APA/HELMUT FOHRINGER

Widerstand aus Wien: Radfahrer dürfen doch nicht immer gegen Einbahn fahren

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Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungssitzung am Mittwoch die umfassende 33. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf den Weg gebracht. Radfahrer dürfen nicht, wie ursprünglich angekündigt, gegen die Einbahn fahren.

Vor zwei Wochen endete die Begutachtungsfrist, nun soll mit der im Ministerrat abgesegneten Neufassung Radfahren und Zufußgehen sicherer und attraktiver werden. Doch zwei Maßnahmen, darunter das generelle Radfahren gegen die Einbahn, scheiterten am Widerstands der Stadt Wien. Kommen soll aber etwa Rechtsabbiegen bei Rot für Radler.

Widerstand aus Wien

Inkrafttreten sollen die Änderungen am 1. Oktober. Die Begutachtungsfrist endete am 1. Juni, mehr als 110 teils kritische Stellungnahmen waren eingegangen. Zwei wesentliche Maßnahmen wurden nun aufgrund des Widerstands der Stadt Wien aus der Novelle gestrichen. Nicht umgesetzt wird die im Begutachtungsentwurf noch vorgesehene Neuregelung, die das Befahren einer Einbahnstraße mit einem Fahrrad gegen die Einbahnstraße deutlich erleichtert hätte. Die nun gefallene Regelung hätte vorgesehen, dass die jeweilige Behörde die Einbahnen verpflichtend für den Radverkehr öffnen und beschildern müssten, wenn diese ohne Parkplätze mindestens vier Meter breit sind und maximal Tempo 30 gilt.

Kein größeres Halteverbot um Kreuzungen

Ebenfalls weggefallen ist der Plan, dass der Halteverbotsbereich rund um Kreuzungen von fünf auf acht Meter ausgeweitet wird ("Acht-Meter-Schnittpunkt-Regelung"). Dass die Umsetzung der für die Verkehrssicherheit von Kindern so wichtige Ausweitung des Halte- und Parkverbots vor Schutzwegen verhindert wurde, ist für die Mobilitätsorganisation VCÖ unverständlich, kritisierte der Club in einer Aussendung. Der VCÖ sieht in der 33. Novelle "lediglich einen ersten Schritt" zur Verbesserung des Rad- und Fußgängerverkehrs, "dem weitere folgen müssen".

Den Widerstand gegen die beiden Punkte bestätigte Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Pressefoyer nach der Regierungssitzung. Die Stadt Wien habe den sogenannten "Konsultationsmechanismus" genutzt, "um Einwände gegen zwei Maßnahmen zu formulieren", sagte sie. Da dieser Mechanismus die gesamte Novelle aufhalten könnte, habe sie sich "schweren Herzens" dazu entschlossen, die Novelle in der nun vorliegenden Form einzubringen.

Was die Novelle bringt

Das Paket bezeichnete sie insgesamt als "sehr wichtiges Thema". Große Teile der StVO würden aus den 1960er-Jahren stammen, es sei wichtig, dem geänderten Mobilitätsverhalten, - insbesondere der Radfahrer, aber auch der Fußgänger - Rechnung zu tragen. Die Novelle sieht vor, dass künftig beim Radverkehr unter anderem Rechtsabbiegen bei Rot bei einem grünen Zusatzschild ebenso erlaubt wird wie geradeausfahren bei T-Kreuzungen. In jedem Fall muss man dabei vor der Weiterfahrt kurz anhalten.

Ebenfalls möglich sein wird künftig das Nebeneinanderfahren von Fahrradfahrern im gemischten Verkehr unter bestimmten Voraussetzungen: So wird das Nebeneinanderfahren neben einem Kind unter zwölf Jahren immer gestattet, die Ausnahme bilden Schienenstraßen. In 30 km/h-Zonen dürfen dies nun alle Radfahrer, sofern es sich nicht um eine Vorrangs- oder Schienenstraße handelt und der Verkehrsfluss nicht behindert wird. Bisher war das Nebeneinanderfahren für Radfahrer laut StVO nur auf Radwegen, in Fahrradstraßen, in Wohnstraßen und in Begegnungszonen erlaubt. Auf sonstigen Straßen mit öffentlichem Verkehr durfte bisher nur bei Trainingsfahrten mit Rennfahrrädern nebeneinander gefahren werden.

Festgelegt wird mit der Novelle auch ein "Mindestabstand beim Überholen eines Radfahrers": Außerhalb des Ortsgebietes sind dann mindestens zwei Meter Abstand notwendig, innerorts reichen 1,5 Meter. Fährt man weniger als 30 km/h, kann der Seitenabstand allerdings reduziert werden.

Abgeschwächtes "Schräg-Park-Verbot"

In nur abgeschwächter Form kommt das im Entwurf noch vorgesehene "Schrägpark-Verbot". Künftig soll auch weiterhin ein Hineinragen des Fahrzeuges auf den Gehsteig im geringfügigen Ausmaß möglich sein - abhängig von der Gesamtbreite des betroffenen Gehsteigs. Allerdings müssen eineinhalb Meter am Gehsteig mindestens frei bleiben. Als geringfügig gilt etwa ein Seitenspiegel oder die Stoßstange. Das Hineinragen von Fahrzeugen in Rad- oder Fußgängerwege soll nunmehr generell verboten werden.

Auch die Fußgänger-Sicherheit soll mit der Novelle erhöht werden: Im Haltestellenbereich müssen Fahrzeuge rechts von öffentlichen Verkehrsmitteln ausnahmslos stehenbleiben, solange Fahrgäste ein- und aussteigen. Kommen werden auch fußgängerfreundlichere Ampelschaltungen mit schnelleren und längeren Grünphasen sowie ein Hinderungs- und Gefährdungsverbot auf Gehsteigen.

Neue Regeln für Fußgänger

Neu geregelt und klargestellt wird zudem, dass Fußgänger am Gehsteig immer Vorrang haben: "Bei Ein- und Ausfahrten von Garagen oder Parkplätzen dürfen sich Autofahrerinnen und Autofahrer nicht mehr vordrängeln. Dabei kam es immer wieder zu Gefahrensituationen für Fußgängerinnen und Fußgänger und ganz besonders für Kinder", sagte der Verkehrssprecher der Grünen, Hermann Weratschnig. Klargestellt wird mit der Novelle ebenso, dass Gehsteige oder Gehwege nur benützt werden müssen, wenn das zumutbar ist, also ohne Stolperfallen, Schmutz oder Glatteis.

Wer eine Straße überquert, soll auch weiterhin den Schutzweg benützen. Die Schutzweg-Benützungspflicht wiederum fällt. Diese hat bisher besagt, dass der Zebrastreifen zwingend verwendet werden muss, wenn einer im Umkreis von 25 Metern vorhanden ist. Ausgenommen sind Kreuzungen, die durch eine Ampel geregelt sind. Wenn es die Verkehrslage zweifellos zulässt und der Fahrzeugverkehr nicht behindert wird, muss künftig kein Umweg mehr über den Schutzweg gemacht werden.

Auch wird den Behörden die Einrichtung von "Schulstraßen" in der unmittelbaren Umgebung von Schulgebäuden via Verordnung ermöglicht. In Schulstraßen ist das Gehen auf der Fahrbahn gestattet, der Fahrzeugverkehr verboten. Ausgenommen vom Fahrverbot sind laut Entwurf der Fahrradverkehr, Krankentransporte und Schülertransporte. Erlaubt ist die Befahrung u.a. auch mit Fahrzeugen des Straßendienstes, der Müllabfuhr, des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Feuerwehr; auch Öffis und Anrainerverkehr sind gestattet.

Bäume werden vor Salz geschützt

Auch eine bisher eher unbeachtete Stelle wurde in der Novelle nun berücksichtigt: Der Winterdienst muss künftig dafür sorgen, dass Baumscheiben und Grünflächen von der Salzstreuung ausgenommen werden, damit die Bäume nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

"In Summe haben wir jetzt ein sehr gutes und rundes Paket, mit dem wir das Miteinander aller Verkehrsteilnehmer in den Vordergrund stellen und damit einen großen Beitrag zur allgemeinen Verkehrssicherheit leisten", bilanzierte ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger in einer Aussendung.

Im Herbst soll dann der dritte Teil des umfangreichen Straßenverkehr-Maßnahmenpakets folgen, der unter anderem auch die Beschlagnahmung von Raser-Fahrzeugen vorsieht. Das Verkehrsministerium plant, dass dieser Gesetzesentwurf Ende September in Begutachtung gehen wird.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Bundesregierung hat in ihrer Regierungssitzung am Mittwoch die umfassende 33. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf den Weg gebracht.
  • Zwei wesentliche Maßnahmen wurden nun aufgrund des Widerstands der Stadt Wien aus der Novelle gestrichen.
  • Nicht umgesetzt wird die im Begutachtungsentwurf noch vorgesehene Neuregelung, die das Befahren einer Einbahnstraße mit einem Fahrrad gegen die Einbahnstraße deutlich erleichtert hätte.
  • Ebenfalls weggefallen ist der Plan, dass der Halteverbotsbereich rund um Kreuzungen von fünf auf acht Meter ausgeweitet wird ("Acht-Meter-Schnittpunkt-Regelung").