APA/HELMUT FOHRINGER

RH: Kurz-Regierung änderte Pläne zugunsten parteinaher Medien

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Hohe Kosten, mangelnde Wirtschaftlichkeit, fehlende Transparenz, Politwerbung: Der Rechnungshof hat in einem Bericht die Medienarbeit des Bundeskanzleramts, des Finanz- und des Klimaschutzministeriums der türkis-grünen Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) zerpflückt.

Über 108 Millionen Euro - so viel gaben die drei geprüften Ministerien von 2019 bis 2021 für ihre Medienarbeit aus. 

Trotz des hohen Mitteleinsatzes "war nicht ausreichend gewährleistet, dass die verfassungsrechtlich vorgegebenen Gebarungsgrundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit bei der Medienarbeit beachtet wurden", kritisiert der Rechnungshof in seinem neuen Bericht. Die Untersuchung betrifft das Bundeskanzleramts, das Finanz- und das Klimaschutzministeriums der türkis-grünen Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) - und die beiden Übergangsregierungen nach dem Ibiza-Skandal.

Zugunsten "parteinaher Medien"

Das Bundeskanzleramt und das Finanzministerium hätten außerdem Schaltpläne für Anzeigen zugunsten parteinaher Medien geändert. Zwar zogen die Ministerien spezialisierte Schaltagenturen heran, die von der Bundesbeschaffung GmbH beauftragt worden waren. Diese Agenturen erstellten Schaltpläne, in welchen Medien, in welchem Umfang und wann beziehungsweise wie lange eine Kampagne geschaltet wird. Doch laut Rechnungshof änderte das Bundeskanzleramt diese - unter Mitwirkung der Stabsstelle Medien - in mehreren Fällen ohne weitere Begründung auch zugunsten "parteinaher Medien".

Auch das Finanzministerium erweiterte mehrere von der Schaltagentur vorgeschlagene Schaltpläne. Es beauftragte zudem nachträgliche Buchungen in Magazinen, für die zunächst kein Budget vorgesehen worden war. Unter diesen Buchungen waren auch solche für parteinahe Medien. Eine Begründung dafür dokumentierte das Finanzministerium nicht.

Falter gestrichen, Volksblatt und Exxpress ergänzt

Der Rechnungshof führt auch Beispiele an: So wurde etwa einmal die Wochenzeitschrift "Falter" gestrichen und das "Oberösterreichisches Volksblatt" in den Schaltplan aufgenommen. Ein von der Agentur vorgeschlagener Schaltplan wurde mit dem Hinweis 'noch ohne dem besprochenen OÖ Volksblatt' dokumentiert; nachgereicht wurde der 'Kostenplan für die heute besprochene "Exxpress" Schaltung'. Zweimal sei die Bauernzeitung ergänzt worden, Schaltungen in "Presse" und "Standard" seien zugunsten "Krone" und "Heute" reduziert worden.

Das Finanzministerium erweiterte Schaltungen für parteinahe Medien wie "ab5zig" und "Wiraktiv"

Mangelnde Dokumentation

Die Rahmenvereinbarung der Bundesbeschaffung GmbH für die Schaltagenturen umfasste für den Zeitraum von April 2021 bis April 2025 ein Volumen von 180 Millionen Euro - mehr als das siebenfache Volumen als in der früheren Vereinbarung.  Eine "sachlich nachvollziehbare Grundlage" für diese Erhöhung fand der Rechnungshof nicht. 

Kritik hagelt es auch an Ausgaben in der Corona-Zeit. So fehlten etwa bei der Erstellung einer Broschüre mit Gesundheitsinformationen zu COVID-19 im Juli 2021 Teile der aktenmäßigen Dokumentation. Unter anderem war das E-Mail-Postfach der Stabsstelle laut Angaben des Bundeskanzleramts gelöscht worden. Die Stabsstelle Medien wurde Ende 2021 aufgelöst.

Kritik gibt es aber auch am grün geführten Klimaschutzministerium. Dieses hatte laut Bericht keine konsolidierten Aufzeichnungen zu den wesentlichen Aufwendungen für die Medienarbeit. Laut Prüfern war dies vor allem darauf zurückzuführen, dass sich in diesem Ministerium die Verantwortung für die operative Medienarbeit auf mehrere Organisationseinheiten aufteilte. So gab es keinen Gesamtüberblick über den Aufwand für die 71 betriebenen Websites. Für deren Entwicklung, Wartung, Betrieb und redaktionelle Betreuung wurden 36 externe Dienstleister eingesetzt.

Klare Strategie fehlt

In allen drei Ministerien fehlten laut Rechnungshof klare strategische Vorgaben für die Medienarbeit. Kommunikationsziele, Inhalte, Zielgruppen, Kommunikationskanäle und interne Rollen seien nicht festgelegt worden. Medienkooperationen wurden, teilweise auch bei Auftragswerten über 100.000 Euro, über Direktvergaben beauftragt. Der Bedarf und die Gründe für die Auswahl des jeweiligen Kooperationspartners waren nicht durchgängig dokumentiert.

Der Rechnungshof hält fest, dass "Medien in einer demokratischen Gesellschaf eine zentrale Rolle zukommt". Medienkampagnen und -Schaltungen sollten aber "keine Instrumente der Medienfnanzierung oder Politwerbung" sein. Die Auswahl der Medien sollte sich "ausschließlich an der für die Zielgruppe gebotenen Information zu orientieren". Dafür sei die Presseförderung zuständig, die "eine qualitative und auf journalistischer Sorgfalt beruhende Berichterstattung in den Mittelpunkt stellen" und "die Meinungsvielfalt und den sachlichen öffentlichen Diskurs" ermöglichen sollte. Die Presseförderung wurde in diesem Bericht aber nicht untersucht. 

Empfehlungen an die Ministerien

Der Rechnungshof erarbeitete nun Punkte, die die Ministerien umsetzten sollten, um eine bessere Medienarbiet zu gewehrleisten: 

  • Die Ministerien sollten eine Kommunikationsstrategie erarbeiten.
  • Sie sollten auch Arbeitsabläufe festlegen, um den grundsätzlichen Bedarf einer Medienkampagne und -kooperation und um das konkrete Informationsbedürfnis zu ermitteln.
  •  Sie sollten Kommunikationsziele und Zielgruppen sowie Arbeitsabläufe für Erfolgskontrollen definieren. Damit könnte man den Mittelaufwand argumentieren.

45 Millionen pro Jahr

Insgesamt gibt die Bundesregierung pro Jahr bis zu 45 Millionen Euro für Inserate aus. Im Vorjahr waren es von Jänner bis September 13,3 Millionen Euro, wie aus den von der APA ausgewerteten Transparenzdatenbank der RTR hervorgeht. Zum Vergleich: Die gesamten Inseratenausgaben der öffentlichen Hand - inklusive Länder und Staatsunternehmen - belaufen sich seit Einführung der Meldepflicht im Jahr 2012 auf 172 bis 225 Millionen Euro jährlich.

Öffentliche InserateAPA

Opposition übt Kritik

Kritik kam nach der Veröffentlichung des Berichts umgehend von der Opposition. Das festgestellte Ausmaß der Kosten sprenge neuerlich sämtliche bisherigen Vorstellungen, meinte SPÖ-Klubobmann Philip Kucher in einer Aussendung. Und: "Je schlechter die Arbeit der Bundesregierung, desto mehr Geld investiert sie in Eigenwerbung."

Die Freiheitlichen sehen es nach dem RH-Bericht als erwiesen an, "dass die Medienausgaben von ÖVP und Grünen speziell in der Corona-Krise nur dem Kauf der Meinung dienten", reagierte FPÖ-Generalsekretär und -Mediensprecher Christian Hafenecker in einer Aussendung. Zudem stehe nun auch der "Verdacht einer illegalen Parteifinanzierung" im Raum und erfordere eine dementsprechende Untersuchung und Aufklärung.

"Steuergeld ist nicht dafür da, dass die Bundesregierung parteinahe Medien damit füttert oder sich damit Gefälligkeitsberichterstattung erkauft", meinte wiederum NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter. Sie forderte einmal mehr die Umsetzung von Reformen: "Die Ausgaben der Ministerien für Eigen-PR müssen gedeckelt und Inserate nach nachvollziehbaren Kriterien vergeben werden."

ÖVP macht Corona verantwortlich

Die ÖVP erklärte "das damals erhöhte Informationsaufkommen" in einer schriftlichen Stellungnahme an die APA mit den Maßnahmen im Zuge der Coronapandemie sowie der damit zusammenhängenden Impfkampagne. Aus dem Finanzministerium hieß es wiederum, der Großteil der RH-Empfehlungen seien "bereits obsolet, da längst durch die Reform des Vergabewesens und die Umstrukturierung der Zentralleitung umgesetzt". Seit dem Amtsantritt von Minister Magnus Brunner (ÖVP) seien die Ausgaben daher um zwei Drittel reduziert worden.

Bericht zur Stadt Wien folgt

Ein Sprecher des Rechnungshofes teilte wiederum mit, dass man die Kostentransparenz bei der Medienarbeit der Stadt Wien prüfen werde - dazu werde es aber einen eigenen Bericht geben. 

ribbon Zusammenfassung
  • Der Rechnungshof hat die Medienarbeit des Bundeskanzleramts, des Finanz- und Klimaschutzministeriums der türkis-grünen Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) zerpflückt.
  • Scharfe Kritik gibt es in dem am Freitag veröffentlichten Bericht nicht nur an hohen Kosten und mangelnder Wirtschaftlichkeit.
  • Entscheidungen seien nicht nachvollziehbar. Insgesamt gaben die Ministerien von 2019 bis 2021 108,02 Mio. Euro für ihre Medienarbeit aus.
  • Auch Politwerbung orten die Prüfer.