Schlepper in Wien nach Katastrophe im Mittelmeer verurteilt
Auch das qualvolle Ableben der Ertrunkenen wurde dem 27-Jährigen nicht zugerechnet. Für das Gericht bestand jedoch kein Zweifel, dass der Mann in die Organisation der todbringenden Schlepperfahrt eingebunden war und Kontakt zu Landsleuten hatte, die für ihre Angehörigen für deren Überfahrt von Libyen nach Europa bezahlt hatten. Zusätzlich war er an zwei weiteren Schleppungen beteiligt. Die über ihn verhängte Strafe ist nicht rechtskräftig. Während Verteidiger Wissam Barbar das Urteil akzeptierte, gab der Staatsanwalt vorerst keine Erklärung ab.
Einem mitangeklagten zweiten Syrer war demgegenüber eine Beteiligung an der tödlichen Schlepperfahrt nicht nachweisbar. Der von Verteidiger Peter Philipp vertretene 29-Jährige wurde von zentralen Anklagefaktum freigesprochen. Für fünf weitere Fakten erhielt er - nicht rechtskräftig - acht Monate bedingt.
Gegenstand der Verhandlung war in erster Linie eine Tragödie, die sich im Sommer 2023 im Mittelmeer ereignet hatte. 750 Menschen befanden sich auf einem Fischerkutter, der in Libyen aufgebrochen war und am 14. Juni 2023 vor der griechischen Küste sank. Von den Passagieren überlebten nur 104 das Unglück. Bei den Überlebenden handelte es sich ausschließlich um Männer. Sämtliche Frauen und Kinder an Bord dürften im Nass ertrunken sein. Nur 79 Leichen konnten von der griechischen Küstenwache geborgen werden.
Die beiden Angeklagten sollen einer länderübergreifenden kriminellen Vereinigung angehört haben, die darauf angelegt war, syrischen Staatsangehörigen die illegale Einreise in die EU zu ermöglichen. In Bezug auf das Schiffsunglück soll der Jüngere fünf Landsleuten einen Platz auf dem Kutter verschafft haben. Für einen jungen Syrer, der vom Libanon aus über Libyen nach Europa wollte, hatte sein in Wien lebender Onkel 21.000 Euro ausgelegt. Das Geld soll an übergeordnete Mitglieder der kriminellen Organisation weitergeleitet worden sein.
Geschleppte "in qualvollen Zustand versetzt"
Laut Anklage wurden die Geschleppten "während der Beförderung längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt". Bevor es an Bord ging, wurden die Menschen mehrere Tage in einem Stall in der libyschen Wüste untergebracht, wo es weder Nahrung noch Wasser gab. Auf dem Fischerkutter soll es während der tagelangen Überfahrt weder Wasser noch Essen gegeben haben. Die Geflüchteten konnten auch nicht schlafen, "da sie das Boot für Lenkungsmanöver mangels Ruder mit ihrem eigenen Körpergewicht ausbalancieren mussten", so die Anklage.
Letztlich kippte der mit Menschen völlig überfüllte Kutter. Von den fünf Menschen, für deren Schicksal der in erster Instanz schuldig erkannte 27-Jährige mitverantwortlich war, überlebte einer.
Zusammenfassung
- Ein 27-jähriger Syrer wurde am Wiener Landesgericht zu 34 Monaten Haft verurteilt, weil er an der Organisation einer tödlichen Schlepperfahrt beteiligt war, bei der im Juni 2023 vor der griechischen Küste von 750 Geflüchteten nur 104 überlebten.
- Dem Angeklagten wurde zugutegehalten, nichts von den lebensgefährlichen Umständen gewusst zu haben, dennoch war er laut Gericht für die Schleppung von fünf Personen mitverantwortlich, von denen nur einer überlebte.
- Für einen Platz auf dem überfüllten Kutter wurden bis zu 21.000 Euro bezahlt, das Urteil ist nicht rechtskräftig und ein zweiter Angeklagter wurde vom Hauptvorwurf freigesprochen, erhielt aber acht Monate bedingt für andere Delikte.