Nationalbank-Gouverneur
Falke oder Taube? Kocher zu seiner Zinspolitik
Lange hat der ehemalige Wirtschaftsminister und Ökonom Martin Kocher nicht Zeit, sich in seinem neuen Büro einzurichten und anzukommen. Der frisch gebackene Nationalbank-Gouverneur wird schon am kommenden Donnerstag im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) darüber abstimmen, wie es mit den Leitzinsen weitergeht – dem wohl wichtigsten geldpolitischen Steuerungsmittel, um Teuerung einzufangen und gleichzeitig für Wirtschaftswachstum zu sorgen.
An seinem ersten Arbeitstag wollte sich der neue OeNB-Gouverneur allerdings nicht allzu tief in die Karten schauen lassen, wie er es mit den Zinsen hält. Das müsste man sich datenbasiert ansehen, sagte er im Interview mit PULS 24. Voreilig auf eine Linie einschießen wolle er sich ohnehin nicht. "Ich werde den Kolleg:innen in Frankfurt nicht gleich bei der ersten Sitzung ausrichten, was ich erwarte", so Kocher.
Video: Kocher im Interview
Falke oder Taube?
Mit seinem Vorgänger Robert Holzmann verlässt ein sogenannter "Falke" den EZB-Rat, ein Verfechter strengerer Zinspolitik. Noch im Juni war er der einzige der ganzen Eurozone, der gegen eine Senkung der Leitzinsen gestimmt hatte. Ob sich Kocher ebenfalls mit dem Lager der Falken identifiziert oder doch bei den "Tauben" zu finden ist, die sich für eine lockerere Geldpolitik mit niedrigeren Zinsen einsetzen, wollte er nicht direkt beantworten.
Doch der Volkswirtschafts-Professor ließ durchblicken, dass er sich doch eher auf der Seite der Falken einsortieren könnte: "Klar ist, Österreich setzt auf Preisstabilität." Zudem sei es wichtig, dass "wir uns Handlungsspielraum bewahren", sollte sich die Situation nicht verändert haben.
"Die OeNB ist ein Stabilitätsanker in der Wirtschaftspolitik. Wir haben eine Tradition, vorsichtig zu sein in der Geldpolitik. Da wird sich Österreich weiterhin als verlässlicher, stabiler Partner einbringen", so Kocher im PULS 24 Interview.
Von der Regierungs- in die Nationalbank
Nur ein halbes Jahr nach dem Ausscheiden als Wirtschafts- und Arbeitsminister auf einem ÖVP-Ticket hat der parteilose Verhaltensökonom nun einen weiteren prestigeträchtigen Posten inne. Aufgrund seiner Vergangenheit werde er sein Amt aber dennoch mit der nötigen Unabhängigkeit ausüben. Das sei "entscheidend, und das werde ich mit Vehemenz machen", so Kocher.
Was das Budgetdefizit und die Staatsschulden betrifft, stehe man bei der OeNB "mit der Expertise bereit", über die Medien werde er Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) allerdings nichts ausrichten, so Kocher.
Generell wolle Kocher in seiner sechsjährigen Amtszeit "die Institution gut in die Zukunft führen" – vom Kerngeschäft, über die Arbeit im EZB-Rat, hin zur Finanzmarktstabilität und der Bargeldversorgung. In die tägliche Arbeit soll mehr Transparenz kommen, wie Kocher ankündigte: "Es geht darum, auch transparent zu informieren. Die Unabhängigkeit ist ein Privileg. Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch eine Rechenschaftspflicht. Alle müssen verstehen, warum wir Dinge machen, wie wir sie machen. Ich will in der Zukunft auch so offen und so transparent wie möglich kommunizieren. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Faktor. Das können sich die Menschen in Österreich erwarten."
Zusammenfassung
- Mit dem 1. September hat Ex-Wirtschaftsminister Martin Kocher das Amt des Nationalbank-Gouverneurs übernommen.
- Lange Zeit zur Eingewöhnung hat er nicht – doch wie sieht die Zinspolitik aus, die er im EZB-Rat schon kommende Woche vertritt?
- Erste Details hat er im Interview mit PULS 24 verraten.