Ukrainisches Militär: Lage um Bachmut extrem angespannt

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Die Lage rings um Bachmut im Osten der Ukraine ist nach Einschätzung des ukrainischen Militärs "extrem angespannt". Russische Wagner-Söldner versuchten, die Stadt einzukesseln, teilte der Kommandant der Bodentruppen, Olexandr Syrskji, am Dienstag mit.

"Ungeachtet spürbarer Verluste wirft der Feind die am besten vorbereiteten Einheiten der Wagner-Söldner in den Angriff", sagte der Generaloberst Syrskji am Dienstag nach Angaben der Armee.

Die Söldner bemühen sich seit Monaten in einem erbitterten Kampf, die strategisch wichtige Stadt einzunehmen. Auch das reguläre russische Militär ist vorgerückt. Die russischen Truppen versuchen, die ukrainischen Soldaten in Bachmut von der Versorgung abzuschneiden. So sollen sie zum Abzug oder zur Aufgabe gezwungen werden.

In Bachmut, das vor dem Krieg rund 70.000 Menschen zählte, harren noch immer rund 5.000 Zivilistinnen und Zivilisten aus. Die Einnahme der Stadt wäre der erste größere Erfolg der Invasionstruppen seit mehr als einem halben Jahr und würde den Weg öffnen, die übrigen städtischen Zentren im Donbass unter russische Kontrolle zu bringen. Der industriell geprägte Donbass im Osten der Ukraine besteht aus den Regionen Donezk und Luhansk.

Russland verstärkte Streitkräfte

Das ukrainische Militär teilte mit, Russland habe seine Streitkräfte im Gebiet um Bachmut verstärkt und beschieße rund um die Stadt gelegene Siedlungen. "Am vergangenen Tag haben unsere Soldaten mehr als 60 feindliche Angriffe abgewehrt", teilte es am Dienstagmorgen in Bezug auf Bachmut und Umgebung mit. Russische Angriffe auf die Dörfer Jahidne und Berchiwka an den nördlichen Zugängen zu Bachmut seien zurückgestoßen worden.

In der Nacht hatte bereits Präsident Wolodymyr Selenskyj und die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar von einer "schwierigen Situation" an der Front gesprochen. Die russische Armee greife insbesondere bei Bachmut intensiver an, so Maljar. "Der Feind setzt bei seinen Offensivaktionen auf die Taktik der Zermürbung und der totalen Zerstörung", schrieb sie im Nachrichtendienst Telegram. Die ukrainischen Einheiten betrieben trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit "aktive Verteidigung".

"In Richtung Bachmut wird die Situation immer komplizierter", sagte auch Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Er verknüpfte damit die Bitte um mehr Waffenlieferungen, auch für eine bessere Flugabwehr einschließlich Kampfflugzeugen. "Der Feind zerstört ständig alles, was zur Verteidigung unserer Stellungen, zu ihrer Befestigung und Verteidigung dienen kann", sagte Selenskyj über die Kämpfe in Bachmut.

Der ukrainische Militärexperte Oleh Schdanow sagte, die russischen Truppen hätten einen Keil zwischen diese Dörfer getrieben. Zugleich bemühten sie sich, die Straße nach Westen Richtung Tschasiw Jar abzuschneiden. "Der südliche Teil von Bachmut ist das einzige Gebiet, das als unter ukrainischer Kontrolle stehend bezeichnet werden kann. In allen anderen Gebieten ist die Situation unvorhersehbar", sagte Schdanow. "Es ist unmöglich zu sagen, wo die Frontlinie verläuft."

Wetter erschwert Situation

Zudem herrscht Tauwetter - Rasputiza, wie die Ukrainer sagen. Die Straßen werden zu Schlammpisten. Flüsse und Felder verwandeln sich in Sümpfe. "Beide Seiten bleiben in ihren Stellungen", sagte Mykola, der Kommandant einer ukrainischen Raketenwerferbatterie an der Front, einem Reuters-Reporter. "Frühling bedeutet Schlamm. Daher ist es unmöglich, sich vorwärts zu bewegen." Und so sind etliche Militärfahrzeuge zu sehen, die stecken geblieben sind.

Während sich russische und ukrainische Truppen einen Abnutzungskampf liefern, laufen diplomatische Bemühungen um ein Ende des Krieges und eine weitere Isolierung Russlands, das seine Invasion vor einem Jahr begonnen hat. Am Dienstag traf US-Außenminister Antony Blinken in der kasachischen Hauptstadt Astana ein, um mit seinen Amtskollegen aus Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Turkmenistan zu beraten. Die fünf früheren Sowjetrepubliken sollen ermutigt werden, sich von Russland zu emanzipieren. Die Regierung in Moskau bemüht sich zugleich um die dortigen Märkte und Handelsrouten, auch um westliche Sanktionen zu umgehen.

USA betonen gute Beziehung zu Kasachstan

Blinken traf zudem mit dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew zusammen, dessen Land im Norden eine über 7.600 Kilometer lange Grenze mit Russland teilt und auch wegen seines Ölreichtums als Handelspartner begehrt ist. "Wir haben sehr gute und zuverlässige langfristige Partnerschaften in so vielen strategisch wichtigen Bereichen wie Sicherheit, Energie, Handel und Investitionen aufgebaut", sagte Tokajew.

Blinken hatte zuvor dem kasachischen Außenminister Muchtar Tileuberdi gesagt, die US-Regierung unterstütze die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität Kasachstans. "Manchmal sagen wir diese Worte einfach, aber sie haben tatsächlich eine echte Bedeutung, und natürlich wissen wir, dass sie in dieser besonderen Zeit noch mehr Resonanz haben als sonst", sagte Blinken mit Blick auf Russlands Invasion der Ukraine, die wie Kasachstan 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt hat.

Drohnenangriffe auf russische Regionen

Unterdessen gab es am Dienstag Berichte über angebliche ukrainische Drohnenangriffe auf zwei russische Regionen. Die Angriffe seien jedoch abgewehrt worden, teilt dass russische Verteidigungsministerium mit. Schaden hätte es in den Regionen Krasnodar und Adigea nicht gegeben. In sozialen Medien wurde dagegen ein Brand auf dem Gelände einer Ölraffinerie in der südrussischen Stadt Tuapse auf Drohnenangriffe zurückgeführt.

Nach Angaben der örtlichen Behörden breitete sich dass Feuer in der Nacht zum Dienstag zwischenzeitlich auf 200 Quadratmeter aus und sei mittlerweile gelöscht. Auf Videos waren Rauchsäulen am Himmel zu sehen. Bewohner berichteten von Explosionen. Gründe für den Brand wurden offiziell nicht genannt.

Auch die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete unter Berufung auf Rettungsdienste, dass in der Nähe der Raffinerie eine Drohne gesichtet worden sei. Im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine, der bereits seit mehr als einem Jahr dauert, gibt es immer wieder Berichte über Gegenangriffe.

ribbon Zusammenfassung
  • Russische Wagner-Söldner versuchten, die Stadt einzukesseln, teilte der Kommandant der Bodentruppen, Olexandr Syrskji, am Dienstag mit.
  • "Ungeachtet spürbarer Verluste wirft der Feind die am besten vorbereiteten Einheiten der Wagner-Söldner in den Angriff", sagte der Generaloberst am Dienstag nach Angaben der Armee.
  • Unterdessen gab es am Dienstag Berichte über angebliche ukrainische Drohnenangriffe auf zwei russische Regionen.

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