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14 Schuldsprüche in "Charlie Hebdo"-Terrorprozess

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Elf Verdächtige standen wegen Beihilfe zum Terroranschlag auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" sowie einen koscheren Supermarkt in Paris im Jahr 2015 vor Gericht. Drei weitere wurden in Abwesenheit verurteilt.

Im spektakulären Prozess um den islamistischen Terroranschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" sind die Helfer zu teils langen Haftstrafen verurteilt worden. Einer der Hauptbeschuldigten soll wegen Beihilfe zu Verbrechen mit Terrorhintergrund für 30 Jahre ins Gefängnis, wie das zuständige Gericht bekanntgab. Seine Anwälte kündigten Berufung an. Bei einigen Angeklagten sah das Gericht den terroristischen Hintergrund nicht als erwiesen an.

Die Spanne der verhängten Gefängnisstrafen reicht von vier Jahren bis lebenslänglich. Seit Anfang September standen in Paris elf mutmaßliche Helfer der Terrorserie von 2015 vor Gericht. Damals wurden 17 Menschen getötet. Drei weitere Angeklagte sind flüchtig.

Vor einem Sondergericht für Terrorfälle wird nicht nur der Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" im Jänner 2015 verhandelt, sondern auch die anschließende Attacke auf einen koscheren Supermarkt im Süden von Paris. Die meisten der vom Gericht verhängten Urteile waren nun niedriger als von der Staatsanwaltschaft gefordert.

Hauptverdächtiger sorgte für Aufsehen

Der Hauptverdächtige erregte während des Prozesses im abgesicherten Pariser Justizpalast mit seinem Verhalten die große Aufmerksamkeit - er war impulsiv und laut. Die Staatsanwaltschaft hatte für ihn eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Er gilt als rechte Hand jenes Attentäters, der nach dem Überfall auf das Magazin eine Polizistin erschoss und vier Geiseln in einem Supermarkt tötete.

Das Gericht habe festgestellt, dass der Hauptangeklagte dem Attentäter in konkreter und detaillierter Weise entscheidend geholfen habe, begründete der Vorsitzende Richter Régis de Jorna dem Sender France Inter zufolge seine Entscheidung. Der 35-jährige Franzose mit türkischen Wurzeln habe ausreichend Kenntnis von den Absichten des Täters gehabt. "Das ist falsch", rief der Angeklagte während der Urteilsverkündung. Er hatte immer geleugnet, von den Anschlagsplänen gewusst zu haben.

Lebensgefährtin in Abwesenheit verurteilt

Die Lebensgefährtin eines Attentäters ist in Abwesenheit zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Sie war bei dem Prozess in Paris nicht anwesend. Sie soll sich nach Syrien abgesetzt und dort der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen haben. Es ist unklar, ob sie noch lebt. Die damals 26-Jährige hat den Ermittlern zufolge wenige Tage vor den Anschlägen mit zwei Brüdern Frankreich verlassen. Ersterer wurde nun zur härtesten Strafe verurteilt - er bekam lebenslänglich. Es wird aber davon ausgegangen, dass die Brüder tot sind.

Die Angeklagten haben den Attentätern nach Auffassung des Gerichts vor allem dabei geholfen, Ausrüstung wie Waffen oder Autos zu beschaffen. Sie hatten immer wieder bestritten, von den Terrorplänen gewusst zu haben. Das Gericht sah nun auch tatsächlich bei nicht allen den Beweis dafür erbracht. Die meisten Helfer bestritten allerdings nicht, in Waffen- oder Drogenhandel verstrickt zu sein, einige erzählten sogar mit Stolz, wie gut sie dabei verdient hätten.

Keine Antwort auf die Frage nach dem "Warum?"

Viele Opfer und Angehörige hatten sich von dem Prozess vor allem eine Antwort auf die Frage nach dem Warum versprochen. Diese blieb der Prozess aber schuldig. Der Erkenntnisgewinn ging kaum über das hinaus, was die Ermittler zuvor in jahrelanger Kleinarbeit zusammengetragen hatten. Das Ergebnis waren teils detailreiche Schilderungen von Kriminellen über ihren Alltag außerhalb der Gesellschaft mit Gefängnisaufenthalten, kriminellen Deals, Alkohol und Gefälligkeiten.

"Hinter dem pittoresken Bild von kleinen Vorstadt-Ganoven, das die Angeklagten von sich geben wollten, verbirgt sich eine Gewalt, die die gesamte französische Gesellschaft terrorisieren sollte", schrieb der "Charlie-Hebdo"-Herausgeber und Karikaturist Laurent Sourisseau alias Riss über den Prozess. Der Anwalt des Magazins, Richard Malka, sagte nach der Urteilsverkündung sichtlich emotional, dass der Gerechtigkeit nun Genüge getan worden sein.

Enorme Aufmerksamkeit für Prozess

Dem Prozess wurde im Frankreich eine enorme Bedeutung beigemessen. Innenminister Gérald Darmanin bezeichnete ihn als "historisch". Alle Verhandlungen wurden auf Video aufgezeichnet und werden archiviert. Der Prozess stand sinnbildlich für den Kampf gegen den islamistischen Terror, der Frankreich seit Jahren erschüttert. Während des Prozesses wurde Frankreich gleich drei Mal innerhalb weniger Wochen von islamistischen Anschlägen getroffen. Einer ereignete sich sogar vor den ehemaligen Redaktionsräumen von "Charlie Hebdo".

Besonders eindrücklich waren die Schilderungen der Überlebenden und Angehörigen, die zu Beginn der Verhandlung großen Raum bekamen. Diese erzählten vom Horror der Attentate und wie sie noch heute unter den grausamen Verbrechen leiden - körperlich wie geistig. Dies sei vielleicht der einzige Moment der Aufrichtigkeit in diesem Prozess gewesen, schrieb Karikaturist Riss. "Letztlich wird die Wahrheit nur auf der Seite der Opfer herausgekommen sein."

ribbon Zusammenfassung
  • Im Prozess um die blutigen Attacken auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" und einen koscheren Supermarkt in Paris vom Januar 2015 wurden am Mittwoch die Urteile gesprochen.
  • Elf Verdächtige standen vor Gericht. Drei weitere wurden in Abwesenheit verurteilt, weil sie sich vor der Tat nach Syrien absetzten, zumindest zwei von ihnen sollen dort umgekommen sein.
  • Mehrere der elf Angeklagten erhalten Haftstrafen zwischen zehn und 20 Jahren.
  • Die anwesenden Beschuldigten kennen sich aus Cliquen oder aus dem Gefängnis und gaben im Prozess an, mit Terror nichts zu tun zu haben.

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