Arbeitsmarkt
Mehr als die Hälfte der Geflüchteten von 2015 hat einen Job
Nicht nur in Fragen der Kriminalität oder der Integration: Auch was den Arbeitsmarkt betrifft, halten sich in der österreichischen (politischen) Debatte hartnäckige Vorurteile gegenüber Geflüchteten. Sie würden auf Kosten der Österreicher:innen vom Sozialstaat leben. Von rechts ist immer wieder von "Asyl-Tourismus" die Rede. Doch ist da was dran? PULS 24 hat sich Daten vom Arbeitsmarktservice (AMS) genauer angesehen.
Und auf den ersten Blick lässt sich festhalten: Die Mehrheit der Geflüchteten, die damals nach Österreich gekommen sind, hat einen Job. Das AMS wertet das in Kohorten – quasi Jahrgängen – aus. Aus diesem Jahrgang 2015 bis Juni 2016 sind laut aktuellen Zahlen des AMS 57 Prozent in Beschäftigung, verdienen also ihr eigenes Geld.
100 Prozent nicht möglich
21 Prozent sind derzeit beim AMS gemeldet, jedoch wird gegenüber PULS 24 auch betont, dass 77 Prozent von ihnen bereits länger als sechs Monate einen Job hatten.
Dabei ist es unmöglich, auf eine 100-Prozent-Quote zu kommen. Denn 22 Prozent sind "out of labour force", also können nicht am Arbeitsmarkt teilnehmen. Das kann wegen Kinderbetreuungspflichten, Pension oder Ausbildung sein, weil sie nicht mehr in Österreich leben oder in der Zwischenzeit gestorben sind.
Die vergangenen Jahre waren geprägt von wirtschaftlichen Rückschlägen, von der Corona-Krise über die andauernde Wirtschaftsflaute. Das bekommen auch Asylberechtigte zu spüren – derzeit stagniert das Beschäftigungsniveau.
Video: 6.500 Abschiebungen im ersten Halbjahr
Integration dauert - auch am Arbeitsmarkt
Doch es braucht mitunter Jahre, bis Geflüchtete im Arbeitsmarkt ankommen. Der Großteil muss Deutsch lernen, auch andere Qualifizierungs- und Integrationsmaßnahmen brauchen Zeit. Doch für das AMS ein Erfolg: Das geht immer schneller. Während es beim "Jahrgang" aus 2016 noch 61 Monate dauerte, bis mehr als die Hälfte einen Job gefunden hatte, waren es bei der Gruppe aus 2020 nur noch 26 Monate. Bei aller Kritik an der Integrationsarbeit des Staats: Gewisse Maßnahmen scheinen Wirkung zu zeigen.
Wie sich die Beschäftigung über die Jahre entwickelt, hat auch eine AMS-Studie über syrische Geflüchtete unter der Leitung von Migrationsforscherin Judith Kohlenberger untersucht. Hier wird gemessen, wie viele Tage pro Jahr ein durchschnittlicher Asylberechtigter gearbeitet hat. So zeigt sich, dass am Anfang des untersuchten Zeitraums nur ein Bruchteil der Geflüchteten gearbeitet hat. Im Verlauf der Jahre sind die Zahlen aber deutlich gestiegen.
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Bemerkenswert sind hier jedoch die regionalen Unterschiede, da es in einzelnen Bundesländern leichter zu fallen scheint, Fuß in der Berufswelt zu fassen. Spitzenreiter ist Oberösterreich. Im siebten Jahr waren Männer 312 Tage, also 10 von 12 Monaten, erwerbstätig. In Wien waren es im Vergleich nur 208 Tage, im bundesweiten Schnitt sind es 243 Tage.
Welche Jobs sie übernehmen
In den ersten Jahren sind Geflüchtete primär in Hilfsberufen tätig, später diversifizieren sich die Aufgabenbereiche etwas mehr, wie die Studie zeigte. "Relativ häufig" sind syrische Geflüchtete dann auch als Koch, Küchengehilfe, Verkäufer, Elektriker, Friseur, im Landverkehr oder im Gesundheitswesen tätig.
Die Zahlen zeigen: Integration am Arbeitsmarkt funktioniert, wenn es auch deutliche Probleme gibt. So sind vor allem recht wenige Frauen in der Berufswelt angekommen. Das liegt zum Teil auch daran, dass sie in der Regel später nach Österreich gekommen sind, durch Kinderbetreuungspflichten später mit dem Integrationsprozess begonnen haben oder auch kulturell bedingt keine Erwerbstätigkeit anstreben.
Die Krux mit dem Deutschlernen
Auch beim Deutschlernen gibt es oft massive Defizite. Drei von zehn asylberechtigten Syrern können nach anderthalb Jahren in Österreich kein Deutsch – das wirkt sich auch massiv auf die Chancen am Arbeitsmarkt aus. Doch warum tun sich damit viele so schwer? Das hat die Studie ebenfalls untersucht.
In Interviews mit Geflüchteten wird durchaus ein Bewusstsein identifiziert, dass ohne Deutsch nichts geht. Doch vieles hat mit Bildungsdefiziten zu tun, vor allem bei den Menschen aus Syrien, die jahrelang in Transitländern wie dem Libanon oder der Türkei "festgehangen" sind, oft unter unmenschlichen Bedingungen und ohne jede Chance auf Bildung. Viele von ihnen können nicht einmal in ihrer Muttersprache lesen oder schreiben.
Doch auch während der Deutschkurse bricht bei einigen die Motivation ein. Etwa, weil die Erfolge ausbleiben. Doch teilweise scheitert es dann auch an Jobangeboten. Denn wenn einmal ein Job angenommen wird, bleibt dann keine Zeit oder Lust mehr auf den Sprachkurs, weil der Job erst einmal Priorität hat.
Zusammenfassung
- Nicht nur in Fragen der Kriminalität oder der Integration: Auch was den Arbeitsmarkt betrifft, halten sich in der österreichischen (politischen) Debatte hartnäckige Vorurteile gegenüber Geflüchteten.
- Sie würden auf Kosten der Österreicher:innen vom Sozialstaat leben. Von rechts ist immer wieder von „Asyl-Tourismus“ die Rede. Doch ist da was dran?
- PULS 24 hat sich Daten vom Arbeitsmarktservice (AMS) genauer angesehen.