Simmeringer Haide
Wiens einziges blaues Grätzl: "Wähle Stadler, nicht die Partei"
Die Wien-Wahl 2025 ist geschlagen und ganz Wien ist rot. Ganz Wien? Nein!
Ein unbeugsames Grätzl in Simmering wird von der FPÖ dominiert und ist blau. Und das liegt wohl vor allem an jenem Mann, der im Fasching regelmäßig ins Obelix-Kostüm schlüpft. Der ehemalige FPÖ-Bezirksobmann Paul Stadler.
Zwar konnte die FPÖ Simmering nicht zurückerobern, dennoch befindet sich im 11. Bezirk Wiens einziges blaues Grätzl bei der Gemeinderatswahl. Das einzige Grätzl, in welchem die SPÖ am vergangenen Sonntag nicht die Mehrheit der Stimmen erhielt, ist die Simmeringer Haide.
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Viele Menschen waren es allerdings nicht, die hier ihre Stimmen abgaben: 812 Personen stimmten für die FPÖ, 755 für die Roten. Die Simmeringer Had' ist nämlich vor allem ein Industriegebiet. Die Schlote des Kraftwerks entlang der Haidequerstraße sind von überall im Grätzl zu sehen.
Dominik Nepp als Asterix, Paul Stadler als Obelix und Maximilian Krauss als Majestix im Fasching 2025.
Fährt man die staubige Haidestraße Richtung Südosten vorbei an einer Hundeschule, einer Kaserne, einem Pharmakonzern und einem Gemüsegroßhändler, erreicht man irgendwann ein Meer an Glashäusern, hinter dem sich dann nur noch die Wiener Kläranlage befindet.
Menschen, die hier wohnen, findet man kaum. Hier kommt man nur zum Arbeiten her - im Lkw oder Auto geht's direkt aufs Firmenareal und am Abend wieder heim.
"Insel der Seligen"
Eine Oase zwischen all dem Schwertransport und den grauen Hallen bildet allein der Kleingartenverein Simmeringer Haide. Wer hier ein Wochenendhäuschen hat, wählt aber kaum im Grätzl. Die wenigen Bewohner, die der FPÖ hier einen blauen Fleck auf Wiens Karte bescherten, müssen sich also in der Siedlung zwischen den Schienen der S80, der Lindenbauergasse und dem Simmeringer Friedhof verstecken.
Kraftwerk Simmering
Eine "Insel der Seligen" befindet sich hier, sagt eine Frau, die mit Zigarette in der einen und Hundeleine an der anderen Hand, eine Runde dreht. Sie wohnt seit 50 Jahren hier, ist hier aufgewachsen, sagt sie. Viel verändert habe sich in der Zeit nicht.
Kleingartensiedlung Simmeringer Haide
"Ich verstehe das nicht", sagt sie zum Wahlergebnis im Grätzl. Sie könne nicht sagen, dass die Kriminalität gestiegen sei, auch gebe es nicht viele Ausländer:innen in der Simmeringer Haide.
Integrationsprobleme sehe man eher in anderen Gegenden des 11. Bezirks. An der Simmeringer Hauptstraße etwa fühle man sich wie in "Little Ankara", sagt die Frau. Viele Menschen im Grätzl würden sich über die Teuerungen beschweren, aber das täten die Menschen auch anderswo.
Die FPÖ würde sie nicht wählen: Kickl könne nicht rechnen und glaube, dass er von 100 Prozent gewählt worden sei, beschwert sie sich über die "Volkskanzler"-Ansprüche des FPÖ-Chefs. "Und das Aufhussen mag ich schon gar nicht", fügt die Frau hinzu.
Paul Stadler: "Nicht FPÖ-like"
Aber: Paul Stadler, jener FPÖler, der von 2015 bis 2020 Bezirksvorsteher in Simmering war, habe das damals gut gemacht. Weil er sich "nicht FPÖ-like" benommen habe, liefert die Frau dann doch einen Erklärungsversuch, den auch andere in der Simmeringer Haide bestätigen.
Plakat-Duell: FPÖ vs. SPÖ
Die bewohnte Gegend hier besteht aus einigen wenigen engen Gassen, teils bepflastert, teils asphaltiert. Die meisten Häuser sind Einfamilienhäuser mit kleinen Gärten und Autos vor den Haustüren. Hinter vielen Zäunen bellen Hunde, auf die Schilder wie "Achtung Hund" hinweisen. Vielen Bewohner:innen scheint es ein Anliegen zu sein, mit Schildern darauf hinzuweisen, dass es sich um ein "Privatgrundstück" handelt.
Wie Wien wählt
"Ich wähle den Menschen, nicht die Partei", sagt eine Pensionistin, die eine der Gassen entlang spaziert. Sie habe auf Bezirksebene die FPÖ gewählt, auf Gemeindeebene eine andere Partei. Der Grund: Paul Stadler. Der habe sich "mehr mit den Leuten unterhalten" als der jetzige Bezirksvorsteher Thomas Steinhart (SPÖ), sagt sie.
Die Gründe der Grätzl-Bewohner:innen, ihr Kreuzerl bei der FPÖ, zu machen, sind teils recht lokalspezifisch: Besonders stört sich die Frau etwa daran, dass man das Seniorenheim Haidehof geschlossen habe, um dort Flüchtlinge unterzubringen.
Aufregung ums Seniorenheim
Teils ist die Wahlentscheidung aber auch nicht rational. Was die Frau nicht weiß - oder ignoriert: Tatsächlich wurde das Haus nur umgebaut, was sich während der Corona-Pandemie aber verzögerte. Zu Beginn des russischen Angriffs errichtete man deshalb dort eine Notschlafstelle für geflüchtete Ukrainer:innen, später ein Grundversorgungsquartier, das allerdings seit 2023 wieder zu ist.
Das Haus wird nun abgerissen und als Seniorenwohnheim neu gebaut.
Zwischen Industrie und Kleingartensiedlung
Dass man Paul Stadler öfter auf den Festl'n im Bezirk sah als seinen Nachfolger, bestätigt allerdings auch der ehemalige Straßenbahnfahrer Edi. Und das sei den Menschen hier wichtig.
Der Pensionist hat heute Bim gegen Fahrrad getauscht und macht gerade Pause auf einer Bank am Rande des Friedhofs - Blick auf den Footballplatz der Vienna Vikings. Edi wohnt gerne in Simmering: Man ist mit dem Rad schnell auf der Donauinsel oder im Prater. Nach dem Besuch im Schweizerhaus "zaht sich die Hauptallee aber", erklärt Edi.
Die Gründe, für die FPÖ zu stimmen, müssen außerhalb des Grätzls zu finden sein, meint er: Hier sei alles beim Alten, schwärmt er. Nur in anderen Teilen Simmerings müsse man Angst haben, wenn man nachts nach Hause gehe.
Ein gallisches Dorf
Doch in der Simmeringer Haide sprach die FPÖ offenbar sogar untypische Wähler:innen an: Robert Ä. ist 1999 von Schweden nach Wien gezogen, seit 15 Jahren wohnt er im Grätzl. Als Homosexueller habe er lange gedacht, dass er Rechtsparteien nicht wählen könne, sagt er, der wegen fehlender Staatsbürgerschaft nur auf Bezirksebene abstimmen konnte. Nun gab er seine Stimme doch der FPÖ.
Robert mit Hund Maggy
Die Stadt entwickle sich in eine Richtung, die ihm nicht gefalle: Er spricht Sozialleistungen für Menschen, die nicht arbeiten gehen würden, an. Er beschwert sich über junge Mädchen mit Kopftüchern und Menschen, die nicht Deutsch sprechen würden.
"Wo wohnen die, die sagen, alles sei super und multikulti?", fragt der Schwede. Nicht in Simmering, meint er und lobt sein Grätzl, durch das er mit seinem Hund Molly zieht, doch: "Hier gibt es kein Großstadtfeeling, es ist wie eine eigene Stadt". Ein gallisches Dorf eben, das etwas anders tickt.
SPÖ und NEOS starten Sondierungsgespräche
Zusammenfassung
- Die Simmeringer Haide ist Wiens einziges Grätzl mit einer FPÖ-Mehrheit.
- PULS 24 hat sich vor Ort umgehört und nachgefragt, was den abgelegen Teil des 11. Bezirks vom Rest Wiens unterscheidet.