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Politisches Patt in Bulgarien nach Wahlsieg von Bürgerlichen

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In Bulgarien hat die prowestliche bürgerliche Oppositionspartei GERB die vorgezogene Parlamentswahl gewonnen, die absolute Mehrheit aber bei weitem verfehlt. Bei der bereits vierten Wahl in eineinhalb Jahren erhielt die Partei am Sonntag vorläufigen amtlichen Ergebnissen zufolge rund 25,34 Prozent der Stimmen. Die zuletzt regierende liberale PP ("Wir führen den Wandel fort") von Ex-Regierungschef Kiril Petkow kam danach mit 20,20 Prozent auf Platz zwei.

Vorerst sieben Parteien werden in das neu gewählte Parlament mit 240 Sitzen einziehen. Die amtlichen Endergebnisse und die Platzverteilung sollen binnen Tagen bekannt werden. Es zeichnen sich aber jetzt schon unklare Mehrheitsverhältnisse ab.

Die Partei GERB des wegen Korruptionsvorwürfen umstrittenen langjährigen Regierungschefs Boiko Borissow hat die Neuwahl zwar gewonnen. Um regieren zu können, braucht sie aber Koalitionspartner. Im EU-Parlament gehört die Partei zur Europäischen Volkspartei (EVP), in Bulgarien ist sie aber seit ihrer Abwahl im April 2021 politisch isoliert. Die Bildung einer neuen Regierung dürfte ihr nach Auffassung von Beobachtern schwer fallen. Als stärkste Parlamentsfraktion muss die GERB von Staatschef Rumen Radew als erste Partei den Regierungsauftrag erhalten.

Die drei Parteien in Petkows früherer Koalitionsregierung aus PP, Sozialisten und dem konservativ-liberal-grünen Bündnis DB kämen den Angaben zufolge zusammen auf fast 37 Prozent. Damit haben auch sie keine Regierungsmehrheit. Ex-Ministerpräsident Kiril Petkow schloss in der Wahlnacht eine große Koalition seiner Partei PP mit der GERB erneut aus.

"'Wir führen den Wandel fort' wird eine mögliche Einladung der GERB zu Koalitionsgesprächen absagen", bekräftigte Petkow am Montag im Staatsfernsehen BNT. Die "langfristige Mission und Causa" der PP sei, nicht in Korruption verwickelt zu sein, betonte er. Auch die Parteichefin der Sozialisten, Kornelia Ninowa, lehnte am Montag vor der Presse eine Koalition mit der GERB ab - ebenso mit der Partei der türkischen Minderheit DPS (13,76 Prozent). GERB-Chef Borissow hielt sich seit Wahlschluss bedeckt. Unklar war, ob er riskieren würde, ein Minderheitskabinett seiner Partei zu wagen.

"Die Bildung einer Regierung wird schwierig sein", erläuterte Janiza Petkowa vom Meinungsforschungsinstitut Gallup International Balkan im Staatsradio in Sofia. Die Soziologin sieht keine Koalitionspartner, die im Parlament eine Mehrheit zusammenbekommen könnten.

Die Bildung einer Regierung aus Experten und nicht aus bekannten Politikern könnte nach Auffassung von Analysten einen Ausweg aus der Patt-Situation bieten. Angesichts des Ukraine-Kriegs, der Energiekrise und der täglich steigenden Preise wäre eine solche "Regierung der nationalen Rettung" demnach nicht ganz auszuschließen.

Ein Kandidat für eine Regierung dieser Art wäre der frühere Verteidigungsminister Stefan Janew. "Ich hoffe, dass wir Teil einer Koalition werden, die Lösungen gibt", sagte der Chef der national-konservativen Partei Bulgarischer Aufschwung (BW). Die kurz vor der Wahl neu gegründete Partei schaffte den Einzug ins Parlament gerade noch mit 4,6 Prozent. Janew war von Petkows Regierung entlassen worden, weil er den russischen Einmarsch in die Ukraine nicht "Krieg", sondern im Einklang mit der russischen Propaganda eine "Operation" genannt hatte.

Im neu gewählten bulgarischen Parlament ist mit Wasraschdane (Wiedergeburt) auch eine prononciert prorussische Partei vertreten. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs verdoppelte sie ihr Ergebnis auf gut zehn Prozent. Wasraschdane wollte sich allerdings an keiner Regierung beteiligen.

ribbon Zusammenfassung
  • In Bulgarien hat die prowestliche bürgerliche Oppositionspartei GERB die vorgezogene Parlamentswahl gewonnen, die absolute Mehrheit aber bei weitem verfehlt.
  • Bei der bereits vierten Wahl in eineinhalb Jahren erhielt die Partei am Sonntag vorläufigen amtlichen Ergebnissen zufolge rund 25,34 Prozent der Stimmen.
  • Die zuletzt regierende liberale PP von Ex-Regierungschef Kiril Petkow kam danach mit 20,20 Prozent auf Platz zwei.

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