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Menschenrechte

Abschiebungen erleichtern: Europarat warnt vor Druck auf Justiz

Heute, 16:39 · Lesedauer 2 min

Der Generalsekretär des Europarats, Alain Berset, hat Forderungen von neun EU-Staaten, darunter Österreich, nach einer Neuauslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Bereich Migration zur leichteren Abschiebung von ausländischen Straftätern zurückgewiesen.

"Der Gerichtshof darf nicht als Waffe eingesetzt werden - weder gegen Regierungen noch von ihnen", teilte Berset am Samstag in einem Statement mit.

"Debatten sind gesund, aber eine Politisierung des Gerichtshofs ist es nicht", heißt es in dem Statement Bersets weiter.

"In einer Gesellschaft, die von Rechtsstaatlichkeit geprägt ist, sollte keine Justiz unter politischen Druck geraten. Institutionen, die die Grundrechte schützen, dürfen sich nicht den politischen Zyklen beugen. Wenn sie es doch tun, riskieren wir, genau die Stabilität zu untergraben, die sie gewährleisten sollen."

Auch Österreich fordert leichtere Ausweisung ausländischer Straftäter

Neun europäische Länder, darunter Österreich, haben am Donnerstag dazu aufgerufen, die Ausweisung ausländischer Straftäter zu vereinfachen.

Einen entsprechenden offenen Brief auf Initiative Dänemarks und Italiens über die Neuauslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Bereich Migration unterzeichnete auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP). "Wir sollten auf nationaler Ebene mehr Spielraum haben, um zu entscheiden, wann wir kriminelle Ausländer ausweisen", heißt es.

Genannt werden etwa Fälle von schweren Gewaltverbrechen oder Drogenkriminalität. Die Unterzeichner betonen weiters, die Staaten müssten in der Lage sein, wirksame Maßnahmen gegen feindliche Staaten zu ergreifen, die durch die Instrumentalisierung von Migranten versuchten, "unsere Werte und Rechte gegen uns zu verwenden".

Debatte um Auslegung der Menschenrechtskonvention

Die Auslegung des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) habe in einigen Fällen die Fähigkeit eingeschränkt, die demokratischen Gesellschaften und die Bevölkerung vor den heutigen Herausforderungen zu schützen, betonen die Unterzeichner.

Was ist die EMRK?

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ist ein völkerrechtlicher Vertrag zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Europa. Sie wurde 1950 vom Europarat beschlossen und trat 1953 in Kraft. Alle 46 Mitgliedstaaten des Europarats haben die EMRK ratifiziert und sind verpflichtet, grundlegende Rechte wie das Recht auf Leben, Freiheit, ein faires Verfahren, Meinungsfreiheit und das Verbot von Folter zu gewährleisten. Die Einhaltung überwacht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Einzelpersonen können dort Beschwerde einlegen, wenn sie ihre Rechte verletzt sehen und alle nationalen Rechtsmittel ausgeschöpft haben.

"Wir wollen unser demokratisches Mandat nutzen, um eine neue und offene Diskussion über die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu starten", heißt es in dem Schreiben. "Wir müssen das richtige Gleichgewicht wiederherstellen."

Der offene Brief geht nach Angaben aus dem Bundeskanzleramt zurück auf eine Initiative der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Unterstützt werden sie neben Bundeskanzler Christian Stocker von den Regierungschefs aus Belgien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen und Polen unterstützt.

Zusammenfassung
  • Der Generalsekretär des Europarats, Alain Berset, hat Forderungen nach einer Neuauslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention zurückgewiesen.
  • Neun europäische Länder, darunter Österreich, haben am Donnerstag dazu aufgerufen, die Ausweisung ausländischer Straftäter zu vereinfachen.