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"Kurz - der Film": Viel Platz zur Selbstdarstellung

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Regisseur Sascha Köllnreitner wollte ein "differenziertes Porträt" über Ex-Kanzler Sebastian Kurz auf die Leinwand bringen. Was dramaturgisch und optisch einer typischen Doku von amerikanischen Streaming-Diensten ähnelt, gibt Kurz vor allem den Raum zur Selbstdarstellung.

Knapp 90 Minuten lang beleuchtet "Kurz - der Film" die politische Karriere von Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Sein Aufstieg von der Jungen ÖVP ins Staatssekretariat, sein Weg vom Außenministerium ins Bundeskanzleramt und von dort - durch Rücktritt in Folge von Umfrage- und Inseraten-Affären sowie Korruptionsermittlungen - in die Privatwirtschaft. Es soll sich dabei um ein "differenziertes Porträt" einer polarisierenden Person handeln, nicht um eine "tagespolitische Abhandlung", betonte Regisseur Sascha Köllnreitner im Rahmen einer Pressevorführung.

"Ich bin kein Fan von Erklärstücken", meinte Köllnreitner. Und an Erklärung und Einordnung mangelt es offensichtlich. Das beginnt direkt nach wenigen Minuten, als Kurz über die Visionen und das Gespür fürs Weltgeschehen seines Geschäftspartners, den US-Unternehmer Peter Thiel, schwärmt.

Dass der erzlibertäre Milliardär politischen Ansichten hegt, die bisweilen wenig demokratisch sind, muss der Zuseher in diesem Moment selbst wissen. 2009 hielt Thiel etwa in einem Essay fest: "Ich glaube nicht mehr, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind."

Fehlende Tiefe

Wenig überraschend, füllt Sebastian Kurz einen Großteil der Bildschirmzeit aus. Dort darf er seine Sicht auf seine politische Karriere darlegen. Mangels kritischer Nachfragen kann sich Kurz dabei auch bei vielen Themen leicht aus der Affäre ziehen. Auch seine treuen Weggefährten Gerald Fleischmann und Johannes Frischmann dürfen ihren Teil zur Geschichte beitragen.

Das zeigt sich, als die Chat-Affäre rund um Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid, der als Kronzeuge in der Umfragen- und Inseraten-Affäre gegen Kurz ausgesagt hat, aufgegriffen wird. Ausgewählte Chat-Nachrichten können mitgelesen werden. Mit einem "Er hat nie für mich gearbeitet" kann Kurz das Thema jedoch schnell abhandeln. Fehlende Tiefe gibt es auch bei anderen Themenbereichen.

Zentrale Kritikpunkte außen vor

Die Absetzung des damaligen ÖVP-Chefs Reinhold Mitterlehners durch das Team um Kurz bleibt völlig außen vor. Postenschacher, Inseratenkorruption und manipulierte Umfragen werden zwar angeschnitten, man gewinnt aber nicht den Eindruck, dass sich Kurz damit wirklich kritisch auseinandersetzen sollte.

Die politische und juristische Aufarbeitung der Kurz-Ära durch U-Ausschüsse und Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) seien aus verschiedenen Gründen "dem Schnitt zum Opfer" gefallen, wie Regisseur Köllnreitner sagte. 

Dafür wird von ehemaligen Förderern und Weggefährten nicht mit Kritik am Umgang mit Kurz gespart. Ex-ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel prangert die Ermittlungen der WKStA an. Michael Spindelegger, der Kurz einst ins Staatssekretariat holte, wirft die Frage in den Raum, "ob das so unabhängig war", wolle sich da aber "nicht einmischen". Und Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger sprach über ihren Glauben an den Rechtsstaat und ihre Verwunderung, wie man versucht hätte, die Kurz-Bewegung zu zerstören.

Kritiker kommen nur spärlich zu Wort

Kritik gibt es vereinzelt auch, vor allem von der NEOS-Abgeordneten Stefanie Krisper oder von Investigativ-Journalist Michael Nikbakhsh. Wie Nikbakhsh nach der Vorstellung im PULS 24 Interview sagte, fühlt er sich in seinen Aussagen zwar nicht verdreht oder falsch dargestellt - es sei aber schon ein "Legerl".

So sei er eigentlich für einen Film interviewt worden, der sich vermeintlich mit der österreichischen Politik anhand des Systems Kurz auseinandersetzt - geworden ist es nun aber ein Porträt. Migrationsexpertin Judith Kohlenberger von der WU Wien ordnet das Handling von Kurz in der Migrationskrise ein. Auch hier bleibt man mit dem Verdacht zurück, dass es - mutmaßlich der Dramaturgie zuliebe - wichtige Einordnungen nicht aus dem Schnittraum geschafft haben.

Wer nicht zu Wort kommt

Zentrale Figuren in der Karriere von Sebastian Kurz kommen in der Dokumentation nicht zu Wort. So etwa Reinhold Mitterlehner, Kurz' Vorgänger als Parteichef, der öffentlich nie mit Kritik gespart hat. Dieser sei zwar angefragt worden, habe aber abgesagt, hieß es dazu. Heinz-Christian Strache hätte einen Auftritt ebenso abgelehnt. 

Was auch fehlt: Mitglieder der ÖVP, die noch aktiv in der Politik sind. So jemanden zu befragen, dazu habe Regisseur Köllnreitner "keinen Grund gesehen". Jemanden von den Grünen wie Vizekanzler Werner Kogler, mit dem Kurz immerhin eine Koalition verhandelt hat, fand Köllnreitner für seine Doku "nicht so spannend".

Das einzige Hoppala

Nur einmal zerbröckelt die durchgestylte Inszenierung an der "mixed message": Zu Beginn der Dokumentation erzählt Kurz stolz - mit Bildern vom Flughafen unterlegt - viel mehr unterwegs zu sein als früher. "Drei von vier Wochen im Monat" verbringe er nicht daheim bei seiner Familie.

Gegen Ende des Films wird die Rückzugs-Pressekonferenz des gefallenen Kanzlers vom Dezember 2021 gezeigt. Dort sagte Kurz, dass die Geburt seines Sohnes ihn zum Rückzug aus der Politik bewogen habe. Er wolle nun mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Manche Widersprüche wehren sich gegen jede Weginszenierung.

Was bleibt

Man kann durchaus Gefallen an einem Porträt des Ex-Kanzlers und Neo-Unternehmers mit schnellen Schnitten und lauter Musik finden. Wer sich seit Jahren für die Skandale und Grabenkämpfe der heimischen Innenpolitik interessiert, kann die Lücken durch die fehlenden Einordnungen und Kritik selbst füllen, für dieses Publikum bietet die Doku aber nichts Neues.

Für den durchschnittlich Politik-Interessierten bleibt jedoch kaum mehr als ein hübsch aufpolierter, aber sehr selektiver Blick auf einen (Ex-)Jungpolitiker mit rasantem Aufstieg zurück. 

"Kurz - der Film" ist ab 08.09.2023 in den österreichischen Kinos zu sehen.

ribbon Zusammenfassung
  • "Kurz - der Film" landet am Mittwoch in den Kinos. Regisseur Sascha Köllnreitner wollte ein "differenziertes Porträt" zur einer polarisierenden Person schaffen.
  • Was dramaturgisch und optisch einer typischen Doku von amerikanischen Streaming-Diensten ähnelt, gibt Kurz vor allem den Raum zur Selbstdarstellung.
  • Es mangelt an Kritik und Einordnung, Kurz kann sich bei ihm unangenehmen Themen mangels kritischer Nachfragen leicht aus der Affäre ziehen.
  • Zentrale Figuren in der Karriere von Sebastian Kurz kommen in der Dokumentation nicht zu Wort.

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