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"Hungerbedingte" Tode

UNO: Hilfsgüter bei Gaza-Bewohnern angekommen

Heute, 13:35 · Lesedauer 4 min

Nach zweieinhalb Monaten völliger Blockade hat die UNO in der Nacht auf Donnerstag mit der Verteilung von Hilfsgütern für den Gazastreifen begonnen.

Am Mittwoch seien "rund 90 Lastwagenladungen mit Gütern am Kerem-Shalom-Übergang abgeholt" worden, erklärte UNO-Sprecher Stéphane Dujarric. Am Donnerstag teilte Israel mit, dass rund 100 weitere Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern der Vereinten Nationen im Gazastreifen eingetroffen seien.

Zunächst Schwierigkeiten

Bei der Übergabe der Lieferungen gab es nach UNO-Angaben zunächst Schwierigkeiten: Laut Dujarric war dies darauf zurückzuführen, dass die israelischen Behörden für die Entladungen nur einen "sehr überfüllten Bereich" zuließen, der "nicht sicher" sei. Ab Mittwochnacht konnten dann erste Lieferungen an die Menschen im Palästinensergebiet verteilt werden. Hilfsorganisationen hatten in den vergangenen Monaten wiederholt die katastrophalen humanitären Bedingungen im Gazastreifen angeprangert und vor einer drohenden Hungersnot gewarnt.

Die für die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen gegründete private US-Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) kündigte zudem an, in Kürze ihre Arbeit vor Ort aufzunehmen. Sie werde "die Logistik, die Sicherheit und den Zugang wiederherstellen, den die herkömmlichen Hilfsorganisationen verloren" hätten, teilte die umstrittene Organisation mit.

Kritik an Hilfsgüterkontrolle

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) lehnt den "Plan der USA und Israels zur Kontrolle der Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen ab", wie sie am Donnerstag in einer Stellungnahme an die APA bekannt gab. Der neue Mechanismus werfe "schwerwiegende humanitäre, ethische, sicherheitspolitische und rechtliche Fragen auf". Bisher wären zudem nur zwei Lkws mit Hilfsgütern bei den Mitarbeitern von Ärzte ohne Grenzen vor Ort angekommen, einer wurde zurückgehalten.

Die humanitäre Hilfe werde durch die Kontrolle der Hilfsgütervergabe weiter eingeschränkt sowie "den Zielen der Besatzung durch das israelische Militär unterworfen und instrumentalisiert", hieß es. "Dies kann daher keine Antwort auf die humanitäre Krise sein, die durch die Blockade der israelischen Regierung selbst geschaffen wurde", schreibt die Hilfsorganisation. Die israelische Regierung wirft der palästinensischen Terrororganisation Hamas vor, die Hilfsgüter weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren.

Derweil ging die militärische Offensive Israels im Gazastreifen unvermindert weiter: Am Donnerstag rief die israelische Armee die Bewohner von 14 Gebieten im Norden des Gazastreifens zur Evakuierung auf und warnte, in den Gebieten mit Härte gegen "terroristische Organisationen und ihre Aktivitäten" vorzugehen.

Netanyahu bot befristete Waffenruhe an

Unter dem wachsenden internationalen Druck auf Israel, die katastrophale Lage im Gazastreifen zu beenden, erklärte Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu am Mittwoch zwar, er sei zu einer befristeten Waffenruhe im Gazastreifen bereit, um die Rückkehr der dort noch festgehaltenen israelischen Geiseln zu ermöglichen. Gleichzeitig hielt Netanyahu an dem kürzlich verkündeten Ziel fest, die vollständige Kontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen.

International dauerte zudem die Kontroverse um Schüsse israelischer Soldaten während des Besuchs einer Diplomatengruppe im Westjordanland am Mittwochmorgen an: Die Diplomaten hatten Jenin im von Israel besetzten Westjordanland besucht, als israelische Soldaten Schüsse abfeuerten. Während die israelische Armee von "Warnschüssen" sprach, verurteilte das Auswärtige Amt den "unprovozierten Beschuss" der Diplomaten-Delegation, zu der auch ein österreichischer Vertreter gehörte.

In Gaza sollen 29 Kinder und Alte an Hunger gestorben sein

Im Gazastreifen sind unterdessen nach Angaben der unter Leitung der Terrororganisation Hamas stehenden Behörden in den vergangenen Tagen 29 Kinder und ältere Menschen infolge von Hunger gestorben. Viele Tausende seien in Gefahr, sagt Gesundheitsminister Majed Abu Ramadan vor der Presse. Es handle sich um "hungerbedingte Todesfälle".

Auf die Frage zu früheren Schätzungen der Vereinten Nationen, wonach ohne Hilfe 14.000 Babys sterben könnten, sagt der Minister: "Die Zahl 14.000 ist sehr realistisch und möglicherweise sogar noch zu niedrig." Mehr als 90 Prozent der Vorräte an Medikamenten seien "auf Null", fügt Ramadan hinzu.

Der Krieg war durch den brutalen Großangriff der radikalislamischen Hamas und mit ihr verbündeter militanter Palästinensergruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden. Dabei wurden nach israelischen Angaben rund 1.200 Menschen getötet, 251 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Noch immer werden 57 Geiseln von den Islamisten festgehalten, 34 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee bereits tot.

Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bisher mehr als 53.700 Menschen getötet, die meisten von ihnen Zivilisten.

Zusammenfassung
  • Nach zweieinhalb Monaten völliger Blockade hat die UNO in der Nacht auf Donnerstag mit der Verteilung von Hilfsgütern für den Gazastreifen begonnen.
  • Am Mittwoch seien "rund 90 Lastwagenladungen mit Gütern am Kerem-Shalom-Übergang abgeholt" worden, erklärte UNO-Sprecher Stéphane Dujarric.
  • Am Donnerstag teilte Israel mit, dass rund 100 weitere Lastwagen mit humanitären Hilfsgütern der Vereinten Nationen im Gazastreifen eingetroffen seien.