Ärztin sucht Sicherheit: Von Morddrohungen und einer "Hackerin"

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Morddrohungen brachten eine Ärztin aus Oberösterreich so weit, ihre Ordination zu schließen. Nicht den Tätern, sondern ihr droht nun der finanzielle Ruin. Was ihre Ordination betrifft, ist sie auf sich gestellt. Auch bei den Ermittlungen brauchte es eine deutsche Hackerin, die erste Spuren gefunden haben will. Eine Anzeige wurde nun zumindest den deutschen Behörden zugestellt. Eine Geschichte über träge Behörden und große Hilflosigkeit.

Es werde ein "Massaker" in der Ordination geben, hieß es in den Hassnachrichten an Lisa-Maria Kellermayr. Detailreich schilderten die Täter die Tötung des gesamten Teams der Ärztin aus Seewalchen am Attersee. Seit nun bereits sieben Monaten steht die Ärztin im Fokus der Corona-Maßnahmen- und Impfgegner. Nun zog sie vorerst einen Schlussstrich. Ihre Ordination ist zu.

Kellermayr investierte nach eigenen Angaben über hunderttausend Euro in Sicherheitsmaßnahmen. Sogar einen bewaffneten Security postierte sie vor ihrer Ordinationstür.

Die Mails rissen nicht ab. Die Polizei Oberösterreich wollte keinen Personenschutz zur Verfügung stellen. Es gebe keine Bedrohung, die Ermittlungen verliefen vorerst im Sand. Die Ordination wurde zwar regelmäßig bestreift, die Ärztin fühlte sich dennoch nicht sicher.

Hilfe aus Deutschland

"Niemand hat mir geholfen", sagt Kellermayr nun. Im Gespräch mit PULS 24 erzählt sie, dass sie vor dem finanziellen Ruin stehe. Die Sicherheit ihrer Patienten und ihres Teams gehe aber vor. Aufsperren will sie erst wieder mit einem bezahlten Sicherheitsdienst, Polizeischutz oder wenn die Täter festgenommen wurden.

Wie es mit der Ordination weitergeht, sei noch nicht geklärt, sagt sie. Auch, wenn nun Unterstützung aus Deutschland zumindest erste Spuren in Richtung Aufklärung des Falles gebracht haben soll.

Ornella Al-Lami alias "Hacktivistin Nella" wurde von Followern auf den Fall aus Oberösterreich aufmerksam gemacht. Die Cyber-Spezialistin sucht sonst im Netz nach Missbrauchstätern. Auch die rechtsextreme Szene hat sie im Auge.

Stutzig bei dem Fall aus Oberösterreich habe sie gemacht, dass der mutmaßliche Täter einen Klarnamen verwendete - "Claas W.". Das passiere sonst eher nicht. Dem war aber auch nur auf den ersten Blick so – die Identität eines anderen Users, eines eher linken Aktivisten, wurde scheinbar geklaut.

Wie die "Hacktivistin" vorging

Wie die "Hacktivistin" dann vorging, hat mit klassischem Hacken eigentlich gar nicht so viel zu tun, erklärt sie PULS 24: "Nella" ließ sich von dem User bestätigen, dass dieser Opfer von "Doxxing" geworden sei. Das heißt, vereinfach gesagt, dass Informationen einer Person zusammengetragen und gegen den Willen der Person im Netz veröffentlicht werden. 

Und dann kam "Nella" etwas zugute, das man auch von der Polizei erwarten könnte: Sie beobachtete die rechtextreme Szene schon länger, wusste laut eigenen Angaben, wessen Handschrift die Hassnachrichten tragen und wusste, dass es eine Gruppierung gibt, die schon mehreren Ärzten solche Nachrichten geschrieben hatte und mit Waffen posierten.

In den Chatgruppen der Verdächtigen las sie über einen verdeckten Account – ein "U-Boot" – mit und fand scheinbar tatsächlich Hinweise auf die Ursprünge der Drohungen. 

"Alles, was ich gemacht habe, ist legal gewesen", betont sie. Das sei reines "Ermitteln" und "Social Engineering" gewesen. Damit habe sie Indizien gesammelt. "Das hätten auch die Behörden machen können".

Die "Hacktivistin Nella" sprang ein.

Freilich: "Stichfest" sei alles erst, wenn etwa die Mail bei dem Verdächtigen gefunden wird. Das könnten die Behörden bei einer Hausdurchsuchung tun, sagt sie. Und: Die Behörden dürfen nicht alle "Werkzeuge" benutzen, die "Nella" benutzt. Doch diese brauche es gar nicht, sie würden die Suche nur beschleunigen.

Ungebildete Behörden?

"Die Behörden müssen sich weiterbilden", ist sich die "Hacktivistin" sicher. So hatte ein Sprecher der Landespolizei Oberösterreich kürzlich erklärt, ihre Ermittlungen seien angestanden, weil man im Darknet gelandet sei. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sagte, dass die "Hackerin" ja viel mehr Möglichkeiten als die Polizei hätte. Beides stimmt laut der "Hackerin" so nicht. 

"So weit sind wir noch nicht", sagt "Nella" auf die Frage, ob man sich auf Behörden bei Hass im Netz verlassen könne. 

Weil sich die deutsche Cyber-Spezialistin auf Twitter meldete, gibt es zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer: Mittlerweile hatten "Nella" und Lisa-Maria Kellermayr zumindest Gespräche mit dem Verfassungsschutz. Dort sei man "engagiert" und man fühle sich "zumindest" ernstgenommen. Bis Täter gefasst oder gar verurteilt werden, werden aber – wenn überhaupt – noch Monate vergehen, betont Kellermayr. Und: Beruhigend sind die Erkenntnisse "Nellas" für sie nicht.

Anzeige an Deutschland übermittelt

Die Recherchen der "Hackerin" landeten jedenfalls beim Verfassungsschutz und über diesen Weg auch bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Wels, wie dort ein Sprecher PULS 24 am Mittwoch bestätigte. Zwei Verdächtige sollen darin angeführt werden. Weil es sich um deutsche Staatsbürger handeln soll, wurde die Anzeige an die deutschen Behörden weitergeleitet. Da aber nicht auszuschließen sei, dass es auch österreichische Täter gebe, werde hier noch gegen Unbekannt ermittelt, so die StA. 

Wie "Nella" selbst, betont aber auch die Staatsanwaltschaft: Belastbare Ermittlungsergebnisse und Beweise würde die Recherche nicht bringen. Das müssen nun wohl die deutschen Behörden beurteilen.

Entschuldigung der Polizei ausständig

Die Recherchen der "Hackerin" hätten aber zumindest gezeigt, dass die erste Einschätzungen der Polizei in Oberösterreich falsch gewesen seien, fühlt sich Kellermayr bestätigt. Es bestehe tatsächlich eine Bedrohung durch die mutmaßlichen Täter. Dafür, dass man ihr seitens der Polizei unterstellt habe, sie wolle nur Aufmerksamkeit - so geschehen in einem Interview mit "Ö1", fordert die Ärztin nun eine Entschuldigung. Diese sei noch ausständig.

Und die Ordination? Die Ärztekammer habe eine einmalige Auszahlung einer Notstandshilfe in den Raum gestellt. Die Ordination werde dadurch aber nicht gerettet, so die Ärztin.

Die Patienten jedenfalls würden sie eigentlich brauchen. Dauerhaft sei die Mehrbelastung für andere Ordinationen nicht zu stemmen, sagt Kellermayr: "Ich weiß nicht, an wen ich mich noch wenden soll, bis zum Präsidenten kennen alle mein Problem".

Gemeinde sieht kein Problem

Die Gemeinde fühlt sich jedenfalls nicht zuständig: Für die Sicherheit sei die Polizei, für die Ordination die Ärztekammer oder die Krankenkasse zuständig, sagt Bürgermeister Gerald Egger (ÖVP). Die "medizinische Akutversorgung" in der Gemeinde sei sichergestellt. "Es ist nicht so, dass irgendwo was nicht passt", sagt Egger. Und überhaupt: Am liebsten wäre es ihm, wenn Medien über den Fall nicht mehr berichten würden – schließlich würde die Aufregung erst zu den "schrecklichen Drohungen" führen.

Ruhe wäre wohl auch Kellermayr am liebsten. Einen anderen Weg sieht sie derzeit aber nicht. Für sie ist das alles nur noch "ein schlechter Film". Happy End – noch lange keines in Sicht.

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  • Morddrohungen brachten eine Ärztin aus Oberösterreich so weit, ihre Ordination zu schließen. Nicht den Tätern, sondern ihr droht nun der finanzielle Ruin. Was ihre Ordination betrifft, ist sie auf sich gestellt. Auch bei den Ermittlungen brauchte es eine deutsche Hackerin, die erste Spuren gefunden haben will. Eine Anzeige wurde nun zumindest den deutschen Behörden zugestellt. Eine Geschichte über träge Behörden und große Hilflosigkeit.