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Scharfe Kritik an AKW-Beschuss - Nehammer will Schutzzone

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Der russische Beschuss des ostukrainischen AKW Saporischschja ist am Freitag scharf verurteilt worden. Deutschland und Frankreich gehen von einem gezielten Angriff aus. Die USA sahen dafür keine Beweise. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach am Freitag von "Rücksichtslosigkeit". Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) forderte Russland auf, Schutzzonen um AKW zu achten. Der UNO-Sicherheitsrat beriet am Freitag darüber.

Nehammer appellierte an Russland, "maßgeblich darauf zu achten, dass es zu keinen Kampfhandlungen in der Nähe von Atomkraftwerken kommt". Die russische Armee und Präsident Wladimir Putin würden im wahrsten Sinn "mit dem Feuer spielen", sagte Nehammer am Freitag nach einem gemeinsamen Lagebriefing mit Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) in der Strahlenschutzabteilung des Klimaschutzministeriums in Wien. Gewessler nannte den Beschuss einen "inakzeptablen Akt", betonte aber auch, dass für "Österreich keine Gefahr besteht".

Frankreich will mit seinen wichtigsten Partnern Maßnahmen vorschlagen, die die Sicherheit und den Schutz der fünf wichtigsten Atomanlagen der Ukraine gewährleisten sollen. Die Maßnahmen auf Grundlage technischer Kriterien der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sollen in den nächsten Stunden vorgelegt werden, teilte der Élyséepalast in Paris am Freitagabend mit. Russland und die Ukraine müssten auf dieser Grundlage eine Einigung erzielen und gemeinsam die Umsetzung der grundlegenden Prinzipien für die Wahrung der Sicherheit und Sicherung der Nuklearanlagen im aktuellen Kontext gewährleisten, hieß es.

Der UNO-Sicherheitsrat war auf Antrag Norwegens und weiterer westlicher Staaten zu Beratungen zusammengekommen. "Bewaffnete Angriffe auf friedliche Nuklearanlagen sind eine Verletzung des Völkerrechts", hieß es in einer Mitteilung Norwegens. Scharf äußerte sich die UNO-Vetomacht USA. "Es ist ein Kriegsverbrechen, ein Atomkraftwerk anzugreifen", teilte die US-Botschaft für die Ukraine mit.

Die Kämpfe bei Saporischschja hätten zu einem Desaster führen können, sagt die US-amerikanische UNO-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield am Freitag bei der Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates in New York. "Durch die Gnade Gottes ist die Welt letzte Nacht nur knapp einer nuklearen Katastrophe entgangen." Sie machte Russland für den Angriff verantwortlich. "Es war unglaublich rücksichtslos und gefährlich und bedrohte die Sicherheit von Zivilisten in ganz Russland, der Ukraine und Europa."

"Angriffe auf Atomkraftwerke stehen im Widerspruch zum humanitären Völkerrecht", sagte die UNO-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo. Sie bekräftigte erneut, dass Russlands Krieg in der Ukraine gegen die UNO-Charta verstoße. "Die Kämpfe in der Ukraine müssen aufhören, und zwar jetzt."

Der ukrainische UNO-Botschafter warf Russland "nuklearen Terrorismus" vor. "Russland hat vorsätzlich einen bewaffneten Angriff auf den Kernkraftwerksstandort und Aktionen unternommen, die gegen alle internationalen Vereinbarungen innerhalb der Internationale Atomenergiebehörde verstoßen", sagte Serhij Kyslyzja.

"Dies ist das erste Mal, dass ein Staat ein (mit Brennstäben) bestücktes und funktionierendes Atomkraftwerk angegriffen hat. Und es ist eindeutig durch das Völkerrecht und die Genfer Konventionen verboten", sagte die britische UNO-Botschafterin Barbara Woodward am Freitag vor der Dringlichkeitssitzung in New York. Der französische UNO-Botschafter Nicolas de Rivière sagte, der Vorfall "impliziert einen Angriff" auf das Atomkraftwerk.

Russland dagegen machte die Ukraine verantwortlich. Nach Darstellung des russischen UNO-Botschafters Wassili Nebensja sei eine russische Einheit von einer "ukrainischen Sabotagegruppe" von einem Trainingskomplex auf dem Gelände des Atomkraftwerkes aus angegriffen worden. Die russischen Soldaten hätten die Schüsse erwidert. "Als die ukrainische Sabotagegruppe die Ausbildungsstätte verließ, steckte sie sie in Brand", sagte Nebensja am Freitag in New York.

Nach der Einnahme des AKW nahe der Großstadt Saporischschja durch russische Truppen war in der Nacht auf Freitag auf dem Gelände ein Brand ausgebrochen, laut ukrainischem Innenministerium im Gebäude des Trainingskomplexes. Es wurde am Morgen gelöscht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem gezielten Beschuss der Reaktorblöcke durch russische Panzer. Das Verteidigungsministerium in Moskau sprach hingegen von einer "Provokation des Kiewer Regimes in der Nuklearanlage", die Russland in die Schuhe geschoben werden solle.

Die USA haben einer hochrangigen Nuklearexpertin zufolge keine Beweise gesehen, dass Russland die Kernreaktoren in dem AKW angegriffen hat. Außerdem sehe es so aus, als ob Kleinwaffen im Kampf verwendet worden seien, sagt die Leiterin der Nationalen Verwaltung für Nukleare Sicherheit der USA, Jill Hruby, dem Sender MSNBC im Interview. Die Regierung unter Präsident Joe Biden fühle sich gut vorbereitet auf alle möglichen Szenarien, die auch einen Austritt von Strahlung aus dem angegriffenen Mailer in Saporischschja umfassten.

IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi sagte in Wien, dass er persönlich für Sicherheitsgespräche in die Ukraine reisen wolle. "Ich bin bereit zu kommen", sagte Grossi bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz. Grossi schlug Tschernobyl als Ort für russisch-ukrainische Verhandlungen über Sicherheitsgarantien für Atomkraftwerke vor. "Für uns als IAEA ist es Zeit zu handeln, wir müssen etwas tun", sagte der Argentinier.

EU-Energiekommissarin Kadri Simson nannte das russische Vorgehen "völlig inakzeptabel". "Militärische Aktionen gegen Nuklearanlagen verstoßen gegen internationales Recht und können katastrophale Konsequenzen haben", schrieb sie auf Twitter. Zugleich versicherte sie, dass Arbeiten für die geplante Ankopplung des ukrainischen Stromnetzwerks an das europäische voranschritten. Damit würde eine etwaige Abschaltung der ukrainischen AKW durch die russischen Invasoren ins Leere laufen.

Der deutsche Oppositionsführer Friedrich Merz brachte einen gezielten NATO-Eingriff in den Ukraine-Krieg ins Spiel, wenn es gezielte russische Angriffe auf Atomkraftwerke geben solle. "Es kann eine Situation geben, in der dann auch die NATO Entscheidungen treffen muss, Putin zu stoppen", sagte der CDU-Chef am Freitag dem Radiosender NDR Info.

Der litauische Präsident Gitanas Nauseda bezichtigte Russland des "Nuklearterrorismus" und forderte "eine sofortige internationale Reaktion" darauf. Als "höchst unverantwortliche Tat, die bei einem Austritt von Radioaktivität Millionen Menschen bedrohen würde", verurteilte das tschechische Außenministerium das Vorgehen Russlands. "Sie sind verrückt geworden!", schrieb die sonst zurückhaltende Leiterin der tschechischen Strahlenschutzbehörde, die Atomphysikerin Dana Drabova, auf Twitter.

Selenskyj betonte, dass nur eine Flugverbotszone Russland davon abhalten werde, Atomanlagen zu bombardieren. Präsident Selenskyj empörte sich in einer Videobotschaft, dass kein anderes Land so etwas jemals getan habe. "Der Terroristen-Staat verlegt sich jetzt auf Nuklear-Terror", kritisierte er. Selenskyj rief die russischen Bürger zu Protesten auf. "Ihr müsst auf die Straßen gehen und sagen, dass ihr leben wollt, dass ihr in einer Welt ohne radioaktive Verseuchung leben wollt", sagte er am Freitag in einer TV-Ansprache. Strahlung kenne keine Grenzen.

Der Völkerrechtler Michael Lysander Fremuth betonte, dass ein Angriff auf Atomkraftwerke wegen der damit verbundenen erheblichen Gefahren "strikt verboten" sei. Dies gelte selbst dann, "wenn es sich um ein militärisches Ziel handeln sollte", verwies er in einer Expertise auf das erste Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen.

Der AKW-Experte Michael Seiler warnte, dass es auch bei einem stabilen Betrieb des Reaktorbetriebs nukleare Gefahren geben könnte. Im "Handelsblatt" verwies er auf die großen Lager für abgebrannte Brennelemente, die in Saporischschja in unmittelbarer Nähe der Reaktoren stünden. Die Brennstäbe müssten permanent gekühlt werden. Sollte die Kühlung ausfallen, ließe es sich "kaum mehr vermeiden, dass es nach wenigen Tagen zu einer massiven Freisetzung von Radioaktivität käme", so Seiler.

Die Umweltorganisation "Global 2000" verwies auf die großen Mengen des Atommülls, der auf dem AKW-Gelände "direkt unter freiem Himmel" gelagert werde. "Niemand mag sich vorstellen, wenn gezielt oder ungeplant hier panzerbrechende Raketen einschlagen", hieß es am Freitag in einer Aussendung. Alarmiert zeigte sich auch Greenpeace. "Putins Invasion setzt die Gesundheit der Menschen in Europa aufs Spiel. Ein Atomkraftwerk zu beschießen ist unverantwortlicher Wahnsinn", betonte Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital am Freitag.

Nach dem Vorrücken russischer Truppen zu dem Atomkraftwerk war ein Feuer in einem Gebäude der Anlage ausgebrochen. In der Früh wurde es nach Angaben des ukrainischen Innenministeriums gelöscht. Gebrannt habe ein Trainingskomplex. Es sei keine erhöhte Radioaktivität gemessen worden, teilte die ukrainische Aufsichtsbehörde mit. Russische Truppen hätten das Kraftwerk besetzt. Russland äußerte sich zunächst nicht zu dem Vorfall.

ribbon Zusammenfassung
  • Der russische Beschuss des ostukrainischen AKW Saporischschja ist am Freitag scharf verurteilt worden.
  • Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) forderte Russland auf, Schutzzonen um AKW zu achten.
  • Es wurde am Morgen gelöscht.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einem gezielten Beschuss der Reaktorblöcke durch russische Panzer.
  • Selenskyj betonte, dass nur eine Flugverbotszone Russland davon abhalten werde, Atomanlagen zu bombardieren.