Eva DichandAPA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Mit Dichand im "Kameel": Welche reichen Stifter auch lobbyierten

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Eva Dichand wollte ein anderes Stiftungsrecht und soll mit der Aussicht auf wohlwollende Berichterstattung Gehör gefunden haben. Doch auch andere wohlhabende Stifter sollen ihre Interessen bei mehreren Terminen mit ÖVP-Ministern persönlich vorgetragen haben. Auffällig: Darunter mehrere ÖVP-Großspender.

Sind die Interessen von Unternehmen oder Personen, die für die ÖVP spendeten, wichtiger? Werden ihre Interessen eher gehört?

Auch diese Vermutungen stellen die Akten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die PULS 24 vorliegen, in der Causa Dichand in den Raum.

Wie berichtet, beschuldigt die Behörde die "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand, im Hintergrund für ein neues Stiftungsrecht lobbyiert zu haben. Für Inserate in "Krone" und "Heute" und eben diese Änderungen im Stiftungsrecht soll Dichand – auch im Namen ihres Mannes, dem "Krone"-Herausgeber Christoph Dichand – wohlwollende Berichterstattung zugesagt haben.

Eva und Christoph Dichand bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Die "angeblichen Freunde"

Lobbyiert haben aber scheinbar nicht nur sie. Die WKStA beruft sich auf die Aussagen des ehemaligen türkisen Strippenziehers und BMF-Generalsekretärs Thomas Schmid, der nun versucht, Kronzeuge zu werden. In seiner Selbstanzeige vom August 2022 behauptete Schmid: Auch "angebliche Freunde" von Eva Dichand "wollten mit einer Änderung des Stiftungsrechts mehr Flexibilität, weniger Transparenz bei Offenlegungen und die Möglichkeit, eine Stiftung zu vergünstigten Steuersätzen aufzulösen, erreichen".

Ihre "angeblichen Freunde" – einige davon ÖVP-Großspender – sollen von Ministern persönlich empfangen worden sein. Die Treffen sollen in einem noblen Lokal in der Wiener Innenstadt oder im Ministerium selbst stattgefunden haben. Teils sollen sie von Dichand organisiert worden sein. Dieses Bild zeichnet zumindest die WKStA in ihren Akten. Untermauert wird der Verdacht mit Chats, Aussagen von Schmid und seinen Kalendereinträgen.

Wer war bei den Treffen?

Ein Treffen mit laut WKStA "nahezu identen Teilnehmern" soll es etwa am 11. Februar 2015 im "Schwarzen Kameel" und am 16. Juni 2017 im Ministerium gegeben haben. Beide Male soll der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling Personen getroffen haben, die laut WKStA "alle eng mit Privatstiftungen zu tun" haben. Einige davon sollen ÖVP-Spender sein.

Darunter etwa:

  • Wolfgang Leitner, Stifter der Custos Privatstiftung. Seine Frau Cattina Leitner ist Präsidentin des österreichischen Stiftungsverbandes. Als Geschäftsführerin der Royal Hotelbetriebs GmbH hat sie 2017 10.000 Euro an die ÖVP gespendet.
  • Ein Stiftungsvorstand der Rauch Privatstiftung.
  • Der mittlerweile verstorbene Kranbau-Unternehmer Hubert Palfinger.
  • Und laut WKStA "vermutlich" Mitglieder der Familie Turnauer. Sie spendeten über die ILAG Vermögensverwaltungs GmbH 2017 100.000 Euro an die Bundes-ÖVP.

Dazwischen findet sich in Schmids Terminkalender etwa am 25. April 2017 ein "Termin zu Stiftungen" mit "Franz RAUCH, offenbar gemeint der Eigentümer des Fruchtsaftherstellers Franz Rauch GmbH", wie die WKStA schreibt und anmerkt: Die Firmengruppe der Familie Rauch spendete "erhebliche Summen an die Bundes-ÖVP". Aus Stiftungsvermögen und Tochtergesellschaften sollen es in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt 275.000 Euro gewesen sein.

Worum geht es eigentlich?

Doch warum wurde beim Thema Stiftungen so stark lobbyiert? Privatstiftungen ermöglichen es wohlhabenden Personen, ihr Vermögen über längere Zeit zu sichern und für einen bestimmten Zweck zu widmen. Das Privatstiftungsgesetz wurde 1993 gegründet, um zu verhindern, dass das Vermögen ins Ausland verschoben wird. Dafür bekamen sie viele steuerliche Vorteile – so konnte etwa die Erbschaftssteuer (wurde 2008 abgeschafft) mit Stiftungen umgangen werden.

Viele dieser steuerlichen Vorzüge, die Stiftungen früher hatten, gibt es heute nicht mehr. Einen Vorteil gibt es aber noch: Auf Auszahlungen aus Stiftungsvermögen, die vor 2008 gewidmet wurden, entfällt keine Einkommenssteuer, sondern lediglich die Kapitalertragssteuer (27,5 Prozent) auf den Vermögenszuwachs. Selbst das ist den Stiftern aber scheinbar zu viel.

Außerdem geht es um Mitspracherechte: Die Stifter oder von ihnen ernannte Begünstigte beziehen Profite aus einer Stiftung, geben dafür aber das Mitspracherecht an einen Stiftungsvorstand ab. Die Lobby der Stifter möchte das ändern. Könnten sie ja dann fast ohne Einschränkungen über ihr minimal versteuertes Vermögen verfügen.

Wie lief alles ab?

Schon im Jahr 2015 soll Dichand - sie und ihr Mann sind selbst Stifter - deshalb entsprechende Wünsche für eine Stiftungsreform geäußert haben, so Thomas Schmid. Auch der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling, der spätere Finanzminister Hartwig Löger, der damalige Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und der damalige Außenminister und spätere Bundeskanzler Sebastian Kurz (alle ÖVP) seien laut Schmid "stets über diese Thematik informiert und selbstverständlich auch eingebunden" gewesen.

Hans Jörg SchellingFOTO: APA/HANS PUNZ

Hans Jörg Schelling

"Heute"-Herausgeberin Eva Dichand und Thomas Schmid sollen die Mächtigen und die Lobbyisten zusammengebracht haben, wie aus Chats zwischen den beiden hervorgehen soll.

Lieber chef, diese Woche müssen wir abgeben zu den Stiftungen. Wir geben eine negative Stellungnahme ab.

Thomas Schmid an Hans Jörg Schelling

"Location - schwarzes Kameel? Oder Do&Co", fragte Schmid vor dem Treffen im Februar 2015. "Schwarzes Kamel eigener Raum. Perfekt.", antwortete Dichand. Unter den Besuchern waren bekannte Privatstifter (siehe oben), die laut Dichand teilweise aus dem Urlaub und aus Vorarlberg zu dem Treffen anreisten und sich "echt fundiert" vorbereiteten.

Schmid versicherte: "HVK, HBM sind fix dabei". "Herr Vizekanzler" war damals Mitterlehner, "Herr Bundesminister" für Finanzen Schelling.

"Wir geben eine negative Stellungnahme ab"

Letzterer war auch beim Treffen im Juni 2017 – als am Ende der Regierung unter Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) das Stiftungsrecht abermals reformiert werden sollte – dabei. Nach dem Treffen war Dichand offenbar noch zufrieden, sie schrieb an Schmid: Schelling solle Minister bleiben.

Über den Begutachtungsentwurf des Justizministers Wolfgang Brandstetter (ÖVP) war sie dann aber wieder "total sauer", berichtete zumindest Schmid an Schelling. Der Entwurf sah zwar eine Stärkung der Stifterfamilien vor, aber auch Transparenzpflichten. Dichand habe deswegen "Terror" betrieben, schrieb Schmid an Schelling.

"Lieber chef, diese Woche müssen wir abgeben zu den Stiftungen. Wir geben eine negative Stellungnahme ab", chattete Schmid scheinbar deshalb an den Finanzminister. Und tatsächlich: Das Finanzministerium gab eine negative Stellungnahme zum Entwurf des Justizministeriums ab, obwohl man selbst daran mitgearbeitet hatte. Das teilte Schmid auch Dichand mit, die soll geantwortet haben: "Hoffe, sehr negativ". Dichand soll die Stellungnahme noch vor dem Parlament bekommen haben. Die Reform hingegen kam nicht.

"Stiftungsoffensive" unter Kurz

Der nächste Versuch einer Reform des Stiftungsrechts fand dann unter Kanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Hartwig Löger (beide ÖVP) statt. Schmid weihte Kurz schon früh ein: Schon im Mai 2017 berichtete er ihm von der "Stiftungsoffensive", die ein "alter Wunsch von Eva" sei. Unter der türkis-blauen Regierung ging das Lobbying erneut los.

Die Dichands werden halten!! Bin mir sicher! Ich starte mit Eigentümern jetzt dann im BMF eine stiftungsoffensive - alter Wunsch von Eva.

Thomas Schmid an Sebastian Kurz

Die damalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) sollen laut "Standard" eine Mail von einer Anwältin der Familie Glock bekommen haben. Sie soll darin an ein Gespräch über das Stiftungsrecht erinnert haben. Im Namen der Glocks soll sie die Idee geäußert haben, die Stellung der Stifter zu stärken und eine "vierte Instanz" über dem Obersten Gerichtshof einzuführen, um dessen "krasse Fehlentscheidungen" zu korrigieren.

Sebastian Kurz und Hartwig LögerAPA/HANS KLAUS TECHT

Sebastian Kurz und Hartwig Löger

"Stifterfrühstück"

Schmid berichtete der WKStA in seiner Vernehmung weiter von einem "Stifterfrühstück" im Frühjahr 2018. Dabei trugen laut "Standard" Stifter "wie das Ehepaar Dichand, Cattina Leitner, Stanislaus Turnauer, Franz Mayr-Melnhof oder Peter Mitterbauer" ihre Vorstellungen bezüglich Stifterrechts beim Finanzminister Löger direkt vor. Das "Profil" berichtete 2021 über die Einladungsliste des Finanzministeriums: Demnach sollen auch die Industriellen Stefan Pierer, Franz Rauch und Investor Alexander Schütz zumindest eingeladen gewesen sein. Pierer teilte auf PULS 24 Anfrage aber mit, an dem Treffen nicht teilgenommen zu haben, die anderen waren nicht erreichbar oder antworteten auf entsprechende Anfragen nicht.

Vor allem im Finanzministerium sollen die Wünsche der Stifter jedenfalls auf offene Ohren gestoßen sein, beim damaligen Justizminister Josef Moser (ÖVP) weniger. Bekanntermaßen folgten aber ohnehin das Ibiza-Video und damit Neuwahlen.

Dichand: "Nie jemanden tyrannisiert"

Ermittelt wird in der Causa gegen die Dichands, auch Schmid gilt als Beschuldigter und will Kronzeuge werden und gegen Sebastian Kurz. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Eva Dichands Anwalt Michael Rami antwortete nicht auf eine PULS 24 Anfrage. Gegenüber dem "Falter" ließ er aber wissen: Eva Dichands Bemühungen für ein Stiftungsrecht seien völlig unbedenklich gewesen. Sie hätte "nie jemanden tyrannisiert" und "hätte auch keine Vorteile aus einer Änderung des Privatstiftungsgesetzes gehabt". 

Keine rechtlichen Bedenken gegen Lobbyisten

Gegen die übrigen Lobbyisten und ÖVP-Großspender gibt es keine rechtlichen Bedenken. Die WKStA legt aber dar, wie sie Gehör fanden und wie sich ihre Interessen vor allem im Finanzministerium niederschlugen. Mit den Grünen in der Regierung schwand dann die Chance auf Erleichterungen für Stifter. Aktuell sei keine Reform geplant, sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) am Dienstag dem "Standard".

Die aktuell geführte Debatte, die dem Stiftungswesen eigentlich schon etwas Despektierliches hineininterpretiert, macht mich offen gestanden ratlos

Cattina Leitner, Präsidentin des Stiftungsverbands

Leitner übergab Zadić "moderaten Reformvorschlag"

Bemühungen gibt es aber nach wie vor: Wie Cattina Leitner, Präsidentin des Stiftungsverbands, auf PULS 24 Anfrage mitteilte, habe sie Justizministerin Alma Zadić erst im Juni 2022 einen "moderaten Reformvorschlag" zum Privatstiftungsgesetz überreicht – dabei soll allerdings es nicht um Steuern gegangen sein, wie sie betont. Leitner sagt, dass sie seit Anfang 2022 Gespräche mit diversen Minister:innen der aktuellen Regierung geführt hätte.

Sie bestätigt ihre Teilnahme am Treffen im Juni 2017 mit dem damaligen Finanzminister Schelling. Bei diesem Treffen sei es laut Leitner auch um Steuern gegangen. Im Mai 2017 habe sie aber an keinem Treffen teilgenommen, an ein Treffen im Jahr 2015 könne sie sich nicht erinnern.

Cattina Leitner beim Ibiza-U-Ausschuss 2020.APA/HELMUT FOHRINGER

Cattina Leitner beim Ibiza-U-Ausschuss 2020.

Da sie für den Stiftungsverband tätig ist, seien "die vielen dutzenden, ja wahrscheinlich in die Hunderte gehenden, Gespräche in den letzten Jahren im Interesse des Stiftungswesens sicher nicht überraschend", teilt sie mit. "Die aktuell geführte Debatte, die dem Stiftungswesen eigentlich schon etwas Despektierliches hineininterpretiert, macht mich offen gestanden ratlos und auch etwas betroffen", sagt Leitner, die sich weiter für eine Reform des Stiftungsgesetzes einsetzt und "Flexibilität" fordert.

Es geht um Interessen weniger

Rund 3.000 Privatstiftungen soll es in Österreich geben, wie viel Vermögen in ihnen liegen, ist nicht bekannt. Um eine zu gründen, muss man mindestens 70.000 Euro einzahlen. Der Privatstiftungsverband schrieb einmal, eine Privatstiftung zahle sich wegen der administrativen Kosten erst ab 30 Millionen aus. Andere Experten bezweifeln die hohe Summe. Fest steht aber: Es geht in der Causa um die Interessen weniger, die aber sehr viel besitzen - und deshalb auf offene Ohren stoßen.

ribbon Zusammenfassung
  • Eva Dichand wollte ein anderes Stiftungsrecht und soll mit der Aussicht auf wohlwollende Berichterstattung Gehör gefunden haben.
  • Doch auch andere wohlhabende Stifter sollen ihre Interessen bei mehreren Terminen mit ÖVP-Ministern persönlich vorgetragen haben.
  • Auffällig: Darunter mehrere ÖVP-Großspender.