Lugner CityPULS 24 / APA

Wie Wien wählt

So wählt die Lugner City

18. Apr. 2025 · Lesedauer 7 min

Am 27. April entscheidet Wien über seinen neuen Gemeinderat. In der Lugner City treffen verschiedene Welten aufeinander. Multikulti im 15. Bezirk, die schillernde, wirre Welt des verstorbenen Bau-Moguls Richard Lugner und die FPÖ-Veranstaltungen seines Schwiegersohns. Im Rahmen der Serie "Wie wählt Wien" hat sich PULS 24 im Einkaufszentrum umgehört.

Vorbei an den blinkenden Spielautomaten und am Kino, geht es zunächst zwei Rolltreppen nach oben. Dorthin, wo der "Sara Imbiss" Kebab und Pizza anbietet und ein Lokal gegenüber mit Burger, Bärlauch-Risotto und Ćevapčići wirbt. 

"Hey Bruder, hast du Zeit?", fragt ein Mann in gebrochenem Deutsch vor einem kleinen Snack-Laden. Er wirbt für eine App. Wenn man sie runterlädt, bekommt man Geld – oder ein Getränk. Ganz klar wird das im Vorbeigehen nicht.

Lässt man dann auch noch den Bitcoin-Automaten hinter sich, ist man schon tief in das Lugner-City-Universum eingetaucht. Vor einem liegt die "Plaza": Ein dreistöckiges Rund unter einem Glasdach in dessen Mitte an diesem Tag zwischen Palmen eine Hüpfburg aufgebaut ist. Eine Mutter schreit aufgebracht: "Angeloooo!" Aber Angelo ignoriert sie und will das Plastik-Piratenschiff noch nicht verlassen.

"Gemma Lugner!"

Richard Lugner, der schillernde Gründer der Lugner City hat sich mit und in diesem Einkaufszentrum verewigt. Und mit "Gemma Lugner!" ist ein ikonischer Spruch des im vergangenen Jahr verstorbenen Bauherren "Mörtel" tief im Vokabular der Wiener:innen verankert.

Den Frauen war er immer zugetan, das zeigt sich in einem Glaskobel für Raucher:innen: Dort ist er umgeben von vier Frauen abgebildet. 

Eine besondere Frau in seinem Leben hat nun seinen Platz eingenommen.

Raucherlounge in der Lugner CityKonstantin Auer / PULS 24

Raucherlounge in der Lugner City

Tochter Jacqueline, führt nun die Lugner City. Im vergangenen Jahr heiratete sie mit Leo Lugner, vormals Kohlbauer, einen FPÖ-Politiker. Er kandidiert bei der Wien-Wahl auf dem aussichtsreichen Listenplatz 17.

Kommt Leo Lugner ins Shopping-Center, schüttelt er - schon fast wie sein verstorbener Schwiegervater einst – zahlreiche Hände. Das Shopping-Center muss nun immer öfter für blaue Veranstaltungen herhalten. Zuletzt für das "Oster-Bock-Fest".

Multikulti und FPÖ-Bühne?

Gleichzeitig ist die Lugner City beliebter Treffpunkt der multikulturellen Gesellschaft – liegt sie doch im 15. Bezirk, dem Bezirk mit den meisten Einwohner:innen ohne österreichische Staatsbürgerschaft.

Es gibt mehrere "Money-Transfers", asiatische Spezialitäten, ein Geschäft nur für Arbeitskleidung und ganz hinten, am "Mörtel Markt", ein indisches Lokal und ein "All You Can Eat Balkan Buffet". Dieses Eck ist orientalisch dekoriert. Lampen mit bunten Glasscheiben hängen zwischen Schwibbögen mit arabischen Verzierungen.

Wie geht sich das alles unter einem Dach aus? Wie denken eigentlich die Besucher:innen über Politik? Und wie werden sie bei der Wien-Wahl abstimmen?

"Na, des interessiert mi nimma"

Im dritten Stock der "Plaza" lehnt ein Mann am Geländer und blick auf die Hüpfburg hinab. Er gehört zu jenem Drittel der Wiener:innen, das nicht wählen darf: Er ist Afghane und lebt seit neun Jahren in Österreich. Die Staatsbürgerschaft hat er nicht.  

Er habe sich die Gesichter auf den Plakaten angeschaut, sagt er. Sonst habe er sich nicht informiert. Er hoffe aber für Österreich, dass ein "guter Mann" gewinnt, sagt er, ohne zu wissen, wer das sein könnte.

Piratenschiff-Hüpfburg in der Lugner CityKonstantin Auer / PULS 24

Piratenschiff-Hüpfburg in der Lugner City

Ein paar Meter weiter bummelt ein Pensionist durch die Lugner City. Er hat Wohnungen in Wien und in Tulln. Zum Spazieren komme er ab und zu extra in das Einkaufszentrum, sagt er. "Do geh i ummadum".

"Na, des interessiert mi nimma", sagt der Herr auf die Frage, ob er denn zur Wien-Wahl gehen wird. Nach 50 Jahren als Arbeiter wolle er einfach nur seine Ruhe haben, meint er.

Bei vergangenen Wahlen war er schon an der Urne. Zumindest "wenn wir da waren". Als Arbeiter habe er dann "immer dasselbe" gewählt. Die SPÖ. Sollte er doch nochmal zu einer Wahl gehen, werde sich das auch nicht mehr ändern. Das wichtigste Thema für ihn? "Dass wir unsere Rente kriegen".

"Ich kenne mich nicht aus"

Ein Stockwerk darunter, im CBD-Shop, arbeitet ein junger Mann, der sich als "Justin" vorstellt: Er interessiert sich, wie so viele hier, nicht sonderlich für Politik. "Ich kenne mich nicht aus", sagt er über sich selbst. Auch er wird nicht zu Wahl gehen.  

"Wien bleibt Wien, Österreich bleibt Österreich" – egal, ob er ein Kreuzerl macht oder nicht, ist er sicher. Dabei gibt es auch bei ihm Themen, die ihn durchaus aufregen: Alles wird teurer, auch die Lebensmittel, klagt er. Und generell sei "die Wirtschaft im Arsch", habe er gehört.

Nicht zur Wahl gehen werden auch zwei Wiener mit serbischer Migrationsgeschichte, die in einer Raucher-Box sitzen. "Die machen sowieso alles unter sich aus", sagt der eine. Politiker würden sich das Geld "nur in die eigene Tasche stecken".

"Politik interessiert uns nicht", sagt der andere. Schnell landen sie dann aber doch bei der großen Geopolitik: Trump und Putin teilen sich gerade die Welt auf, sind die beiden sicher. Und was hat das mit Wien zu tun? "Naja auch hier zahlen wir mehr für Diesel und Benzin", fällt beiden als erstes ein.

Sie hätten sich die Plakate der Parteien zur Wien-Wahl angeschaut, versichern sie. Aber die Kandidat:innen würden alle nur für sich selbst arbeiten, sind sie sicher.

"Sicher nicht die FPÖ"

Ähnlich denkt auch der Mann, der mit Limonaden-Dose vor dem Billa-Plus nach dem Einkaufen eine Pause macht. Er ist mit Rollator unterwegs. Könnte er besser gehen, würde er vielleicht wählen gehen, sagt er erst.

Doch das relativiert er sogleich: "Die halten eh nicht, was sie versprechen". Jeder wolle führen, keiner sei an Konsens interessiert. Politiker:innen würden alle zu viel verdienen. Und gleichzeitig seien die Wohnungen viel zu teuer, moniert er.

Eines weiß der Mann aus dem 15. Bezirk aber sicher: Die FPÖ würde er am wenigsten wählen. "Die haben als Thema nur Migration" – und Migration habe Österreich groß gemacht.

Was würde Leo Lugner sagen?

Was Leo Lugner diesem Mann wohl sagen würde? Der FPÖ-Politiker konnte seine Rollen zuletzt nicht ganz trennen: Im Wahlkampf fiel er auf, weil er auch bei konservativen Austro-Türk:innen um Stimmen warb. Beim Fastenbrechen in einer Moschee des türkisch-islamischen Atib-Vereins sei er aber nicht als FPÖ-Politiker, sondern als Vertreter der Lugner-City gewesen, versicherte er.

Orientalische Architektur am "Mörtel Markt"Konstantin Auer / PULS 24

Orientalische Architektur am "Mörtel Markt"

Trotz neuer Hausherren bleibt die Lugner City ein Ort für alle. Wie Gründer Richard Lugner, der bei drei Wahlen antrat und dreimal scheiterte, sich beim Akademikerball blicken ließ, aber immer viel mehr Augenmerk auf den Opernball legte, eine wirre, schillernde und manchmal auch wütende Welt. Politisch und unpolitisch zugleich. 

Lugner-GraffitiKonstantin Auer / PULS 24

Lugner verewigte sich auf seinem Einkaufszentrum.

Wie Wien wählt

Wien wählt, aber wie? PULS 24 ging für die Reportageserie "Wie Wien wählt" auf die Suche – vom Brunnenmarkt bis in die Lugner-City, vom Pflegeheim bis in die Schule, zu den Fiakern und den Würstlern. Und alles dazwischen.

Wir möchten aber auch wissen, was Sie über Wien denken. Was finden Sie gut, was verbesserungswürdig? Teilen Sie es uns mit. 

Zusammenfassung
  • Die Lugner City im 15. Wiener Bezirk ist ein multikultureller Treffpunkt und gleichzeitig Schauplatz für FPÖ-Veranstaltungen.
  • Richard Lugner, der verstorbene Gründer der Lugner City, war bekannt für seine schillernde Persönlichkeit und seine erfolglosen politischen Ambitionen.
  • Jacqueline Lugner, Tochter des Gründers, ist mit FPÖ-Politiker Leo Lugner verheiratet, der bei der Wien-Wahl auf Listenplatz 17 kandidiert.
  • Im Rahmen der Serie "Wie wählt Wien" hat sich PULS 24 im Einkaufszentrum umgehört.
  • Viele Besucher der Lugner City fühlen sich von der Politik enttäuscht und nicht von den etablierten Parteien vertreten.