Nehammer will Russland-Sanktionen "evaluieren"

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Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Rand der UNO-Vollversammlung in New York die wegen des Angriffs auf die Ukraine verhängten Sanktionen des Westens und der EU gegen Russland verteidigt.

Gleichzeitig rief der Kanzler aber dazu auf, diese zu "evaluieren und zu schauen, ob sie treffsicher sind". Im Gespräch mit österreichischen Medien sagte Nehammer vor der am Dienstag beginnenden Generaldebatte: "Sanktionen dürfen uns nicht mehr schwächen als die, denen sie gelten sollen."

Sanktionen "friedlichste Lösung"

Generell hielt der Bundeskanzler fest: "Sanktionen sind die friedlichste Form, um gegen Krieg und Leid zu protestieren und aufzuzeigen, dass es so nicht weiter gehen kann." Der Krieg in der Ukraine sei nun einmal von Russland ausgelöst worden. Außerdem habe Russlands Präsident Wladimir Putin "die Bedingungen verändert, indem er zum ersten Mal in der Geschichte Gas als Kriegswaffe einsetzt." So etwas sei nicht einmal zu Zeiten der Sowjetunion passiert, ergänzte der Bundeskanzler.

Frust auch in Österreich

Bei den Sanktionen sei ohnehin darauf geachtet worden, dass nicht jene Länder darunter leiden, die an der Verhängung beteiligt waren. "Deswegen hat es mit Österreich zum Beispiel kein Gasembargo gegeben." Nehammer ortete aber bereits gewisse Verschleißerscheinungen in der westlichen und damit auch österreichischen Bevölkerung. "Was man zunächst einmal sieht, ist, dass die Menschen frustriert sind, weil die Sanktionen nicht jetzt schon die Wirkung zeigen, die wir uns erhofft haben, nämlich dass der Krieg aufhört." Da brauche es Geduld. "Wir wissen, dass die Sanktionen schwerwiegende Folgen haben für die russische Wirtschaft."

Dennoch sei aktuell aus seiner Sicht keine weitere Verschärfung angebracht, so Nehammer. "Wir haben viele Sanktionen beschlossen. Es gilt jetzt einmal die Wirkung dieser Sanktionen zu sehen, und solange das nicht so effizient ist, wie wir es uns erwartet haben, halte ich es derzeit für einen Fehler, über neue Sanktionen nachzudenken."

Waffenstillstand als fernes Ziel

Gleichzeitig müsse zudem versucht werden, "Brücken zu bauen", damit "wieder miteinander gesprochen wird zwischen den Kriegsparteien". Ziel müsse es sein, "dass man eine Möglichkeit eines Waffenstillstands findet." Dafür müsste im konkreten Fall aber sowohl eine Gesprächsbereitschaft der Ukraine als auch der Russischen Föderation vorhanden sein. "Das ist derzeit nicht absehbar, aber man darf nicht aufgeben."

Prinzipiell sei die UNO-Vollversammlung mit Spitzenvertretern aus vielen Staaten für solche Avancen ein geeigneter Ort. "Wir sind gerade hier an einem Platz, wo immer gesprochen werden kann, mit dem Aggressor genauso wie mit dem Opfer. Das ist aus meiner Sicht wichtig, um einen Weg zu finden, wie der Krieg aufhören kann."

UN-Generalversammlung: Ohne Selenskyj und Putin

PULS 24 Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner berichtet aus New York. 

Mit UNO-Generalsekretär António Guterres habe er sich etwa vor seinem Besuch in Moskau beim russischen Machthaber Putin im April eng abgestimmt. Letztlich habe es auch Erfolge bei der Errichtung "grüner Korridore" gegeben, die unter türkischer Vermittlung eine Ausfuhr von Getreide aus ukrainischen Schwarzmeerhäfen ermöglichen. "Guterres hat damals alle Aktivitäten, die wir als Österreich gesetzt haben, begrüßt und gesagt, es sei wichtig, dass Länder sich involvieren und dass Gespräche stattfinden."

Van der Bellen und Nehammer treffen Guterres

Mit Guterres wird Nehammer am Mittwoch gemeinsam mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) zu einem bilateralen Treffen zusammenkommen. Weiters stehen für Nehammer unter anderem Meinungsaustäusche mit den Regierungschefs aus Pakistan (Shebaz Sharif), dem Irak (Mustafa al-Kadhimi) sowie mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić auf der Agenda.

Dabei wird es vor allem um die Themen Migration und Flüchtlinge gehen. Pakistan spiele als Nachbarland von Afghanistan eine besondere Rolle, erläuterte Nehammer. Dazu gebe es aktuell eine Migrationswelle, die zum Beispiel mit der "Visaliberalisierung durch Serbien" zusammenhänge. "Wir haben 14.000 Asylanträge aus Indien. Hier muss man mit Serbien reden, dass diese Visaliberalisierung wieder zurückgenommen wird. Deswegen werde ich mich mit dem serbischen Präsidenten und dem ungarischen Premierminister zusammensetzen, um hier auch Lösungen zu finden, um eben genau diese Route über den Westbalkan auch wieder zu schließen."

Bilaterales Zusammenkommen mit Ruanda

Außenminister Schallenberg wird sich in New York auch mit seinem Counterpart aus Ruanda, Vincent Biruta, treffen. Dazu meinte Nehammer im Gespräch mit österreichischen Journalistinnen und Journalisten: "Es ist nützlich und hilfreich, gerade mit Afrika zu verhandeln. Man muss die Fluchtursachen bekämpfen, das heißt, man muss den Menschen vor Ort helfen. Sie sollen sich erst gar nicht auf den Weg machen. Und vor allem: Sie sollen nicht die gefährliche Reise über das Mittelmeer antreten, wo dann so viele auch ertrinken."

Es brauche also "Investment in Afrika", forderte Nehammer. "Deswegen gibt es den Gipfel der Europäischen Union mit der Afrikanischen Union. Das halte ich für wichtig und richtig." Ein weiteres Thema, dass angesichts des geballten Konfliktpotenzials in New York nicht zu kurz kommen dürfe, sei der Klimawandel. Da müssten noch schneller Maßnahmen gesetzt werden, "dass wir unabhängiger werden von fossiler Energie", formulierte der Regierungschef. "Das ist nicht einfach. Das braucht ein gemeinsames Miteinander. Das braucht es viele Investitionen des Staates." Die Menschen müssten auf diesem "schwierigen Weg begleitet" werden. Nehammer: "Dafür stehen wir zur Verfügung."

ribbon Zusammenfassung
  • Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat am Rand der UNO-Vollversammlung in New York die wegen des Angriffs auf die Ukraine verhängten Sanktionen des Westens und der EU gegen Russland verteidigt.
  • Im Gespräch mit österreichischen Medien sagte Nehammer vor der am Dienstag beginnenden Generaldebatte: "Sanktionen dürfen uns nicht mehr schwächen als die, denen sie gelten sollen."
  • "Wir wissen, dass die Sanktionen schwerwiegende Folgen haben für die russische Wirtschaft."

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