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Israel-Iran-Konflikt

Wie nah ist Iran wirklich an einer Atomwaffe?

Heute, 13:24 · Lesedauer 5 min

Israel hat seinen Erzfeind Iran am Freitag angegriffen. Der Angriff auf Iran wird damit begründet, dass Teheran unmittelbar vor der Entwicklung von Atomwaffen stünde. Doch wie weit ist das iranische Atomprogramm wirklich?

Am Freitag bestätigte das israelische Militär einen "präventiven, präzisen und kombinierten Angriff auf das iranische Atomprogramm", der auf Dutzende nukleare und militärische Standorte im Iran gezielt hat.

Laut iranischen Medien wurden dabei auch sechs zentrale Figuren aus Irans Militärapparat sowie mindestens neun teils führende Wissenschaftler und Professoren getötet. 

Auch Dutzende Zivilist:innen seien bei israelischen Angriffen auf die Hauptstadt Teheran getötet worden.

Israel will "nuklearen Holocaust" verhindern

Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu erklärte gegenüber Fox News am Sonntag, er habe Luftangriffe auf den Iran befohlen, um "einen nuklearen Holocaust" zu verhindern. 

Er behauptete, seine Regierung verfüge über Informationen, wonach der Iran nur noch Monate von der Entwicklung einer ersten Atomwaffe entfernt sei. Beweise für diese Behauptungen wurden bislang jedoch nicht vorgelegt.

Die Direktorin der US-Geheimdienste, Tulsi Gabbard, erklärte im März vor dem US-Kongress, dass der amerikanische Geheimdienst weiterhin davon ausgeht, "dass der Iran keine Atomwaffen baut".

Auch die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) hat bisher keine Hinweise gefunden, dass der Iran ein Atomwaffenprogramm entwickelt.

https://x.com/wikileaks/status/1933844614105997336

Wie "Financial Times" berichtet, haben IAEO-Inspektoren regelmäßig die beiden wichtigsten Anreicherungsanlagen in Natans und Fordo dafür überprüft.

Das bedeutet jedoch nicht, dass Iran nicht waffenfähig werden könnte. Das Land verfügt inzwischen über das technische Know-how und die nötige Infrastruktur, um sein ziviles Atomprogramm nutzbar machen zu können.

Atomprogramm für zivile Zwecke

Wenige Tage vor dem israelischen Angriff verabschiedete der Vorstand IAEO zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten eine Resolution, in der es hieß, der Iran verstoße gegen seine Nichtverbreitungsverpflichtungen.

Das Land ist nämlich Vertragspartei des UN-Atomwaffensperrvertrags (NPT), in dem es sich verpflichtet hat, keine Bombe zu entwickeln.

Der Iran behauptet, dass sein Atomprogramm - das ursprünglich vom letzten Schah mit Unterstützung der USA entwickelt wurde - für friedlichen zivilen Zwecke dient.

Waffenprogramm und Wiener Atom-Abkommen

Nach Einschätzungen der US-Geheimdienste hat der Iran jedoch schon vor mehr als zwei Jahrzehnten mit den ersten Arbeiten an einem Waffenprogramm begonnen. 

Damals befand sich das Land noch im Anfangsstadium der Urananreicherung, und das Programm wurde den Einschätzungen zufolge im Jahr 2003 gestoppt. 

2015 schloss Teheran mit den USA und anderen Weltmächten ein Atom-Abkommen, das die Urananreicherung stark einschränkte und strenge Kontrollen durch die IAEO vorsah. 2016 trat das Atom-Abkommen, das unter anderem in Wien ausgehandelt wurde, in Kraft. 

Nachdem US-Präsidenten Donald Trump 2018 einseitig aus dem Abkommen ausstieg, weitete Iran sein Programm wieder deutlich aus.

Angereichertes Uran im Iran auf Höchststand

Im Mai schrieb das "Wall Street Journal" unter Berufung auf einen vertraulichen Bericht IAEO, dass der iranische Bestand an 60 Prozent angereichertem Uran auf über 400 Kilogramm angewachsen sei.

Das sei genug Spaltmaterial für etwa zehn Atomwaffen, wenn es weiter auf 90 Prozent angereichert wird. 

Der Gesamtbestand an angereichertem Uran liegt bereits bei über 8.400 Kilogramm. Laut CNN ist es der "höchste Stand aller Zeiten".

Video: Angriff auf Iran: Israel hat das "sehr genau geplant"

Expertin: "Es bestand keine unmittelbare Bedrohung"

Teheran habe seit mehr als einem Jahr eine "Ausbruchszeit von nahezu Null" erreicht. Das heißt, es ist in der Lage, innerhalb von Tagen genügend spaltbares Material für mehrere Atombomben herzustellen, wird Kelsey Davenport von der Arms Control Association von der "Financial Times" zitiert. 

Die Technologie zum Bau von Waffen müsse jedoch noch entwickelt werden.

Davenport erklärte, den eigentlichen Prozess der Bewaffnung könne man schwer genau abschätzen. Es hätte ihrer Schätzung nach vermutlich mehrere Monate bis ein Jahr gedauert, um waffenfähiges Uran in einem einsatzfähigen Sprengstoffpaket zu integrieren und diesen über eine Rakete ausliefern zu können.

"Es bestand also keine unmittelbare Bedrohung durch eine Atombombe", wird Davenport im Bericht zitiert.

Geheime Anlagen?

Expert:innen warnen jedoch, der Iran könnte heimlich fortschrittliche Zentrifugen an nicht überwachten Standorten betreiben und dort hochangereichertes Uran auf Waffenqualität bringen. 

Laut Ali Vaez, einem Iran-Experten der Crisis Group, bestehe die "reale Möglichkeit, dass der Iran im Rahmen seiner Notfallpläne geheime Anlagen gebaut hat".

Laut Davenport sei eine geheime Anlage schwieriger zu entdecken und könne "sehr schnell" waffenfähiges Material anreichern.

Immer schneller immer näher dran

Offizielle Beweise für ein laufendes iranisches Atomwaffenprogramm gibt es bisher nicht. Auch ist unklar, wie nahe der Iran aktuell an der Fertigstellung einer Atombombe ist. 

Die Anreicherung von Uran auf 60 Prozent - nur wenige Schritte von waffenfähigem Material - zeigt jedoch, wie weit das iranische Nuklearprogramm bereits fortgeschritten ist. Zudem wird der notwendige Zeitraum, die der Iran für eine Fertigstellung benötigt, immer kleiner. 

Genau davor warnen Expert:innen.

Zusammenfassung
  • Israel hat seinen Erzfeind Iran am Freitag angegriffen.
  • Der Angriff auf Iran wird damit begründet, dass Teheran unmittelbar vor der Entwicklung von Atomwaffen stehe.
  • Doch wie weit ist das iranische Atomprogramm wirklich?