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Regierung einigte sich auf Kopftuchverbot in der Schule

Heute, 10:00 · Lesedauer 5 min

Die Dreierkoalition bringt wie angekündigt ein Kopftuchverbot für unmündige Mädchen an Schulen auf den Weg. Ein entsprechender Gesetzesentwurf geht am Mittwoch in Begutachtung, wie Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) nach dem Ministerrat ankündigte. Bis einschließlich der achten Schulstufe soll demnach das Tragen des Kopftuchs sowohl in öffentlichen als auch in privaten Schulen verboten werden. Protest kommt von der Islamischen Glaubensgemeinschaft.

"Das Kinderkopftuch schränkt die Sichtbarkeit und Freiheit von Mädchen ein, damit ist es ganz klar ein Zeichen von Unterdrückung", erklärte Plakolm im Pressefoyer. Begründet wird das Vorhaben, das auf das muslimische Kopftuch abzielt, von der Regierung mit dem Kindeswohl: "Unmündige minderjährige Mädchen sollen vor Segregation und Unterdrückung geschützt werden", heißt es im Ministerratsvortrag. Verboten ist laut dem Gesetzesentwurf "das Tragen eines Kopftuchs, welches das Haupt als Ausdruck ehrkultureller Verhaltenspflicht verhüllt", für Schülerinnen der Vorschulstufe und der ersten bis einschließlich achten Schulstufe - sowohl während des Unterrichts als auch bei schulbezogenen Veranstaltungen.

Bei Verstößen soll es ein abgestuftes System geben: Zunächst soll die Schulleitung das Gespräch mit der Schülerin suchen, zugleich wird ein Informationsschreiben an die Erziehungsberechtigten übermittelt. Fruchtet auch ein zweites Gespräch diesmal auch unter Einbeziehung der Eltern nicht, wird die Bildungsdirektion eingeschaltet. Im äußersten Fall sind Verwaltungsstrafen vorgesehen mit Geldbußen zwischen 150 und 1.000 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen.

Es ist bereits der zweite Anlauf für ein gesetzliches Kopftuchverbot. 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein 2019 von der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) beschlossenes Kopftuchverbot an den Volksschulen gekippt. Die Regelung ziele nur auf Muslime ab, was dem Gebot der religiösen Neutralität des Staates widerspreche, kritisierte der VfGH.

Begleitende Maßnahmen

Um den Bedenken des VfGH entgegenzutreten, werden nun auch begleitende Maßnahmen beschlossen, die auf die Stärkung von Mädchen abzielen, aber auch Eltern, Lehrkräfte, Burschen sowie die Islamische Glaubensgemeinschaft aktiv einbinden sollen. So ist etwa eine zielgerichtete Burschen- und Männerarbeit geplant, um Bewusstsein für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung zu schaffen. Verwiesen wird zudem auf eine Studie aus Frankreich, wonach ein dort 1994 eingeführtes Verbot nicht zum Rückzug muslimischer Mädchen aus dem Bildungssystem geführt hat, sondern zu einer Verbesserung ihrer schulischen Leistungen und eine integrationsfördernde Wirkung zur Folge hatte.

Man habe sich bemüht, alle Bedenken des VfGH aufzugreifen, betonte NEOS-Klubobmann Yannik Shetty. Seit 2019, als die NEOS noch gegen das Kopftuchverbot gestimmt hatten, habe sich Österreich verändert. "Es ist leider keine Randerscheinung mehr", so Shetty. "Das Kopftuch ist kein neutrales Kleidungsstück", sondern sei ein Symbol der Frühsexualisierung und der Abwertung von Mädchen.

"Wir machen uns diese Debatte nicht leicht, weil natürlich geht es um Eingriffe in persönliche Freiheiten", meinte SPÖ-Klubobmann Philip Kucher. Es gehe darum, allen Kindern in Österreich die gleichen Chancen zu ermöglichen. Denn es gebe Druck auf Mädchen, meist von Vätern, Brüdern und Gleichaltrigen, das Kopftuch zu tragen, so Kucher.

Verankert werden soll das Kopftuchverbot durch eine Änderung des Schulunterrichts- und des Privatschulgesetzes. Vorgesehen ist eine sechswöchige Begutachtung. In Kraft treten soll das Gesetz nach dem Willen der Regierung mit dem zweiten Semester.

Verfassungsexperte skeptisch, Protest der IGGÖ

Skeptisch zeigte sich Verfassungsexperte Heinz Mayer. Er hält eine verfassungskonforme Umsetzung des Kopftuchverbots für schwierig, wie er am Rande einer Pressekonferenz erklärte. "Der VfGH hat 2020 sehr enge Grenzen gesetzt. Es geht um die Unterdrückung von Mädchen, und da hat der VfGH völlig richtig gesagt, warum setzt man nicht bei den Unterdrückern an? Warum setzt man bei den Mädchen an?" Geldstrafen von 1.000 Euro hält er für keine gute Idee. "Das Kopftuch ist ein Symbol, aber das (Verbot, Anm.) bekämpft ja nicht die Ursache."

Protest kam von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ). Das Kopftuchverbot verletze Grundrechte und spalte die Gesellschaft, kritisierte sie. Der VfGH habe unmissverständlich festgestellt, dass ein solches Verbot verfassungswidrig sei, da es gezielt eine religiöse Minderheit betrifft und den Gleichheitsgrundsatz verletzt. "Anstatt Kinder zu stärken, werden sie stigmatisiert und ausgegrenzt." Man werde die Verfassungskonformität prüfen lassen, bleibe gleichzeitig aber gesprächsbereit, so die IGGÖ.

Der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) lehnt das Kopftuchverbot als "Ultima Ratio" nicht ab. Denn "grundsätzlich" muss man sagen, dass "alle Zwänge, denen Kinder ausgesetzt sind, Entwicklungshemmer darstellen", und diese seien "inakzeptabel", erklärte Kimberger gegenüber der APA. Beim Kontakt und den Gesprächen mit den Eltern würden die Pädagogen bisweilen an ihre Grenzen stoßen. Diesfalls könne das Kopftuchverbot eine "Ultima Ratio" darstellen. Ablehnend zeigte sich Kimberger dazu, dass die Schulen dieses administrativ exekutieren müssen: "Das wird die Schul- bzw. die Bezirksverwaltungsbehörde machen müssen." Das müssten nun die folgenden Gespräche zeigen, sobald der "Entwurf auf dem Tisch" liegt.

FPÖ und Grüne unterstützen Verbot

Ungewöhnliche Unterstützung für die Regierungsmaßnahme kam von der Opposition. Das Kopftuchverbot für Unter-14-Jährige könne aber "nur ein allererster Schritt" sein, meinte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz und forderte ein generelles Kopftuchverbot an Schulen auch für ältere Schülerinnen, für Lehrerinnen und andere Betreuungspersonen sowie ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam. Dass Kinder gezwungen würden, ein Kopftuch zu tragen, sei mittlerweile ein echtes Problem in den Schulen, meinte indes die Grüne Vize-Klubobfrau Sigrid Maurer. "Es ist die Aufgabe der Politik, solchen Fehlentwicklungen entgegenzutreten und dafür stehen wir Grüne bereit." Ob der neue Vorschlag verfassungskonform sei, müssten nun Juristinnen und Juristen prüfen.

Eine klare Meinung dazu hat bereits die Bundesjugendvertretung (BJV). Das Gesetz diskriminiere trotz begleitendem Maßnahmenpaket muslimische Mädchen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit und widerspreche damit der UN-Kinderrechtskonvention, kritisierte die BJV.

Zusammenfassung
  • Die Regierung bringt ein Kopftuchverbot für unmündige Mädchen bis einschließlich der achten Schulstufe an öffentlichen und privaten Schulen auf den Weg.
  • Bei einem Verstoß gegen das Verbot drohen gestufte Maßnahmen bis zu Geldstrafen zwischen 150 und 1.000 Euro oder einer Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu 14 Tagen.
  • Begleitende Maßnahmen wie Burschen- und Männerarbeit sowie die Einbindung von Eltern, Lehrkräften und der Islamischen Glaubensgemeinschaft sind vorgesehen.
  • 2020 wurde ein ähnliches Kopftuchverbot vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, da es gezielt eine religiöse Minderheit betraf.
  • Sowohl Verfassungsexperten als auch die Islamische Glaubensgemeinschaft äußern rechtliche Bedenken und kündigen eine Prüfung der Verfassungskonformität an.