fuhr er los, um Blumen zu besorgen. "Für die Matura", erzählt er. Wäre er da gewesen, "ich wäre ja raufgegangen". Er hätte seinen Schülern geholfen, meint er.
Vielleicht sei es aber auch ein Glück, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht im Haus war. Sonst wäre er womöglich auch tot.
So kam er zurück, als die Einsatzkräfte bereits vor der Schule standen.
"Splitter und Blut" in Schulräumen
Noch immer ist das Stockwerk verwüstet, in dem der Täter auf Schülerinnen und Lehrpersonal in zwei Klassenräumen schoss. "Splitter und Blut", erzählt Roman.
Außerdem habe die Polizei auf der Suche nach dem Täter Türen aufgeschossen. Dass der Schulbetrieb in der kommenden Woche wieder beginnen kann, glaubt er nicht.
- Mehr lesen: Van der Bellen trauert vor Grazer Schule
Für ihn als Schulwart ist jetzt viel zu tun, erst muss das Gebäude in Ordnung gebracht werden. Jetzt will er aber noch mit zwei Bekannten Kerzen anzünden.
Ein Grätzel gedenkt seiner Opfer
Auch eine Lehrerin einer anderen Grazer Schule steht neben ihm. Sie hat im Lehrerzimmer von den Schüssen in der Dreierschützengasse erfahren, auch ehemalige Schüler von ihr sind betroffen.
Nun geht sie kurz zum Supermarkt an der Ecke, um Kerzen zu besorgen. Auch vor dessen Eingang steht ein rosafarbener Blumenstock mit Kerzen. Ebenso wie in der Bank auf der anderen Seite. Das ganze Grätzel gedenkt seiner Opfer.
Noch bevor man in die Dreierschützengasse einbiegt, reihen sich am Gehsteigrand Dutzende Blumen und Kerzen aneinander.
Sohn hörte Schüsse und rief Polizei
Gerade zündet ein junger Mann eine weitere an. Seine Lebensgefährtin erzählt, der gemeinsame Sohn habe die Schüsse des Amokläufers gehört und die Polizei gerufen.
Das BORG Dreierschützengasse war auch als Schule, auf die ihr Sohn im Herbst gehen könnte, in der engeren Auswahl. Schon vor dem Amoklauf habe er sich aber für eine andere Schule entschieden.
Die Attacke wäre aber "kein Grund, dass man ihn nicht dorthin gibt", betonen die Eltern.
Zusammenfassung
- Beim Amoklauf am BORG Dreierschützengasse in Graz wurden am Dienstag zehn Menschen getötet.
- Seit 14 Jahren ist Roman Schulwart an dem Gymnasium, kennt seine Schülerinnen und Schüler - und trauert um sie und mit ihnen.
- Nur kurz vor der Attacke verließ er das Schulgebäude, um Blumen für die Maturantinnen und Maturanten zu kaufen.
- "Ich wäre ja raufgegangen", erzählt er.