APA/APA (Archiv/AFP)/OLI SCARFF

Viele Länder von Covid-Homeschooling überrumpelt

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Milliarden von Schülern haben in den vergangenen Monaten wegen der Coronapandemie Fernunterricht erhalten. Das Gros der Länder wurde vom erzwungenen Umstieg auf digitales Lernen aber überrumpelt, schreibt die OECD in einer am Dienstag veröffentlichten Sonderauswertung zur PISA-Studie 2018. "Die Covid-19-Krise ist zu einem Zeitpunkt aufgetreten, als die meisten Bildungssysteme nicht darauf vorbereitet waren, das Beste aus dem Potenzial digitaler Technologien zu machen."

Zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Frühjahr 2018 besuchte im OECD-Schnitt etwa nur die Hälfte der 15-Jährigen eine Schule, an der es eine effiziente digitale Lernplattform gab. In Österreich waren es damals zwei Drittel. Knapp ein Drittel der Jugendlichen hatte hierzulande laut Direktoren an ihrer Schule außerdem zu langsames Internet und zu wenig digitale Lehrmittel. Immerhin 83 Prozent der 15-Jährigen besuchten eine Schule, an der die Lehrer die notwendigen technischen oder pädagogischen Kompetenzen für digitales Unterrichten hatten. Im OECD-Schnitt haben das nur zwei Drittel angegeben.

Als problematisch wertet die OECD, dass innerhalb der einzelnen Länder Brennpunktschulen vielfach schlechter ausgestattet waren, obwohl benachteiligte Schüler ohnehin schon seltener über einen ruhigen Platz zum Lernen, einen Computer oder schnelles Internet verfügen. Lehrer von Brennpunktschulen hatten laut der für die PISA-Studie durchgeführten Schulleiterbefragung auch seltener die Möglichkeit zu Weiterbildung im Bereich digitales Unterrichten.

Länder, in denen auch Brennpunktschulen gut mit digitalen Endgeräten und Internetzugang ausgestattet waren, haben bei PISA 2018 hingegen besonders gut abgeschnitten bzw. haben dort die Schüler unabhängig von ihrem familiären Hintergrund gute Ergebnisse geliefert.

Insgesamt gab es bei der Ausstattung der Schulen allerdings oft noch Verbesserungsbedarf: Im OECD-Schnitt besuchten drei von zehn Jugendlichen eine Schule, in der es zu wenige Lehrer oder Unterstützungspersonal gab. In Österreich war das laut Direktoren bei zwölf Prozent (Lehrermangel) bzw. sogar bei 66 Prozent (Mangel an Unterstützungspersonal) der Fall. Außerdem besuchten drei von zehn Jugendlichen eine Schule, in der es zu wenig oder mangelhaftes Lernmaterial wie Schulbücher oder Labormaterial gab.

Auch einen geringen Anteil an Privatschulen hat die OECD als Erfolgsfaktor ausgemacht. In Österreich waren 2018 rund 88 Prozent der Schulen öffentlich, im OECD-Schnitt waren es mit 82 Prozent etwas weniger. Mehr Punkte bei PISA erreichten zudem Schüler in allgemeinbildenden Schulen. In Österreich besuchen über 70 Prozent der 15-Jährigen berufsbildende Schulzweige, die jedoch umgekehrt auch als einer der Gründe für die traditionell geringe Jugendarbeitslosigkeit gelten. Bildungssysteme lieferten außerdem bei PISA umso bessere Ergebnisse, je mehr Lehrer eine volle Qualifikation vorwiesen und je mehr Schüler in ihrer Kindheit für mindestens drei Jahre einen Kindergarten besucht haben.

Bildungsministerium und Opposition nahmen die Ergebnisse recht unterschiedlich auf. Ressortchef Heinz Faßmann (ÖVP) sieht die Daten als Beleg dafür, dass Österreichs Schulen digital bereits gut aufgestellt seien. Für die SPÖ grenzt dies an Realitätsverweigerung, die NEOS beklagen jahrelange Versäumnisse.

In Österreich stünden jedem Schüler der zehnten Schulstufe im Schnitt 1,3 Computer für Unterrichtszwecke zur Verfügung. Im Schnitt der OECD-Länder seien es nur 0,8, zitiert das Bildungsministerium aus der Sonderauswertung. Die heimischen Schulen seien also "gut ausgestattet". Um die Digitalisierung weiter voranzutreiben, sollen 2021 alle Schüler der fünften und sechsten Schulstufe mit digitalen Endgeräten ausgestattet werden.

Für die SPÖ hat der Bildungsminister hingegen zweieinhalb Jahre Digitalisierung "verschlafen", wie seine Amtsvorgängerin und nunmehrige SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid kritisiert. Er habe mit seinem Amtsantritt Ende 2017 ihre bestehenden Digitalisierungskonzepte gestoppt, während der Coronakrise sei "wenig weitergegangen". "Wir können nicht noch ein weiteres Jahr warten, um die Schulen mit digitalen Endgeräten auszustatten." Damit die Bildung von Kindern weniger davon abhänge, ob ihre Eltern sie unterstützen, müsse zudem die Ganztagsschule flächendeckend ausgebaut werden.

"Es braucht mehr Digitalisierung an unseren Schulen und bessere Unterstützung für Brennpunktschulen", schließt NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre aus der PISA-Sonderauswertung. Die Umstellung auf Fernunterricht während des Lockdown habe Eltern, Schüler und Lehrer überfordert, viele Kinder aus bildungsfernen Familien hätten dem Unterricht nur schwer folgen können. "Wenn wir wollen, dass kein Kind zurückgelassen wird, dann müssen wir bei der Digitalisierung noch einiges aufholen." Außerdem fordert sie, dass schon 2020/21 das von der Regierung angekündigte Pilotprojekt "Chancenindex" starten müsse, bei dem Brennpunktschulen mehr Geld bekommen.

ribbon Zusammenfassung
  • Milliarden von Schülern haben in den vergangenen Monaten wegen der Coronapandemie Fernunterricht erhalten.
  • Das Gros der Länder wurde vom erzwungenen Umstieg auf digitales Lernen aber überrumpelt, schreibt die OECD in einer am Dienstag veröffentlichten Sonderauswertung zur PISA-Studie 2018.
  • In Österreich waren 2018 rund 88 Prozent der Schulen öffentlich, im OECD-Schnitt waren es mit 82 Prozent etwas weniger.