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"Notmaßnahme" bei Erwachsenenvertretungen

Heute, 09:08 · Lesedauer 3 min

Anwälte und Notare müssen wieder mehr Erwachsenenvertretungen übernehmen. Das sieht der Entwurf des Budgetbegleitgesetzes vor, in dessen Erläuterungen von einer "Notmaßnahme" die Rede ist. Ansonsten würde das System der gerichtlichen Erwachsenenvertretung (früher: Sachwalterschaft) zusammenbrechen. Der Bedarf an Erwachsenenvertretung sei ungebrochen groß, gleichzeitig mangle es an geeigneten Vertretern.

Mit einer großen Reform 2018 wurde aus dem Sachwalter der Erwachsenenvertreter. Eines der Ziele damals war, dass Anwälte und Notare nicht mehr so viele Sachwalterschaften übernehmen sollten - diese mussten einspringen, wenn etwa keine Angehörigen vorhanden waren, die sich um die betroffene Person kümmern konnten. Unter anderem wurde damals daher die generelle Verpflichtung der beiden Berufsgruppen zur Übernahme gerichtlicher Erwachsenenvertretungen abgeschafft. Sie mussten damit nur mehr in jenen Fällen als Vertreter fungieren, wenn für die Besorgung der Angelegenheiten Rechtskenntnisse erforderlich waren. Alle anderen sollten bei einem Mangel an geeigneten Angehörigen von Erwachsenenschutzvereinen abgewickelt werden.

Dieser Plan ist nun gescheitert, gesteht man in den Erläuterungen ein. "Dadurch wurde der Mangel an geeigneten Erwachsenenvertretern für Personen, die keine ('geeigneten' und zur Übernahme bereiten) Angehörigen haben, insofern verschärft, als eine gleichzeitig dringend erforderliche Kapazitätserhöhung bei den Erwachsenenschutzvereinen bislang noch nicht realisiert werden konnte und aufgrund der erforderlichen Budgetkonsolidierung auch in absehbarer Zukunft nicht umsetzbar ist."

Künftig kehrt man daher wieder de facto zur alten Rechtslage zurück. Notare und Anwälte müssen die Vertretung übernehmen, auch wenn zur Besorgung der Angelegenheiten nicht vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind. "Die grundlegende Reform der Erwachsenenvertretung war ein Erfolg, der es vielen Menschen ermöglicht, länger selbstbestimmt zu leben", so Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) in einer Aussendung. "Aber das System läuft am Anschlag der Kapazitätsgrenze. Wir müssen jetzt Maßnahmen ergreifen, um eine qualitätsvolle gerichtliche Erwachsenenvertretung weiter gewährleisten zu können."

Anwälte: "Aufgabe des Staats wird abgewälzt"

Kritik an der Maßnahme kommt von den Anwälten. Mit der Rückkehr zur alten Regelung würde eine Aufgabe des Staats bzw. dessen Budgetproblem abgewälzt, meinte der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), Armenak Utudjian, zur APA. Im Gesetz sei nämlich auch festgehalten, dass die Anwälte und Notare dafür keine Mindestentschädigung erhalten. Nur wenn beim Vertretenen Vermögen vorhanden sei, würden die Anwälte und Notare für ihre Tätigkeit bezahlt, ansonsten nicht einmal Barauslagen ersetzt.

Dazu komme, dass man 2018 die Übertragung an die Vereine ja aus Qualitätsgründen vorgenommen habe, so Utudjian. Die Einrichtungen hätten dafür auch die nötigen Ressourcen wie Sozialarbeiter etc. "Viele Anwälte sind aber nicht eingerichtet dafür, Sozialarbeiter haben etwa nur die darauf spezialisierten Kanzleien." Weiterer Kritikpunkt: Statt wie bisher nach drei muss künftig erst nach fünf Jahren überprüft werden, ob die Erwachsenenvertretung noch nötig sei.

Kritisch sieht die Maßnahme auch die dafür zuständige Volksanwältin Gabriela Schwarz: "Erfahrungen aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass diese Aufgabe bei Erwachsenenschutzvereinen besser aufgehoben ist", hieß es in einer Aussendung. "Es bleibt im Sinne der Betroffenen zu hoffen, dass es sich wirklich nur um eine temporäre Maßnahme handelt."

Zusammenfassung
  • Anwälte und Notare müssen laut Entwurf des Budgetbegleitgesetzes wieder verstärkt Erwachsenenvertretungen übernehmen, da das System der gerichtlichen Erwachsenenvertretung andernfalls zusammenzubrechen droht.
  • Die 2018 eingeführte Reform, die Anwälte und Notare entlasten und Erwachsenenschutzvereine stärken sollte, ist gescheitert, weil eine dringend benötigte Kapazitätserhöhung bei den Vereinen bisher nicht umgesetzt werden konnte.